Italien vor dem Referendum

Renzi gegen die "Schönheit des Nein"

Renzi steht an einem Mikrofon vor einem grünen Plakat mit einer riesigen "Si"-Aufschrift und deutet mit dem Finger nach oben.
Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi wirbt am 2.12.2016 in Florenz auf der Abschlusskundgebung seiner "Si"-Kampagne für die geplante Verfassungsreform. © DPA / ANSA / PALAZZO CHIGI PRESS OFFICE
Von Jan-Christoph Kitzler · 03.12.2016
Der Ausgang der Volksabstimmung zur Verfassungsreform in Italien ist völlig offen. Von der Schönheit des "Nein" sprach Beppe Grillo von der Fünf-Sterne-Bewegung und heizte damit tausende Anhänger an. "Antipolitik" nannte Premierminister Matteo Renzi solche Strategien der Opposition.
Am letzten Abend in diesem harten Wahlkampf, bei den Abschlusskundgebungen, haben beide Seiten noch mal alles gegeben. In Turin stimmte Beppe Grillo, der Anführer der Fünf-Sterne-Bewegung den Blues des NEIN an…
… und er sprach von der Schönheit des NEIN. Mit der konkreten Reform, die zur Abstimmung steht, hatte das nur noch wenig zu tun.
"Ich wiederhole, dass es ein Zepter des NEIN ist. Das NEIN ist eine neue Form von reiner Politik. Das NEIN ist der höchste Ausdruck. Das NEIN musst Du in Dir suchen, nicht nur auf dem Wahlschein. Das NEIN, wenn sie Dir einen Karrieresprung oder Geld vorschlagen, das Du nicht verdienst. Dieses NEIN müssen wir in uns suchen."
Beppe Grillo, der Anführer der "5-Sterne"-Bewegung, wirbt am 2. Dezember 2016 in Turin für ein "Nein" beim Referendum über eine Verfassungsreform in Italien.
Beppe Grillo, der Anführer der "5-Sterne"-Bewegung, wirbt am 2. Dezember 2016 in Turin für ein "Nein" beim Referendum über eine Verfassungsreform in Italien.© dpa / picture alliance / ANSA / Alessandro Di Marco
Tausende Anhänger waren gekommen. Sie wurden auch von Luigi Di Maio angeheizt, der als ein möglicher Spitzenkandidat der Fünf-Sterne-Bewegung bei den nächsten Wahlen gilt:
"Das nennt sich nicht Reform. Das ist die Angst vor dem italienischen Volk, wenn es zur Wahl geht. Mit dieser Angst machen sie Reformen. Ihre Angst vor Euch, wenn ihr zur Wahl geht, vor der Möglichkeit, dass ihr sie nach Hause schicken wollt. Diese Angst regt sie zu diesen Gesetzen an. Wir machen einen Rückschritt."

Kritiker befürchten Abbau an Demokratie

Fast 51 Millionen Italiener müssen morgen über die größte Verfassungsreform der Nachkriegsgeschichte abstimmen. 46 Artikel von 139 sollen umgeschrieben werden. Kern ist die Entmachtung der zweiten Kammer, des Senats. Er soll verkleinert werden und nur noch bei wenigen Entscheidungen Mitspracherecht haben.
Das soll Reformen erleichtern, das wird künftige Regierungen stärken und Entscheidungen beschleunigen.
Wo Kritiker einen Abbau an Demokratie befürchten, sprach Matteo Renzi in Florenz von der Zukunft Italiens.
"Wir machen nicht weiter mit dem NEIN-Sagen, es ändert sich doch eh nichts, das schaffen wir nicht. Ihr seid hier, weil Ihr das Schicksal Eurer Kinder ändern wollt, weil ihr an die Politik glaubt – und nicht in die Antipolitik."

Renzi: "Wir brauchen das für Italien"

Matteo Renzis Abschlussveranstaltung mitten in Florenz war ebenfalls gut besucht. Der Premierminister betonte, dass es nicht um seine Person gehe. Von einem möglichen Rücktritt, sollte das NEIN gewinnen, sprach er nicht mehr. Aber er warnte vor Schwierigkeiten für Italien bei einem Scheitern der Reform.
"Es ist klar: wenn das NEIN gewinnt, ist das Land weniger stark, die Wirtschaft ist verwundbarer. Wir werden uns mehr anstrengen müssen. Aber das können wir angehen, wenn das passiert. Aber was klar sein muss: das JA brauchen wir nicht, um die Regierung zu stärken – wir brauchen das für Italien."
Damit geht der Wahlkampf um die Verfassungsreform zu Ende, die das Land gespalten hat. Der Ausgang ist alles andere als sicher. Am morgigen Sonntag sind die Wahllokale zwischen 7 und 23 Uhr geöffnet. Rund 1,6 von vier Millionen Auslandsitalienern haben bereits ihre Stimme abgegeben, und damit mehr als erwartet. Meinungsforscher rechnen damit, dass sie mehrheitlich für die Reform sind, ihre Stimmen könnten am Ende entscheidend sein, auch deswegen hört man aus dem Lager der Rechtspopulisten schon den prophylaktischen Vorwurf des Wahlbetrugs.
Mit einem Ergebnis wird erst am frühen Montagmorgen gerechnet. Und ein Ergebnis wird es geben, denn die Entscheidung gilt als bindend, egal wie viele Italiener sich am Referendum beteiligen.
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