Jagd

Mit Gewehr und Halskette

Die Jägerin Andrea Wernick zielt am 27.08.2014 bei Fellbach (Baden-Württemberg) mit einem Jagdgewehr.
Eine Jägerin bei Fellbach in Baden-Württemberg © picture-alliance / dpa / Sebastian Kahnert
Von Petra Marchewka · 10.10.2014
Jagen ist nur was für Männer - Irrtum! Tatsächlich werden vor allem immer mehr junge Frauen zu leidenschaftlichen Jägerinnen. Was treibt sie auf den Hochsitz? Ums Fleisch allein geht es ihnen nicht.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Dieser Tag wird für eine ganze Reihe Rehe und Wildschweine leider kein gutes Ende nehmen. Es ist noch früh am Morgen. Die Frau mit dem kecken Jägerhütchen macht es sich auf dem dreieckigen Hochstand so bequem wie möglich. Ein Sitz aus Brettern, gepolstert mit einem Nadelfilzkissen: Hier wird Talke Ruthenberg für die nächsten Stunden still und regungslos verharren.
Die Jägerin hat kurz geschnittenes, grau-meliertes Haar, trägt eine rote, modische Brille und eine dicke Jacke, grün-orange gemustert. Die ist nicht schön, aber gut zu sehen und deshalb sicher. Seit 45 Jahren besitzt Talke Ruthenberg nun schon den Jagdschein, inspiriert von ihrem Vater. Der Respekt, den Niedersachsens erste Kreisjägermeisterin mittlerweile genießt, sei hart erkämpft, sagt sie. Talke Ruthenberg macht die Repetierbüchse startklar.
"Also ich hab hier den Kammerstängel, den zieh ich einfach zurück und dann wieder vor und dann lädt er die Patrone, die hier unten im Magazin ist, automatisch in den Lauf. Und dann hab ich ein Zielfernrohr drauf, das ist ein sogenanntes variables Glas, das hat unterschiedliche Vergrößerungen, wenn ich das jetzt drehe, dieses Rädchen, dann kann ich das hochstellen bis auf zwölffache Vergrößerung."
Kühltruhe füllen, Wildbestand verkleinern
Eine Waffennärrin sei sie in all den Jahren nie gewesen, im Gegensatz zu den meisten ihrer männlichen Kollegen. Ihr reiche es, sagt die 63-Jährige, wenn das Gewehr gut funktioniert und zu ihrem Körper passt. Das Jagdrevier bei Rastede im Ammerland gehört Klaus Ruthenberg, ihrem Mann, ebenfalls Jäger. Das Ammerland, tiefste niedersächsische Provinz hinter Oldenburg, ist weit und grün und voller Hofgüter, Baumschulen und Gärtnereien. Auch Talke Ruthenberg hat gemeinsam mit ihrem Mann so einen Gartenbau-Betrieb bewirtschaftet, bis die Firma schließlich verkauft wurde. Heute nimmt die Jägerei einen zentralen Platz ein im Leben des Ehepaars. Die heutige Drückjagd soll helfen, die Kühltruhe zu füllen und den Wildbestand im Revier zu dezimieren.
"Wildschweine haben enorm zugenommen, durch diese sehr guten Äsungsverhältnisse, insbesondere auch durch den vermehrten Maisanbau sind die Frischlinge schon Ende des Jahres, zur Rauschzeit, also zur Paarungszeit schon so kräftig, dass die auch schon an der Rausche teilnehmen, was früher niemals der Fall war, und heute wird jeder Frischling, der über 30 Kilo wiegt, wird belegt. Also die Reproduktionsrate ist enorm hoch. Und von daher ist es auf jeden Fall auch richtig, in die Jugendklasse sehr stark einzugreifen."
