Japans Fotografie der 68er

„Die Bombe des Untergrunds“

Eine Besucherin schaut sich Köln Fotos des renommierten japanischen Fotografen Daido Moriyama an.
Provokant und unscharf: Fotograf Moriyama zeigt Japans Großstadt-Alltag. © Federico Gambarini dpa
Lena Fritsch im Gespräch mit Timo Grampes · 06.02.2018
Gegen Krieg, Konsum und Kapitalismus. Auch ästhetisch stellten die Fotografen der japanischen Zeitschrift „Provoke“ 1968 alles auf den Kopf, was bis dahin galt. Nur ihre Motive waren den Revoluzzern dabei reichlich egal.
"Die Bombe des Untergrunds" nannte der bekannte japanische Fotograf Nobuyoshi Araki die Zeitschrift "Provoke". Mit ihrer zornigen Bildsprache stellten die "Provoke"-Fotografen in nur drei Ausgaben in den Jahren 1967/68 wirklich alles auf den Kopf, was bis dahin galt. "Das ist eine sehr dynamische, experimentierfreudige Ästhetik", erklärt Lena Fritsch, Kuratorin am Ashmolean Museum in Oxford und Expertin für japanische Fotografie. "Die Fotografien sind sehr verschwommen, grobkörnig, dunkel."
Dabei seien die Motive häufig gar nicht wichtig, fügt Fritsch hinzu. "Moriyama Daido – einem der wichtigsten ‚Provoke‘-Fotografen – ist es völlig egal, ob er nächtliche Szene in Tokio fotografiert oder Demonstrationen oder ob es ein Fernsehbildschirm ist oder eine Fotografie, die schon jemand anders aufgenommen hat. Diese Herangehensweise zeigt sehr schön, wie man sich davon (vom fotojournalistischen und fotorealistschen Ansatz, der in der Fünfziger Jahren angesagt war,) lösen wollte. Wie man eine neue fotografische Sprache schaffen wollte."
"Labyrinth + Monochrome": Fotografien von Daido Moriyama bei den 44. Rencontres d'Arles.
"Labyrinth + Monochrome": Fotografien von Daido Moriyama bei den 44. Rencontres d'Arles.© EPA/SEBASTIEN NOGIER
Anders als ihre Vorgänger seien die "Provoke"-Fotografen auch nicht mehr so kritisch mit den USA. Moriyama Daido etwa sei großer Fan von Andy Warhol und William Klein, dem Fotografen. Er zeige auch ganz neutral amerikanische Produkte wie Cola-Flaschen.
Japan habe bereits vor dem Zweiten Weltkrieg eine große Fotografieszene gehabt, erklärt Fritsch. "Und die wurde nachdem Krieg immer größer. Das wurde getragen von der Fotoindustrie. Es gab sehr viele Amateurfotografen, Fotomagazine, Fotovereine und auch viele Fotogalerien. Anfang der sechziger Jahre hat Japan Deutschland in der Fotoindustrie eingeholt und wurde weltweit zum größten Produzenten von Kameras und Fotofilmen."
epa03470685 A visitor stands in front of photographs by Japanese photographer Daido Moriyama during Paris Photo Fair at the Grand Palais in Paris, France, 14 November 2012. Paris Photo fair runs form 15 to 18 November 2012. EPA/CHRISTOPHE KARABA |
Paris Photo fair at the Grand Palais© EPA
Wie oft in der Kunstgeschichte hätten Zeitgenossen die Arbeiten der "Provoke"-Leute jedoch zunächst nicht verstanden. Erst in den achtziger Jahren habe man langsam erkannt, wie unheimlich wichtig die Bewegung für die japanische Fotografie war, sagt Fritsch.

In der Münchner Pinakothek der Moderne ist bis zum 4. März 2018 eine Einzelschau des Fotografen Nobuyoshi Araki zu sehen.

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