Italiens Finanzpolizei gegen Steuerhinterziehung

Wer hat Angst vor dem grauen Mann?

Finanzpolizist steht vor einem Einsatzauto und telefoniert.
Finanzpolizist steht vor einem Einsatzauto und telefoniert. © Imago / JOKER
Von Tillmann Kleinjung · 14.04.2015
Die italienische Finanzpolizei in ihren grauen Uniformen ist gefürchtet. Die Methoden, mit denen die Finanzpolizei im Kampf gegen Steuerhinterziehung und Betrug den elektronischen Zahlungsverkehr kontrollieren will, werden immer raffinierter.
Wenn die Finanzpolizei zur Razzia ausrückt, dann hat sie immer auch ein Kamerateam dabei. Denn die Abschreckung ist eine der schärfsten Waffen der grau uniformierten Polizeieinheit. Deshalb wurde auch gefilmt und später gesendet, wie in Crotone in Kalabrien vor wenigen Tagen zwei vermeintlich blinde Menschen festgenommen wurden. Vorwurf: Sozialbetrug. Die zwei führten ein ganz normales Leben, arbeiteten, fuhren Auto und kassierten dennoch eine Invalidenrente als Sehbehinderte.
Noch spektakulärer inszenierte die Guardia di Finanza vor drei Jahren ihren Kampf gegen die Steuerhinterziehung. Da wurden im Wintersportort Cortina d'Ampezzo ausschließlich Besitzer teurer Luxuslimousinen kontrolliert. Warum, erklärt Gianluca Campana vom zentralen Kommando der Finanzpolizei in Rom.
Gianluca Campana: "Beim Besitzer einer Yacht oder einer Luxuslimousine kann ich leicht die Bankdaten überprüfen und all das dann mit dem in der Steuererklärung angegeben Einkommen vergleichen. Und falls das nicht deckungsgleich ist, können wir die Differenz einfordern."
Die Differenz zwischen einem luxuriösen Lebensstil und dem beim Finanzamt deklarierten Einkommen. Nicht immer ist das so leicht wie bei offen zur Schau gestelltem Reichtum. Deshalb setzt Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi weniger auf Razzien und Durchsuchungen, als vielmehr auf Computertechnologie. Stichwort: Datenabgleich. Die Finanzpolizei hat einen Superrechner im Keller, der nichts anderes tut, als den lieben langen Tag Daten zu vergleichen.
"Man registriert alle Ausgaben eines Steuerpflichtigen, zum Beispiel teure Reisen. Das ist möglich, weil mittlerweile alle Unternehmen, Einkäufe über 3600 Euro elektronisch ans Finanzamt melden müssen. Durch diesen Abgleich der laufenden Ausgaben ist es möglich besonders auffällige Abweichungen festzustellen."
91 Milliarden Euro werden jährlich hinterzogen
Die italienische Regierung schätzt, dass ihr im Jahr etwa 91 Milliarden Euro durch Steuerhinterziehung verloren gehen. Das sind gut sechs Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Bei den Angestellten kann der Staat wie in Deutschland die Lohnsteuer direkt vom Gehalt abziehen, da gibt es kein Entrinnen. Schwieriger ist das bei den zahlreichen Klein- und Kleinstunternehmen, die immer noch Italiens Wirtschaft dominieren.
Marco betreibt eine Bar im Zentrum von Rom. Sein Hauptgeschäft macht er mit Kaffee, die Tasse kostet 90 Cent. Für jeden verkauften Espresso, muss Marco über die Registrierkasse einen Kassenbon, einen "Scontrino" ausstellen. Nur so lässt sich nachweisen, dass tatsächlich auch die erforderliche Mehrwertsteuer entrichtet wird.
Marco: "Es gibt Stichproben. Wenn es der Zufall will, wenn draußen ein Finanzbeamter steht und jemand ohne Kassenbon hier rauskommt, wird der Kunde angehalten, und wir bekommen dann eine Geldstrafe und die Ankündigung einer erneuten Überprüfung."
Ab 2017 werden alle Registrierkassen digitalisiert
Bei Transaktionen ohne Kassenbon wird eine Strafe von mindestens 516 Euro fällig, wer dabei viermal innerhalb von fünf Jahren erwischt wird, muss mit der vorübergehenden Schließung seines Geschäfts rechnen. Da sind die Finanzpolizisten unerbittlich. Neulich haben sie sogar einen Verkäufer bestraft, der einem Obdachlosen ein Wurstbrot schenkte, ohne Scontrino. Ministerpräsident Renzi entschuldigte sich bei dem wohltätigen Verkäufer höchstpersönlich für den Lapsus und die Guardia di Finanza bestätigte mal wieder ihren Ruf, besonders gnadenlos zu sein. Die meisten Bürger haben dafür Verständnis, glaubt Tenente Collonello Gianluca Campana:
"Durch die Krise haben doch nahezu alle verstanden, dass der Steuerhinterzieher das Geld aus unseren Taschen zieht. Er schadet nicht nur der Wirtschaft, sondern vor allem den ehrlichen Steuerzahlern."
Die Regierung will den Finanzpolizisten die Arbeit erleichtern. Der Kassenbon auf Papier soll abgeschafft werden und ab 2017 werden alle Registrierkassen digitalisiert. Schon heute sind alle Gewerbetreibenden, die Leistungen über 30 Euro berechnen, verpflichtet, ein Kartenlesegerät zu besitzen. Also auch Handwerker, Praxen, Kanzleien. Im bargeldlosen Zahlungsverkehr liegt der Schlüssel zur Steuerehrlichkeit, so die Hoffnung. Denn auf die Konten der Italiener hat die Finanzpolizei nahezu uneingeschränkten Zugriff.
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