Dienstag, 16. April 2024

Archiv

Corsogespräch
Mithüpf-Garantie für das Party-Proletariat

"Backstage", "Disko Diktatur" oder "Krass gut" - so heißen Songs von Schmutzki, einem Stuttgarter Punkrock-Trio. Die Jungs repräsentieren und ironisieren gleichzeitig das wilde Leben als coole Band, spielen mit selbst gelebten Klischees und bieten einen erfrischend melodiösen Punkrock inklusive Mithüpf-Garantie.

Dany Maier im Gespräch mit Anja Buchmann | 22.11.2014
    Die Musiker der Punkrockband "Schmutzki" (v.l) Beat Schmutz (Gitarre), Dany Maier (Bass), Florian Hagmüller (Schlagzeug) stehen am 14.11.2013 in ihrem Probenraum in Stuttgart-Möhringen.
    Die Musiker der Punkrockband "Schmutzki" (v.l) Beat Schmutz (Gitarre), Dany Maier (Bass), Florian Hagmüller (Schlagzeug). (picture alliance / dpa / Bernd Weißbrod)
    Anja Buchmann: Wie hat sich die musikalische Richtung von Schmutzki, hin zu deutschsprachigem Punkrock mit Popappeal, entwickelt?
    Dany Maier: Gerade auch in den letzten zweieinhalb Jahren oder gerade auch im letzten Jahr ist uns ein bisschen klarer geworden, wo liegen die Stärken der Schmutzki-Songs, welche Songs sind eher noch (…) passt nicht ganz so in die Nummer rein. Also das musikalische Bild von Schmutzki wird noch ein bisschen schärfer werden.
    Wobei man schon sagen muss, dass damals durch das ganz freie Herangehen an die Musik und ohne sich sehr stark an Vorbildern zu orientieren wie früher - wir haben einfach nur Musik gemacht in diesem Proberaum abends und haben ein bisschen raus geschrien, worauf wir Bock hatten, das war auch ziemlicher Krach anfangs, bevor daraus Songs entstanden sind. Da hat man sich auch etwas frei gemacht von allem. Dass es deutsch sein sollte, war eigentlich klar, weil man schon zu dem Zeitpunkt das Gefühl hatte, man kann sich nur mit der eigenen Sprache richtig ausdrücken.
    Buchmann: Sie sagen gerade, dass das musikalische Bild auch in den letzten Jahren noch schärfer geworden ist - in welche Richtung hin schärfer, können sie das noch genauer benennen?
    Maier: Wir sind am Anfang sehr intuitiv daran gegangen und haben uns kaum Gedanken gemacht. Wir haben viele verschiedene Songs ausprobiert, auch stilistisch, mal ernster, mal experimenteller, auch andere Rhythmen ausprobiert. Aber man hat in den letzten anderthalb Jahren gemerkt, wo unsere Stärke liegt: Im unterhaltsamen, straighten, flotten Punkrock, der sich aber auch nicht zu ernst nimmt, ein Augenzwinkern mit bei hat, Spaß machen soll, aber auch einen bisschen kritischen Unterton hat aber im großen und ganzen den Leuten Freude machen soll. Das können wir am besten, da haben wir uns für unsere aktuelle EP drauf konzentriert, die Songs aus den letzten drei Jahren ausgewählt, die in diese Richtung gehen. Und für unser Album, das nächstes Jahr rauskommt, wollen wir uns noch mehr darauf fokussieren.
    Buchmann: In einem ihrer Songs, "Disko Diktatur", kommt das Wort "Party Proletariat" vor. Ist das ein Lebensgefühl, was sie drei selbst auch transportieren wollen?
    Maier: Ja und nein. "Disko Diktatur" ist einer unserer ersten Songs als Schmutzki, in dieser Zeit waren wir sehr stark in diesem Partyleben drin. Und da haben wir uns auch selbst etwas auf die Schippe genommen. Weil man manchmal den Eindruck hatte, man lebt nur die Woche, um am Wochenende wild abzustürzen, um dann wie das Proletariat auf die Straße zu gehen und zu demonstrieren, indem man sich ins Nirwana schießt. Das spiegelt dieser Song wider und ist auch noch ein Bestandteil von Schmutzki. Aber wir sehen es auch mit einem Augenzwinkern und müssen mittlerweile über uns selbst lächeln, wie wir das damals gesehen haben. Aber es ist immer noch ein wichtiger Song für uns.
    Buchmann: Man kann das ja auch zweischneidig sehen: In dem Song kommen Sätze vor wie "Tanz auf der Asche dieser Stadt" und es geht auch um "Gleichschritt". Ich habe mir dabei gedacht, das könnte zum einen heißen "alternativ zur normalen angepassten Arbeitswelt" oder aber auch wieder der Gleichschritt der Leute, die jeden Freitag, Samstag, Sonntag rausgehen und Party machen.
    Maier: Ja, es ist schon ein Phänomen für uns in der Zeit gewesen - vielleicht ist es auch allgemein so - dass es heißt: Man muss am Wochenende anfangen zu leben. Das ist sicherlich ein Thema für Schmutzki, was immer noch sehr wichtig ist: Die Frage, ob in unserer ach so durchgecheckten Welt, wir nicht diese Ventile brauchen, um da mal raus zu kommen. Der Song hat das überzogen und comic-haft dargestellt, dieser Zwang: Jetzt schieß dich weg am Wochenende, sonst kommst du mit diesem fordernden Alltag und dem Leistungsdruck überhaupt nicht mehr klar.