Mit Talke Ruthenberg haben sich rund 30 weitere Jäger auf die umliegenden Hochsitze verteilt. Treiber werden das Gelände gleich mit langsamen Schritten durchkämmen, um Wild hochzuscheuchen und es den wartenden Jägern vor die Waffen zu schicken. Das alles, erklärt Talke Ruthenberg, soll absichtlich ruhig und gemächlich verlaufen, damit die Schützen das Wild nicht gehetzt und in vollem Lauf, sondern stehend oder langsam ziehend erwischen. Nur dann, sagt sie, habe man die Chance, schmerzfrei und schnell töten.
"Ich hab eben diese Verantwortung dem Tier gegenüber, dass ich ihm keine Schmerzen zufüge, nach Möglichkeit, das gelingt nicht immer, das ist keine Frage, niemand ist perfekt, aber man sollte das Risiko in jedem Fall so weit minimieren, wie man kann. Ich hab auch Verantwortung der Natur gegenüber, ganz zweifellos, und der Öffentlichkeit gegenüber sowieso. Ich muss ja immer mein Tun auch rechtfertigen können."
Es ist neun Uhr, die Drückjagd beginnt.Talke Ruthenberg wirkt angespannt, blickt sich erwartungsvoll um. Der kleine Jagdterrier Lotte untersucht bereits aufgeregt das Gelände rund um den Hochsitz.
"Wenn die Lotte gleich jagt und eine Fährte findet oder sie macht Wild hoch, dann müssen Sie sich nicht erschrecken, die Lotte schreit so, als würde ihr bei lebendigem Leib der Mantel ausgezogen. Also wer das nicht kennt, der denkt, dass dieser Hund ganz fürchterlich gequält wird. Das ist aber eben die Jagdpassion, dieser Eifer, der da drin ist. Und ist so typisch für Terrier."
Die Jägerin sitzt gespannt da und wartet. Mehr ist im Moment für sie nicht zu tun.
Junge Frauen begeistern sich fürs "grüne Abitur"
"Wir sprechen jetzt einmal über den Waschbären, der zu den Kleinbären gehört und zu den Neubürgern gezählt wird...."
Der Jagdschein heißt in Jägerkreisen "das grüne Abitur", so umfangreich ist das Lernpensum. Besonders in der Altersgruppe der 16- bis 30-jährigen Mädchen und Frauen finden sich immer mehr Begeisterte, die das Büffeln nicht abschreckt, hat die Landesjägerschaft Niedersachsen festgestellt. In deren Mitgliederstatistik liegt der Anteil der Jägerinnen mittlerweile bei knapp 16 Prozent, mit steigender Tendenz. Im Keller seines Einfamilienhauses in Winsen an der Luhe unterrichtet Hegeringleiter und Kreisschießobmann Rudolf Klippel jeden Montag, sieben Monate lang 16 künftige Waidmänner und -frauen. Die Wände dekorieren Rehbock-Gehörne in Reihe, an rustikalen Holztischen werden heute die großen Beutegreifer durchgenommen.
"Ist der genusstauglich, kann man den essen?“
"Du darfst den essen, wenn du willst..."
"Hat ihn schonmal jemand probiert?"
"Also ich noch nicht. Wenn du das machen wolltest müsstest du was machen?"
"Ganz genau, eine Trichinen-Schau...."
Jägern weht nicht selten ein scharfer Wind ins Gesicht. Umweltverbände wie der Nabu möchten, dass verstärkt ökologische und ethische Kriterien in die Jagdgesetzgebung aufgenommen werden. Die Tierrechtsorganisiation Peta will die Bau- und Fallenjagd verbieten. Da werden, so der Vorwurf, Füchse von Hunden aus unterirdischen Höhlen getrieben oder oberirdisch mit Schlagfallen qualvoll getötet. Manche kritisieren die Jagd ganz grundsätzlich und unterstellen auch denen, die ihr Metier verantwortungsvoll ausüben, blindwütige Mordlust. Frauen, genetisch vermeintlich fest gebucht aufs Hegen und Pflegen, ernten häufig blankes Entsetzen, wenn sie sich als Jägerinnen outen. Beim Kurs von Rudolf Klippel lernen sie deshalb auch das selbstbewusste Argumentieren.
