James Taylor: "American Standard"

Popklassiker in minimalistischem Gewand

06:24 Minuten
US-Sänger James Taylor
Der amerikanische Sänger James Taylor bei einem Konzert. © dpa / picture alliance / Kay Nietfeld
Von Harald Mönkedieck · 02.03.2020
Audio herunterladen
US-Songwriter-Legende James Taylor interpretiert auf seinem 19. Studioalbum die Songs des "American Songbook". Im Zentrum stehen dabei seine Stimme und akustische Gitarren. Die Aufnahmen waren dem Sänger ein persönliches Herzensprojekt.
Der älteste Song kommt gleich zu Beginn. "My Blue Heaven" trägt ein Copyright von 1924 und verweist auf eine Zeit vor den Musicals, deren Melodien in der Kindheit von James Taylor durch das Elternhaus schallten, genau wie linksliberaler Folk von Pete Seeger und den Weavers.
Mit "American Standard" setzt sich Taylor jetzt auf eigene Art mit alten Kapiteln des "American Songbook" auseinander. Mit Akustikgitarren und mit seiner Stimme im Zentrum des Geschehens. Die reduzierten Arrangements entstanden gemeinsam mit dem Jazzgitarristen John Pizzarelli. Klavier-, Streicher-, oder gar Big-Band-Klänge kommen überhaupt nicht vor, erklärt James Taylor:
"Als wir die Demos gemacht hatten, gefiel mir der Sound der beiden Gitarren sehr gut. Ich erkannte, dass das mit einem zusätzlichen Tasteninstrument oder mit einer Orchestrierung verloren gehen würde. Also entschieden wir uns früh dafür, die Gitarren als zentral zu betrachten und sie als Kern der Arrangements zu beschützen."
James Taylor ist ein Perfektionist. Seine Auseinandersetzung mit den Songs von Richard Rodgers, Jerome Kern und anderen ist geprägt von einer gewissen Dringlichkeit. Im März 2018 feierte Taylor seinen siebzigsten Geburtstag. Nach der Überwindung einer langen Drogenabhängigkeit mit Mitte dreißig ist Fitness für ihn essentiell geworden. Jedes Jahr geht Taylor auf Tour. Die Begegnung mit seinem Publikum revitalisiert ihn, wie er sagt, doch die Zeit wird knapper und sie wird wertvoller:
"Wenn man in seinen Siebzigern ist, dann fragt man sich: Wie lange kann ich das noch weiter machen? Wie lange kann ich in den Tourbus steigen, vor ein Publikum treten? Wie lange werde ich meine Fertigkeiten und meine Stimme noch haben? Ich wollte jedenfalls zu diesen Songs kommen, so lange ich es noch kann. Ich wollte sie mit meinem musikalischen Vokabular zum Ausdruck bringen, mit meiner Stimme, und mit eigenen Entscheidungen."

Die Sixties im Rückblick

"American Standard" ist dabei mehr als die Feier eines goldenen Popzeitalters der Melodie. Auf persönlicher Ebene ist es eine späte Versöhnung mit einer problematischen Familiengeschichte. Die Psyche des jungen James zerbrach an den hohen Erwartungen. "Break Shot" heißen in den USA parallel zum Album erscheinende Hörbuch-Memoiren über die frühen Jahre Taylors.
Mehr als nur einmal klingen auf dem Album Subtexte der Songs an und geben Hinweise auf gesellschaftliche Befindlichkeiten ihrer Zeit. Vor fünfzig Jahren wurde James Taylor mit dem Album "Sweet Baby James" und mit "Fire And Rain" zum Star. Wie sieht er das Ende der Sixties im Rückblick?
"Die Sixties waren eine wirklich bedeutsame Zeit für meine Generation, die in dieser Zeit erwachsen wurde, sich erhob und sagte: 'OK, wir verändern die Welt. Die Welt wird so werden, wie wir sie sehen. Wir werden unser Zusammenleben und den Umgang miteinander verändern.' Im Rückblick betrachten wir das als Phänomen, aber als es passierte, war es einfach ein zeitliches Kontinuum. Mir war damals nicht klar, wie wichtig das für uns wirklich war", sagt der Musiker heute.
Sie ist also noch nicht zu Ende, die Karriere dieses ikonischen Songwriters aus Amerika. James Taylor macht sich viele Gedanken über das, was war, was noch kommen könnte. Dankbarkeit und Nachdenklichkeit gehen dabei Hand in Hand:
"Wir wussten damals nicht, was die Auswirkungen von Drogen waren. Und wir hatten dann Erwartungen: Was bedeutet mein Erfolg? Was bekomme ich dafür? Auf jeden Fall viel Arbeit. Die Erwartungen an das Leben waren plötzlich sehr hoch. Darüber hätte ich John Lennon gern befragt."

Die Trump-Ära als Zusammenbruch

James Taylor wurde zu einer staatstragenden Stimme der Ära Obama. Er spielte so oft im Weißen Haus wie sonst niemand zu dieser Zeit. Wie sieht er die Gegenwart der USA?
"Ich hatte eine schwere Zeit in den Reagan-Jahren, auch während der Cheney-Bush-Regierung. Das war sehr hart. Aber das jetzt ist etwas ganz anderes. Ich denke, das, was gerade in den USA politisch passiert, hat keine Beziehung zu etwas, das wir schon kennen. Es ist wie ein Zusammenbruch", erzählt Taylor.
Doch James Taylor bleibt auch ein Tröster. Großzügigkeit und Zugewandtheit sind geblieben, genauso so wie die Leidenschaft für sein Metier. Auch auf der Zielgeraden einer langen Karriere:
"Die Musik verbindet sich mit einem – oder sie tut es nicht. Man ändert das nicht durch Überlegung oder Vernunft. Man analysiert Musik nicht vorher und trifft dann eine Entscheidung oder ein Urteil über ihren Wert. Man hört zu und ist bewegt oder eben nicht."

James Taylor: American Standard
Fantasy Records

Mehr zum Thema