Jean-Luc Bannalec: "Bretonische Flut"

Reiseführer mit Krimihandlung

Die Bucht von Etretat mit Wolkenhimmel in Frankreich.
Bretagne-Impressionen © imago / CHROMORANGE
Von Kolja Mensing · 14.07.2016
In Kommissar Dupins fünftem Fall geht es um einen Konflikt zwischen Naturschützern und Fischern in der Bretagne. Dabei ist die Handlung eher nebensächlich: Denn die Krimireihe zeichnet sich mehr durch die beschriebenen Landschaften und Exkurse in die bretonische Sagenwelt aus.
Der Schauplatz ist wieder mit Bedacht gewählt. "Bretonische Flut" spielt inmitten der überwältigen Kulisse des Parc Iroise, einem Naturpark vor der äußersten Westküste der Bretagne.
Und wie immer bricht das Grauen recht prosaisch in das Idyll ein: In einem Haufen stinkender Fischabfälle wird die Leiche der Küstenfischerin Céline Kerkrom gefunden. Kurz darauf taucht eine zweite Leiche auf, eine Delfinforscherin, und vieles deutet darauf hin, dass die beiden Morde in Verbindung stehen mit dem Konflikt zwischen Fischern und Naturschützern, der im Parc Iroise ausgetragen wird.
Es geht um Fangquoten, Fangbeschränkungen und die unerlaubte Praxis des Highgrading, bei dem bereits gefangener Fisch tot zurück ins Meer geworfen wird, um Platz für neuen, wirtschaftlich attraktiveren Fang zu schaffen.

Ferienstimmungen aus dem "Paradies" Bretagne

Damit beginnt dieser Krimi –aber natürlich bekommt man in "Bretonische Flut" in erster Linie genau das, was man in den vier vorherigen Dupin-Romanen auch bekommen hat: "Ferienstimmungen" aus dem "Paradies" Bretagne, mit "betörendem Licht" und einem "postkartenblauen" Meer, Impressionen aus der bretonischen Küche ("Ormeaux waren Dupins Lieblingsmuscheln") – und die unausweichlichen Exkurse von Dupins Kollegen Riwal zum Sagenschatz der Region, mit versunkenen Königreichen, Druiden und Hexen.
Das ist das Erfolgsgeheimnis der Bannalec-Krimis: Es sind im Grunde genommen amüsant geschriebene Reiseführer mit Handlung.
Dazu kommen die Gerüchte um die Autorschaft: Jean-Luc Bannalec ist bekanntlich das Pseudonym eines deutschsprachigen Schriftstellers, und seit Jahren hält sich hartnäckig das Gerücht, dass es sich dabei um Jörg Bong handelt, den verlegerischen Geschäftsführer des Fischer-Verlags. Er selbst hat bisher nicht dementiert, und für den Verlag Kiepenheuer & Witsch ist dieses Gerücht natürlich Gold wert.

Bald kommt das bretonische Kochbuch

Dem durchschnittlichen Krimi-Leser mag es egal sein, wer hinter Jean-Luc Bannalec steckt, für die Profi-Leser in Literaturredaktionen hat die Sache jedoch Unterhaltungswert – mit dem Ergebnis, dass die verhältnismäßig harmlosen Bretagne-Krimis immer mal wieder im Feuilleton erwähnt werden.
Und Ormeaux-Perlmuttmuscheln "mit festem weißen Fleisch, das man wie ein Entrecôte scharf anbriet, in gesalzener Butter", schmecken ja vermutlich auch den Liebhabern gehobener Literatur.
Im Herbst erscheint dann endlich das "Bretonische Kochbuch" mit "Kommissar Dupins Lieblingsgerichten". Und das wird ganz bestimmt ebenfalls: ein Bestseller.

Jean-Luc Bannalec: "Bretonische Flut. Kommissar Dupins fünfter Fall"
Kiepenheuer & Witsch. Köln 2016
448 Seiten, 14,99 EUR

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