"Es gibt ja diese Jagdgegner oder die Naturschützer, ich verstehe die, wenn die meinen, dass Tiere das Recht haben zu leben und Jäger sollten sie nicht töten, ich verstehe das, die müssen aber auch auf der anderen Seite verstehen: Das Leben geht nicht ohne die Jäger in Deutschland, weil die Tiere sich ja auch vermehren und der Lebensraum ist ja jetzt nicht unbegrenzt."
Selbstgeschossen schmeckt besser
Antonia Butenschön, mit 16 die jüngste Teilnehmerin hier, ist mit der Jagd aufgewachsen.
"Ich geh ja noch zur Schule – die Jungs in meiner Klasse, die finden das alle cool, manche Mädchen finden das jetzt nicht so cool, aber das liegt auch daran, dass viele Jugendliche in meinem Alter, die können sich darunter nichts vorstellen, und die haben auch keine Ahnung, was wirklich die Jagd beinhaltet, es ist ja nicht nur das Töten von Tieren, es beinhaltet ja auch die Hege und Pflege des Wildes und des Waldes, und wenn ich denen dann erkläre, dass wir die Jagd- und die Schonzeiten haben, dass wir nicht immer, wenn wir wollen, irgendwas schießen können, wenn ich denen das erkläre, dann haben die meistens Verständnis und finden das alle interessant."
Der 16-Jährigen gegenüber sitzt Melanie Beyer. Die 36-jährige Jagdscheinanwärterin war bis vor kurzem noch Vegetarierin.
"Ich habe aber eine Freundin, die eine eigene Jagd hat und die das sehr waidmännisch betreibt, also mit sehr viel Respekt der Natur und den Tieren gegenüber, und ich habe halt kein Fleisch gegessen, weil ich kann das einfach nicht leiden, dass die Tiere so leiden müssen. Und dann hat meine Freundin ein Rehgulasch mitgebracht (lacht), von einem Reh, das sie selber geschossen hat, und das ist wunderbares Fleisch, das hat bis zur letzten Sekunde in seiner natürlichen Umgebung gelebt und hat natürliche Sachen gegessen, und es war so lecker, und so bin ich eigentlich dazu gekommen. Ich hab gedacht: Das ist eine sehr ehrliche Art, Fleisch zu essen. Ich töte meine Tiere selber und weiß, es ist alles gut mit dem Fleisch und es schmeckt gut, ist superhochwertig, alles gut."
Noch immer treibt es deutlich mehr Männer zum Jagen in die Wälder. Doch die Zahl der Jägerinnen nimmt stetig zu: Bundesweit sind zehn Prozent der Jagdscheininhaber Frauen – vor 20 Jahren waren es nur ein Prozent. Rudolf Klippel freut das.
"Ich finde immer, es macht sich positiv bemerkbar, wenn Damen, Mädchen mit dabei sind, die lockern das Ganze auf der einen Seite ein bisschen auf und sie tragen eigentlich dazu bei, weil sie zielstrebig arbeiten, mit dem nötigen Ernst bei der Sache sind, man stellt fest, dass die Damen die geringsten Fehlzeiten haben, dass es also sehr ernst genommen wird, und auch die Ausbildung mit der Waffe, die Schießausbildung, wird sehr konsequent und sehr ernst vorgenommen, da musste ich mir keine Sorgen machen, dass sie durchfallen würden."
Am Anfang ist der Hund
"Okay, probieren wir mal. Sitz! Sitz! Bleib! Bleib!"
Für viele Frauen – 62 Prozent der Jungjägerinnen – ist der Hund der Auslöser für jagdliches Interesse. Die Frau mit den dunklen Locken hält einen Dummy aus Hasenfell in der Hand und geht mit ruhigen Schritten raus auf einen frisch gepflügten Acker. Die rehbraune Jagdhündin Mila sitzt wartend am Feldrand, lässt weder Frauchen noch Hasen-Attrappe, der in der Jägersprache "Apportel" heißt, aus den Augen.
