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Israel
Templer im Heiligen Land

Sie haben ihre Spuren im heutigen Israel hinterlassen: Die aus Württemberg ausgewanderten Templer. Die Pietisten gründeten Siedlungen, etablierten den Weinanbau, schufen Krankenhäuser - doch nach dem Zweiten Weltkrieg mussten sie als "fünfte Kolonne" der Nazis das Land verlassen.

Von Wolfram Nagel | 25.03.2015
    Blick von einer Anhöhe auf die israelische Hafenstadt Haifa
    Auch hier ist der Einfluss der Templer zu sehen: Haifa (picture-alliance / dpa / Andreas Keuchel)
    Die Templergemeinschaft, die ihren Ursprung in der pietistischen Bewegung hat, wurde 1850 im Königreich Württemberg gegründet und hat nichts mit dem Templerorden des Mittelalters zu tun. Für die Mitglieder der Templergemeinschaft ist Jesus von Nazareth nicht der Gottessohn, sondern ein Mensch, der von Gottes Geist durchdrungen und vor allem ein Lehrmeister ist. Viele Mitglieder der Templergemeinschaft sind seit dem 19. Jahrhundert ins damalige Palästina ausgewandert und haben dort Siedlungen gegründet.
    Der Stadtteil Sarona in Tel Aviv. Inmitten parkartiger Gärten stehen zweigeschossige Steinhäuser. Fast alle sind restauriert. Errichtet wurden sie 1871, knapp vierzig Jahre vor Gründung der Stadt Tel Aviv. Ringsum, wo heute Wolkenkratzer stehen, wuchsen damals vor allem Orangenbäume, erzählt Chaim Goren, emeritierter Geschichtsprofessor. Ursprünglich sollten die Templerbauten abgerissen werden. Doch ein Denkmalverein hat sich für deren Erhalt eingesetzt.
    "Die haben hier auch gekämpft zusammen mit allen anderen Grünen, und die haben Erfolg gehabt."
    Templersiedlung als Besuchermagnet
    Mit ihren Cafés, Boutiquen und Souvenirläden ist die ehemalige Templersiedlung heute ein beliebter Ort für Besucher. Hinweistafeln erklären die Geschichte der Bauten. In den Vitrinen eines Schmuckgeschäfts liegen alte Briefe und Postkarten mit deutscher Sütterlinschrift. Eine Fotografie erinnert beispielsweise an die Gebrüder Wagner, Inhaber einer Gießerei und Maschinenfabrik in Jaffa.
    "Es ist schon bewundernswert, dass in Israel etwas, das den Nazis gehörte, Nazigeschichte hat, so restauriert und erhalten wird und ins Gedächtnis zurückgebracht wird."
    Hakenkreuzfahnen in israelischen Städten
    Sagt Chaim Goren mit Blick auf die 30er Jahre, als in den Templerkolonien von Sarona-Jaffa, Haifa und Jerusalem NSDAP-Ortsgruppen gegründet wurden. Und in den Straßen wehten an bestimmten Feiertagen Hakenkreuzfahnen.
    "Ein Drittel waren Parteimitglieder. Und das war Hitlerjugend – sehr populär unter den Kindern. Wir haben Bilder von Camps, von Hitlerjugend-Camps."

