Jede Kugel ein Verlust

Von Burkhard Birke · 29.11.2012
Mit Musik und Tanz engagiert sich eine Gruppe von Künstlern in der kolumbianischen Stadt Medellin gegen die alltägliche Gewalt. Manche von ihnen mussten für ihren Einsatz schon mit dem Leben bezahlen. Dennoch geben die Musiker den Kampf gegen das Blutvergießen nicht auf.
Weitermachen, weiterträumen. Von einem Wohnviertel, in dem irgendwann nicht mehr der Klang der Waffen, sondern nur noch die Musik den Ton angibt. Trotzig und entschlossen gibt sich Jeihhco am Telefon: Er und 64 andere Künstler mussten sich Anfang November in Sicherheit bringen, die Comuna 13 verlassen, nachdem zwei Hip-Hop-Lehrer kaltblütig ermordet wurden. Mögliches Motiv?

"Wir Künstler haben eine Veranstaltung gegen das Morden abgehalten, wir haben einfach nur gesagt, wir wollen leben, wir wollen Leben in unserem Viertel, glücklich sein. Das hat einer dieser bewaffneten Gruppierungen offenbar nicht gefallen. Und sie haben uns mit dem Tode bedroht."
Seit zehn Jahren schon rappen Jeihhco und seine Freunde in der Comuna 13 für Frieden. Statt zu den Waffen zu greifen, Singen, Tanzen, Rappen lernen. 400 Kinder haben sie schon erreicht mit dem Projekt. Ein Mosaiksteinchen im Friedenspuzzle Kolumbiens.

"Die müssen abrüsten, die Waffen niederlegen, wir versuchen die Herzen zu entwaffnen: Beides muss Hand in Hand gehen."

Jeihhco weiß, wovon er spricht. Der 27-jährige Hip-Hop-Lehrer ist in der Comuna 13 groß geworden, hat von Kindesbeinen an erlebt, wie wechselweise die Guerilla, paramilitärische Verbände und Sicherheitskräfte in Medellins Problemviertel den Ton angaben. Die Guerilla wurde vertrieben, die Paramilitärs, die oft Hand in Hand mit den staatlichen Sicherheitskräften arbeiteten, haben sich offiziell aufgelöst oder einfach nur umbenannt, neu gruppiert.

Es ist ein Teufelskreis. Comuna 13 ist strategisch wichtig. Dieser Stadtteil ist die Verbindung der Millionenmetropole Medellin zur Küste. Durch dieses Tor kommen Handelsgüter, aber vor allem auch Waffen und Drogen in die Stadt.

"Wir wollen die Leben der Menschen verändern hier in der Comuna 13. Das Viertel ist in den letzten Jahrzehnten von Gewalt heimgesucht worden.
Mit dem Hip Hop wollen wir aus dieser Kriegszone ein Viertel von Künstlern machen"," träumt Jeihhco.

Immer wieder musste das Projekt Hip-Hop-Elite Rückschläge hinnehmen. Neun Lehrer bezahlten ihr Engagement in den zehn Jahren der Existenz des international unterstützten Projekts bereits mit dem Leben.
Jeihhco bleibt unbeirrt und wird in seiner Haltung auch prominent unterstützt.

""Wir dürfen nicht zulassen, dass die Angst uns jetzt heimsucht und aufgeben."

Kein geringerer als der Weltstar Juanes appelliert an Jeihhco und seine Freunde jetzt mit Durchhalteparolen. Auch Juanes unterstützt das Hip-Hop-Projekt. Mit seiner Stiftung Mi Sangre kämpft er gegen Landminen und für Frieden in Kolumbien. Er hofft auf erfolgreiche Verhandlungen und baut vor Ort auf die friedenschaffende Kraft der Musik, der Kunst überhaupt.

"Durch die Kunst sprechen wir die Herzen an, wir stellen eine Verbindung untereinander her auf einer Ebene, wo Status, Politik und Religion keine Rolle spielen, es ist die Ebene der Gefühle. Wir können die Vergangenheit hinter uns lassen, uns klar werden, woher wir kommen und wo wir hinwollen. In jeder Gesellschaft spielt Kunst eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, Frieden zu schaffen. Deshalb ist Musik und Kunst an sich in Kolumbien von elementarer Bedeutung."

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