"So. Dann schicke ich sie halt los und dann muss sie mir das Apportel direkt hinhalten und so lange festhalten, bis ich ihr das aus dem Fang nehme. Voran Apport!...Jetzt sucht sie halt.... Ja fein!!! Hier!...Ja fein, Aus! Fein!"
Dass die 46-Jährige nach einem anstrengenden Arbeitstag im Altenpflegemanagement abends Fellattrappen versteckt, hat sie ihrem Mann zu verdanken. Der hatte sich in die ungarische Jagdhundrasse Magyar Vizsla verliebt, die als anhänglich, treu und sensibel gilt. Katja Balfanz, zunächst skeptisch, stimmte der Anschaffung schließlich zu, ihrem Mann zu Liebe.
"Aber dann stellte sich raus, dass der Hund eher auf mich fixiert ist, ich mit ihr besser arbeiten kann oder sie mit mir besser arbeiten kann und ich konsequenter bin, ja, und so ist das dann gekommen, dass ich mit acht Monaten begonnen habe, eine Jagdgebrauchshundausbildung zu machen, und jetzt sind wir praktisch das zweite Jahr dabei, da das ein sehr sensibler Hund ist eben auch mit mehr Zeit verbunden."
Regelmäßig lernt Katja Balfanz zusammen mit Jägerinnen und Jägern, ihren Hund immer feiner auszubilden. Berührungsängste, zum Beispiel mit Kadavern, die zum Üben dienen, sind schnell verflogen.
"Es ist ein Traum, wenn man sieht, wie glücklich der Hund übers Feld oder über Gestrüpp springt, über Holz springt und sich freut und man sieht, mit was für einem Körpereinsatz der Hund das macht und hinterher ganz zufrieden dann am Kamin oder am Ofen liegt und sich rekelt und begeistert ist, dass er das machen darf so."
Auch Katja Balfanz überlegt nun, einen Schritt weiter zu gehen und den Jagdschein zu absolvieren.
"Ja, ich würde gerne einen Jagdschein machen, wenn man nicht schießen müsste."
Die Scheu vorm Abdrücken
Viele Jagdscheininhaberinnen haben noch nie abgedrückt. Talke Ruthenberg, die Jägerin aus dem Ammerland, hat eine solche Tötungshemmung nicht. Häufig verzichtet aber auch sie auf den entscheidenden Schuss.
"Man guckt durchs Fernglas und dann entdeckt man irgendwas, 'nen Hasen, den man dann beobachtet. Und dann hat man eigentlich keine anderen Gedanken, sondern dann erfreut man sich an dem Hasen und wenn dann hier die Ricke austritt, meinetwegen mit ihren beiden Kitzen, und die machen dann hier Flachrennen auf der Wiese, da kann man sich so dran erfreuen, und dann sind die Gedanken eben hier bei der Ricke und den Kitzen. Und gerade so zwei Kitze, die miteinander spielen, das ist eine Freude, das anzusehen, wie die dann wie die Rennpferde über die Wiese jagen, einer hinter dem anderen her und dann aufeinander zu und kurz voreinander stoppen und dann wieder auseinandergehen, also das ist ganz wunderbar. Das ist dann einfach so schön zu beobachten, dass ich auch gar keine Lust habe zum Schießen. Also da nehme ich die Waffe gar nicht in die Hand.“
Die Drückjagd ist inzwischen in vollem Gang. Immer wieder fallen Schüsse, Treiber durchkämmen das Gelände. Plötzlich hält Talke Ruthenberg den Atem an. Ganz langsam nähern sich dem Hochsitz von links zwei Rehe.
Das erste Tier tritt vorsichtig raus auf die Schneise.
"Bock! Darf ich nicht."
Gleich dahinter das zweite. Als beide zurück Richtung Dickicht springen, schreit die Jägerin...und die Rehe verharren verdutzt.
