„Jede Ziffer war ein Ton“

Erinnerungen an den Maler René Halkett und seine Zusammenarbeit mit der Band "Bauhaus"

Von Robert Brammer · 14.04.2019
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Fast gänzlich unbekannt ist die Geschichte der Zusammenarbeit zwischen der englischen Band "Bauhaus" und dem Bauhaus-Schüler, Schriftsteller und Maler René Halkett. Robert Brammer erinnert an ein ungewöhnliches künstlerisches Zusammenwirken über die Generationsgrenzen hinweg.
Wie so viele innovative Bands der Post-Punk-Ära hatte sich auch "Bauhaus" bereits aufgelöst, als eine größere Öffentlichkeit erkannte, wie einflussreich diese Musiker tatsächlich gewesen waren. Zwischen 1979 und 1983 veröffentlichte das Quartett aus dem englischen Northampton vier Alben mit Rock'n'Roll-Rhythmen, gemischt mit Dub, Glam und Electronica. Schon ihre Debüt-Single "Bela Lugosi’s Dead" geriet zu einem Klassiker.
Seit 1967 lebte der Maler, Schriftsteller, Tänzer und BBC-Journalist René Halkett in dem kleinen keltischen Ort Camelford in Cornwall, am äußersten Westzipfel Englands. Ende der 1970er Jahre war es John Peel, der berühmte BBC-Moderator und DJ gewesen, der den Kontakt zwischen dem Bauhauskünstler René Halkett und der britischen Post-Punkband "Bauhaus" vermittelt hatte.
Aus der Zusammenarbeit zwischen René Halkett, der das Theater und die Musik liebte, und dem Gründer der Band, dem Gitaristen David Jay, entstand im April 1981 eine Platte, die unter Liebhabern bis heute Kultstatus genießt: eine Mischung aus Poesie und moderner Musik. Ein 80-jähriger Maler und Schriftsteller, humanistisch gebildet, der sich für Punkmusik und griechische Mythologie gleichermaßen interessierte, und ein 24-jähriger Musiker: aus der Freundschaft dieser beiden Künstler entstand 1981 die Platte mit den vertonten Gedichten "Nothing" und "Armour". Das Cover ziert eine Zeichnung von Halkett.
Cover der LP "Nothing" mit einer Zeichnung von René Halkett
Cover der LP "Nothing" mit einer Zeichnung von René Halkett© https://4ad.com/releases/747
Geboren wurde René Halkett am 5. Februar 1900 als Albrecht Georg Friedrich Freiherr von Fritsch in Weimar. Aufgewachsen in einem konservativen und großbürgerlichen Elternhaus, kam er Anfang der 1920er Jahre, vermittelt durch den Maler Lyonel Feininger, zum Bauhaus nach Weimar und belegte dort Kurse bei Klee, Kandinsky und Schlemmer. In Weimar lebte und erlebte er den Aufbruch der Moderne. Seit Mitte der 1920er Jahre nennt er sich nach früheren schottischen Vorfahren René Halkett, lebt in Berlin, Paris und auf Ibiza und emigriert 1936 mit seiner Frau schließlich nach London.
1939 erscheint sein autobiographisch gefärbtes Buch: "The Dear Monster" - eine Zustandsbeschreibung Deutschlands der ersten drei Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts - voller bedrückender Phantasien und prophetischer Visionen. Im Krieg arbeitet er für den britischen Geheimdienst in der Abteilung Gegenpropaganda. Und nach dem Krieg übersetzt und recherchiert er für die Amerikaner bei den Kriegsverbrecherprozessen in Nürnberg.
Die Nachkriegszeit erlebt René Halkett - wie viele Exilanten - in großer Armut, bis er durch einen glücklichen Zufall 1955 Arbeit beim deutschsprachigen Dienst der BBC in London findet. Fest angestellt aber wollte er nie werden, denn dann, so seine Befürchtung, wäre er nicht mehr zum Malen gekommen. Und René Halkett - vielfältig begabt - hat sein ganzes Leben über gemalt. 1967 schließlich zieht Halkett nach Camelford in Cornwall, in ein kleines schmales Haus, das ein Freund für ihn ersteigert hatte.
Für David Jay, den Mitbegründer der Band "Bauhaus", war René Halkett die Verbindung mit einer Epoche, die er nur vom Hörensagen und aus seinem Kunststudium her kannte. Halkett war auf eine faszinierende Weise interessiert an neuen kulturellen Entwicklungen. Gleichzeitig besaß er aber auch eine tiefe und genaue Kenntnis kultureller Traditionen, beispielsweise über die griechische Mythologie und Kultur.
David Jay: "Er war ungemein lebendig. Er kannte sich beim Punk-Rock aus und er fand diese Musik überraschend. Er interessierte sich für psychedelische Musik, als sie in den 1960er Jahren aufkam. Er ging in Londoner Clubs im Kostüm von Sergeant Pepper tanzen und man hätte ihn wahrscheinlich für einen schwulen Jungen halten können. Gleichzeitig aber war er auch in den vergangenen Kulturen zu Hause. Er war zum Beispiel eine Autorität in allem, was Shakespeare anging. Es war ungemein inspirierend, mit jemandem zusammen zu sein, der so lebendig war wie er. Und so neugierig."