    Buchmann: Wie schreiben Sie ihre Songs?
    Maier: In der Regel kommt es von der Musik her. Wir sind im Proberaum und jemand schleppt ein Gitarrenriff an und wir spielen das und singen - früher viel Fantasie-Englisch drüber, heute unser patentiertes Fantasie-Deutsch. Also man singt einfach mal irgendwas und guckt, ob das rockt. Dann entwickelt sich aus diesem Fantasie-Deutsch etwas wie ein Thema. Worte die (...) die gut funktionieren, im Refrain und manchmal, wenn man Glück hat, haben die schon so viel Inhalt, dass man das schon als Inhalt des Songs oder Ansatz für den Songs verwenden kann. Und daraus dann den kompletten Song und den kompletten Text fertig schreibt.
    Buchmann: Ich würde gern noch etwas ihren Weg nachzeichnen: Es geht natürlich nicht so einfach, dass die Freunde euch auffordern "macht doch mal ein Konzert" und dann stehen gleich die Scouts von Four Music da und sagen: Wir nehmen euch mal unter Vertrag. Wie ging es denn weiter, nachdem sie dieses erste Konzert, von den Freunden gedrängt, gespielt haben?
    Maier: Dieses erste Konzert war im Mai 2011. Und dann lief erst mal gar nichts. Und dann haben wir noch drei oder vier Konzerte gespielt. Also, sagen wir es, wie es ist: Wir waren faule Säcke und haben uns nicht gekümmert. Die Musik war schon nicht schlecht zu diesem Zeitpunkt, aber wir haben es nicht auf die Reihe bekommen, irgendwas an Auftritten ranzuziehen. Es kam tatsächlich dazu, dass wir Anfang 2012 überlegt haben: Machen wir das weiter oder will sich jeder seinem richtigen Job widmen…
    Buchmann: Richtiger Job…
    Maier: Ja, das was man landläufig als richtigen Job bezeichnet.
    Und dann haben wir uns einfach mal ins Blaue hinein für einen Bandwettbewerb namens "Play Live" angemeldet, das ist der größte Bandwettbewerb in Baden-Württemberg. Wir haben uns angemeldet, weil wir nicht wussten, was wir machen sollten und sind dann in die Endrunde gekommen.
    Und haben dann irgendwie das Ding gewonnen, für uns überraschenderweise. Und durch den Gewinn hat man ein bisschen Presseecho bekommen. Auch weil in der Jury der eine oder andere Mensch drin saß, der den Weg etwas vorgezeichnet hat, Richtung Label, Four Music usw. Lustigerweise ist tatsächlich die Dame, die in der Jury saß, die von Four Music oder damals noch Sony kam, ist jetzt unsere zuständige A&R Managerin bei Four Music, die uns auch gesignt hat. Der Hauptpreis dieses "Play live"-Wettbewerbs war, dass man beim Southside Festival, dem größten Open Air Festival in Süddeutschland, spielen durfte…
    Buchmann: Wo sie zu einer unmöglichen Mittagszeit spielen mussten…
    Maier: Was wir aber dazu genutzt haben, alle Leute aus ihren Zelten wachzurütteln, um sie in das Konzertzelt zu holen. Das war ein Schlüsselerlebnis, weil wir da zum ersten Mal das Gefühl hatten: Jetzt haben wir 'ne Chance, was zu machen, ein Publikum zu bekommen. Und dann haben wir uns tatsächlich zum ersten Mal wirklich angestrengt - gut, musikalisch haben wir uns auch vorher schon angestrengt - , aber irgendwann kapiert man, dass es nicht nur die Musik ist, sondern auch Organisation und Werbung dazu gehört, um die Leute wirklich am Wickel zu kriegen. Da haben wir beim Southside alle Register gezogen, 10.000 oder 20.000 Aufkleber verteilt, günstige Shirts verkauft, die auf zehn Kilometer in rot zu erkennen waren und dann kamen auch die Leute.
    Buchmann: Und sie sind wirklich von Zelt zu Zelt gegangen?
    Maier: Ja, das kann man so sagen, hat sich dann aber auch verselbstständigt - da ist unser berüchtigter Schmutzki-Mob entstanden, so nennen wir unsere Fans. Anfangs waren das 20 Leute, unsere Kumpels, und das wurden immer mehr. Die Leute kamen an und fragten: Was ist denn dieses Schmutzki? Gib mal 'nen Aufkleber her und ich verteil die.
    Es ist ja auf so 'nem Festival sowieso eher "Schmutzki" als "Sauberski", und dann fingen die Leute an, alles mit diesen Aufklebern voll zu kleben. Wir sind an Dixi-Klos vorbeigegangen, wo die hellblaue Farbe nicht mehr zu sehen war vor lauter Schmutzki-Aufklebern.
    Schließlich haben wir es geschafft, am Samstagmorgen um 12.30 Uhr zu einer unmöglichen Uhrzeit, über 1.000 Leute in dieses Zelt rein zu bekommen. Das war für uns einerseits ein super Gefühl, vor so vielen Leuten zu spielen, was ja auch neu war, aber auch der Beweis: Wenn wir uns zur Abwechslung mal ein bisschen anstrengen, dass was ganz Tolles passiert und die Leute die Musik richtig abfeiern wollen. Und seitdem ist alles ein bisschen anders gewesen und so kommt eines zum anderen.