"Jetzt hab ich so laut gerufen eben, damit das Stück stehenbleibt. Ich bin ziemlich sicher, dass ich getroffen hab. Das erste Stück war ein Bock, der ist nicht frei, die haben Schonzeit, den musste ich durchlaufen lassen, und das zweite Stück war weiblich, das konnte ich schießen. Ich bin sicher, dass ich es getroffen hab."
Vorbildlicher Schuss
Gerötete Wangen, Atem rast, Hände zittern. Kaum ist der Schuss verhallt, ist der Wald wieder friedlich und ruhig. Selbst von einem toten Reh ist von hier oben nichts zu sehen.
"Dass die Tiere noch abspringen nach dem Schuss und nicht sofort liegen, ist völlig normal."
"Das Wild ist natürlich auch ein bisschen unter Druck. Angespannt. Genau wie ich auch. Und wenn es angespannt ist, hohen Adrenalinausstoß hat, dann flüchten sie auch eben nach dem Schuss noch. Und dann können sie durchaus noch 50, 80 Meter flüchten, je nach dem, wo der Schuss ist, sind eigentlich längst tot, aber haben das noch nicht gemerkt richtig. Um elf Uhr gucke ich hier vorne, wo ich geschossen habe, ob dort irgendwelche Anzeichen zu sehen sind, also Schweiß, sprich: Blut, wir Jäger nennen das ja Schweiß oder ob ich da Schnitthaar finde, also aus der Decke Haare, und dann kann man oft schon ganz genau sehen, wo der Schuss auch ist, man kann sehr gut Lungenschweiß von Leberschweiß zum Beispiel unterscheiden. Lungenschweiß ist ganz hell, ein bisschen blasig, Leberschweiß ist dunkel, und dann weiß man meistens schon, wo der Schuss sitzt und kann dann auch schon sehr gut einordnen, ob das Stück dann nach kurzer Zeit liegen wird, bei einem Lungenschuss gehen die nicht mehr weit."
Als die Jagd zu Ende ist, steigt die Jägerin von ihrem Hochsitz und macht sich auf die Suche nach der Beute. Nach einigen Metern entdeckt sie an einem Baumstamm hellrotes, blasiges Blut und etwas Fell.
"Lungenschweiß. Hellroter Schweiß, Lunge, Schnitthaar, sehen Sie? Das Stück ist nicht weit gelaufen…Da liegt's ja! Ja!"
Das Reh auf dem Waldboden hat die Augen halb geschlossen, das Fell um das Maul herum, das bei den Jägern "Äser" heißt, ist leuchtend rot gefärbt.
"Also der Schuss ist genau da, wo er hin soll, auf der zehn. Genau hinterm Blatt, hinterm Schulterblatt. Da ist der Einschuss, und da können Sie auch sehen, der Einschuss ist kreisrund, so wie die Kugel, und auf der anderen Seite, die Kugel hat sich zerlegt, der Ausschuss ist größer. Gut. Dann zieh ich's mal zum Weg."
Talke Ruthenberg bindet einen Gurt um die schlanken Vorderläufe des Rehs, legt sich den Gurt um die Schulter und zieht das tote Tier durch Äste und Gestrüpp hinter sich her, bis zum Parkplatz am Waldrand.
"Meine komplette Familie, wir sind alle Fleischjäger..."
Historisch betrachtet sind Jägerinnnen nichts Besonderes
Jägerin Katrin Burkhardt schüttet Eicheln aus einer Kiste in den Matsch des Wildgeheges, bei dem sie ehrenamtlich nach dem Rechten sieht. Augenblicklich stürzt sich eine Rotte Wildschweine auf die beliebten Leckerbissen.
"Es gibt sicherlich auch Jäger, die Wert auf Trophäen legen, ein schönes Hirschgeweih oder ein schönes Bockgehörn, aber das sind wir nicht, für uns spielen Trophäen schlicht keine Rolle, und für uns ist das Lebensmittel Wildbret ganz, ganz wichtig."
Viele Frauen gehen jagen, weil sie nach den diversen Fleischskandalen etwas "Vernünftiges" auf den Tisch bringen wollen, tauschen sich in Internetforen aus, posten Wildrezepte, organisieren Treffen.
"Wenn Menschen Fleisch essen möchten, müssen Tiere dafür sterben. Jeder, der Vorbehalte der Jagd gegenüber hat und selber Fleisch isst, der muss sich eigentlich darüber im Klaren sein, dass auch dafür, für alles, was wir im Supermarkt kaufen können, sind Tiere gestorben."
Katrin Burkhardt, Tochter eines Bundesförsters, hat ein Buch über Jägerinnen geschrieben. Die sind, erzählt sie, historisch betrachtet überhaupt nichts Besonderes.
"Wenn man zum Beispiel ans Mittelalter denkt, wo es noch diese Schaujagden zum Beispiel gab, wo Wild in einem Areal zusammengetrieben wurde, teilweise maskiert oder angemalt, und wo dann die fürstlichen Frauen oder die Adelsdamen dann hinter einem Schirm standen und fröhlich mitgeschossen haben. Das gab's über lange Jahrhunderte. Die Jagd war ja ein Privileg des Adels und da haben die Frauen genauso mitgemacht. Die waren auch ganz viel als Falknerinnen tätig, haben mit Greifvögeln gejagt, das gehörte einfach dazu. Und ganz früher... Ich meine, die bekannteste Jagdgöttin ist Diana. Oder Artemis, genau das Gleiche, und es wird auch berichtet, dass das nicht nur Göttinnen waren, die verehrt wurden, sondern dass davon ausgegangen wird, dass die auch selber gejagt haben, die werden auch ganz häufig mit Pfeil und Bogen dargestellt. Also es ist gar nicht so, dass Frauen nie mitgejagt haben. Es gibt heute auch noch Völker auf der Erde, wo das Jagen, die Nahrungsbeschaffung, Frauensache ist."
Vor zehn Jahren, als Katrin Burkhardt mit dem Jagen angefangen hat, gab es für Frauen kaum passende Garderobe zu kaufen. Auch das hat sich geändert: In Zeiten, in denen das Geschäft mit dem Landleben boomt, lässt die Industrie auch die ökonomische Nische der jagenden Frauen nicht unausgeschöpft.
"Diese Jacke ist jetzt ausgestattet mit vielen großen Taschen. Hier kann man zum Beispiel Munition unterbringen."
Frauen jagen mit Herz und Seele
Sigrid Hoop, eine nette Dame in weißer Bluse, leitet bei Waffen-Schrum in Tellingstedt im benachbarten Bundesland Schleswig-Holstein die Bekleidungsabteilung. Sie weiß, was sich Jägerinnen wünschen: Atmungsaktiv sollen Jacken und Hosen sein, wind- und wasserdicht, mit vielen Taschen für Messer, Munition und den Jagdschein, robust und trotzdem schick tailliert geschnitten. Wer was auf sich hält, stattet sich zudem mit Blazer in Loden, festlichem Dirndl, karierter Jagdbluse und waldgrünem Seidentuch aus. Selbst Schmuck gibt’s für die Jägerin.
"Das ist so ein kleines Collier mit einem Holzherz und dann ist da so ein kleines Motiv mit einem Hirsch dadrauf, mit kleinen Strasssteinchen, zu einem schlichten Shirt, einem Blazer...."
Kirsten Schrum, die Inhaberin, trägt solchen Schnick-Schnack selber nicht. Die große blonde Frau mit Weste und kariertem Hemd hat mit 18 Jahren ihren Jagdschein gemacht. Da war das Thema Outfit noch vollkommen unterrepräsentiert, sagt die Fachfrau.
"Es gab damals A nicht so viele Jägerinnen und B vor 25 Jahren waren auch viele Kundinnen, die Jägerinnen sind, nicht unbedingt in der Lage, sich diese hochpreisigen Produkte zu kaufen. In dieser Gesellschaft ist das Geld zwischen Männern und Frauen ja noch ein bisschen unterschiedlich verteilt, und es ist einfach auch ein Aspekt, dem natürlich der Hersteller Rechnung tragen musste. Inzwischen hat sich das ein bisschen verändert. Heute haben wir einfach sehr viele Selbstständige, Ärztinnen, Anwältinnen, Steuerberaterinnen, Apothekerinnen..."
Die 45-Jährige beobachtet bei ihren weiblichen Kunden Ehrgeiz und Entschlossenheit: Wenn Frauen jagen, dann richtig.
"Die rüsten sich dann ganz toll aus, die kaufen sich wirklich tolle Waffen, die trainieren regelmäßig ihre Schießleistung, die beschäftigen sich auch intellektuell mit dem Thema, die lesen die Bücher, die Foren, also wenn eine Frau diesen Weg einschlägt, ist meine Erfahrung, dann macht sie das häufig auch mit Herz und Seele."
Die Beute aufbereiten
"Das Rückenfleisch ist ja das feinste Fleisch...Das muss ich jetzt mal absägen, weil ich hier durch die Wirbelsäule muss..."
Das Reh – oder das, was davon übrig ist – hängt am Haken, Hufe Richtung Decke, das Fleisch ungeschützt rosa und nackt. Fell und Kopf stecken in einem weißen Plastikeimer. Nur zwei Ohren schauen oben über den Rand, so als wollte das Reh sein eigenes Zerlegen belauschen.
"Und dann trenne ich hier den Rücken von den Keulen, hier unten, das ist das Filet, da muss ich jetzt am Hüftknochen entlang schärfen."
Talke Ruthenberg, die das Reh noch im Wald aufgebrochen – ihm also die Eingeweide entnommen – hatte, sägt und schneidet das Tier beherzt in küchenfertige Teile, im hygienisch weiß gefliesten Zerwirkraum mit Kühlkammer.
"So, das breche ich jetzt ab, und dann habe ich den Rücken, das ist das Beste."
Am Haken hängen jetzt nur noch die beiden Hinterbeine des Rehs. Talke Ruthenberg greift wieder zur Säge.
"Da muss ich mal eben den Hüftknochen durchsägen…und dann kann ich aus der Keule entweder einen ganzen Braten machen oder, was ich auch sehr gerne mache, dass ich Steaks davon schneide, weil es ja auch sehr hochwertiges Fleisch ist. Also am liebsten als Steak."
Auch nach 43 Jahren noch Jagdfieber
Pia, der schwarze Nachbarhund, lungert wie zufällig vor der Tür herum und bietet sich dienstvoll als Resteverwerter an. Aber alles, was übrig bleibt, bekommt Lotte, der Jagdterrier.
"Also ich bin ja auf dem Bauernhof groß geworden und da wird geschlachtet, da wird Wurst gemacht, damit wird man groß. Für mich ist das völlig normal, also beim Hühnerschlachten waren wir dabei, wir haben Schweine geschlachtet, und das gehört für uns zum täglichen Leben. Dieses Thema ist, glaube ich, vielen Städtern doch sehr fern. Und auch sehr abstrakt."
Talke Ruthenberg geht rüber ins Wohnhaus. Lotte begrüßt sie begeistert. Die kleine Hündin sei ihr Gefährte, betont Talke Ruthenberg, und im Grunde, meint sie, begegnen sich Mensch und Hund hier in ein- und derselben Passion.
"Auch nach 43 Jahren habe ich immer noch Jagdfieber. Ich denke, das sind auch noch so Gene, die bei vielen Menschen noch so erhalten sind, wir hatten ja früher alle Jagdpassion, ohne konnten wir ja gar nicht überleben, bei vielen Menschen ist diese Jagdpassion eben noch da und bei vielen nicht mehr, und ich denke, bei mir ist die noch erhalten geblieben."
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