    Das hinderte die Templer jedoch nicht, mit der jüdischen Bevölkerung Handel zu treiben oder für sie Bauprojekte zu planen und auszuführen. Doch im 1948 gegründeten Staat Israel galten die deutschen Templer dann als 5. Kolonne der Nazis, die des Landes verwiesen wurden. In Sarona zog das Hauptquartier der Hagana ein. Auch Staatsgründer David Ben Gurion hatte hier sein Büro. Und in der Templerkolonie von Haifa wurden jüdische Flüchtlinge aus Deutschland untergebracht. Eine Familie zog auch in das Haus Gottlieb Schumachers, Ende des 19. Jahrhunderts einer der bedeutendsten Architekten Palästinas und Stadtplaner von Haifa.
    "Dann kommen diese Holocaust-Überlebenden, und sie kommen wieder in ein Haus mit deutschen Inschriften und deutschen Sachen, die sie in dem Haus finden. Wir wissen zum Beispiel, dass das ganze Archiv von Gottlieb Schumacher noch im Schuppen dieses Hauses gewesen ist. Dieser Mann, der ein Holocaust-Überlebender war, hat gesagt, er hat alles verbrannt. Für uns Historiker ist das natürlich eine Katastrophe gewesen. Wir hätten das Schumacher-Archiv gerne gehabt. Der Mann hat gar nicht verstanden, was er da macht, – obwohl der Schumacher nichts mit der NSDAP zu tun hatte und gerade für die Juden von großer Bedeutung war."
    Pioniere in allen Bereichen
    Erzählt der Historiker Jakob Eisler, der in Haifa geboren wurde und mit der Deutschen Kolonie aufgewachsen ist. Der Archivar der Württembergischen Kirche studierte bei Prof. Alex Carmel, der erste israelische Wissenschaftler, der bereits in den 1970er Jahren die Geschichte der Templer erforscht hat.
    "Im Laufe der Jahre konnten wir ausfindig machen, dass diese württembergischen Templer und die anderen Deutschen, die da in Jerusalem und im Lande gelebt haben, sehr viel für die jüdische Bevölkerung geleistet haben, und das denke ich, wissen auch die Israelis heute zu schätzen."
    Ohne die Templer hätten sich Städte wie Haifa oder Jerusalem, aber auch Siedlungen wie Petach Tikva oder Hadera viel langsamer entwickelt.
    "Und ihr Einfluss, ihre Bedeutung, ihr Beitrag, alle diese schönen Wörter zur Entwicklung dieses Landes, das ist unvergleichlich, in der Technologie, Landwirtschaft, Industrie, im Transportwesen, Tourismus, Bautechnik, Wassertechnik, Pumpen, Windmotoren, alles machten sie möglich. Die Templer waren immer Pioniere."
    Tipps für die Kibbuz-Bauer
    Von denen sich auch die ersten zionistischen Einwanderer für den Aufbau ihrer Kibbuzim Rat holten:
    "Die ersten jüdischen Siedlungen, die sind alle zu Christoph Hoffmann gegangen um zu lernen, wie sie eine Kolonie bauen können."
    Der Theologe Christoph Hoffmann gehörte zu den Gründern der Templer-Gesellschaft. Bereits in den 1850er Jahren bemühte er sich beim türkischen Sultan, um die Erlaubnis, ein "neues Volk Gottes" in Palästina ansiedeln zu dürfen. Doch diese Idee stieß zunächst auf wenig Gegenliebe, weder bei den türkischen Behörden noch bei der arabischen Bevölkerung.
    "Man muss ein einfaches, ursprüngliches Christentum vorleben. Das war die Idee Hoffmanns. Er wollte dann ein neues Volk Gottes gründen. Die Idee war, dass man in Jerusalem einen geistigen Tempel aufbauen sollte. Deswegen wurden sie auch am Anfang Jerusalemfreunde genannt. Erst in späteren Jahren hat sich der Name gewandelt in Tempelgesellschaft. Also der geistige Tempel in Jerusalem."
    Als Sektierer ausgeschlossen
    Hoffmann und seine Getreuen verband die Vorstellung von der baldigen Endzeit. Durch ihre Übersiedlung ins Heilige Land wollten sie dem wiederkehrenden Messias möglichst nahe sein. Wegen ihres Sektierertums schloss die württembergische Landeskirche Hoffmann und andere Jerusalemfreunde aus. 1868 machten sich die ersten Württemberger auf den Weg nach Palästina und gründeten in Haifa den ersten Vorposten der Templerbewegung. Damals lebten dort gerade einmal 4000 Einwohner.
    "Insgesamt bis 1875 waren über 750 Württemberger ins Heilige Land ausgewandert."
    Außerhalb der alten Stadtmauern von Haifa entstand eine moderne Stadt mit einer schnurgeraden Mittelachse. Im unteren Bereich wohnten die Handwerker. Im Zentrum befanden sich das Gemeindehaus und die Schule. Im oberen Bereich lebten die sogenannten Ökonomen.
    "Das waren die Bauern, und ganz oben die Winzer. Weil, Karmel auf Hebräisch bedeutet, der Weinberg Gottes, Kerem el. Das heißt, die wussten, dass zu biblischen Zeiten auf dem Karmelberg Weinreben gepflanzt worden waren, also Weingärten, und deswegen haben die Templer aus dem Neckartal Weinreben ins Heilige Land gebracht und sie auch in Haifa gepflanzt und dort dann Terrassen gebaut, die heute ein Teil des persischen Gartens der Bahai sind."
    "Bis hierher hat der Herr geholfen"
    Die meisten Templerhäuser von Haifa tragen noch immer deutsche Inschriften über den Türen; Bibelsprüche wie "Herr lass leuchten dein Antlitz über uns" oder "Bis hierher hat der Herr geholfen". Schrifttafeln erklären hebräisch und deutsch die Geschichte der Kolonie. So wird beispielsweise auch der Besuch Kaiser Wilhelms II. im Oktober 1898 gewürdigt, der auf seiner Pilgerfahrt nach Jerusalem in Haifa an Land gegangen war. Aber auch Architekten wie Theodor Sandel oder Gottlieb Schumacher haben hier zum Teil unter widrigsten Bedingungen gewirkt. Sie hinterließen ihre Spuren nicht nur in den Templer-Kolonien von Haifa, Jerusalem, Sarona, Waldheim, Wilhelma oder Bethlehem/Galiläa.
    "Zum Beispiel die Weinkellereien von Rischon le Zion sind Planungen von Gottlieb Schumacher, oder die Weinkellereien von Sichron Jakow, also auch auf dem Karmelberg, sind Planungen, die Schumacher für die Mitarbeiter des Barons Rothschild gemacht hat."
    Dabei lag es den Templern fern, zu missionieren – im Gegensatz zu anderen christlichen Missionsgesellschaften, die sich ebenfalls seit Mitte des 19. Jahrhunderts zahlreich im Heiligen Land angesiedelt hatten.
    "Es wurde keine Judenmission betrieben. Sondern die Templer wollten zeigen, wie Christen leben und wie dieses neue Volk Gottes, das sie gründen wollten, da ist."
    Palästinadeutsche Nazis
    Doch nur die erste und zweite Generation der Templer habe streng religiös gelebt, sagt Jakob Eisler. Bereits bei der dritten Generation habe der pietistische Eifer stark nachgelassen. So sei auch zu erklären, warum sich in den 1930er Jahren vor allem junge Palästinadeutsche den Nationalsozialisten angeschlossen hätten. Um so erfreulicher sei nun, mit welchem Aufwand heute die Bauten der Deutschen in Israel erhalten werden. Sagt Wolfgang Schmidt, Propst der deutschen Gemeinde in Jerusalem.
    "Man ist an den baulichen Zeugnissen interessiert, man interessiert sich für sie, wie sie die Entwicklung Jerusalems beeinflusst haben. Denken Sie nur an Mea Shearim, das von Conrad Schick erbaut wurde. Das Hansenhospital, das Leprahospital, das von der Stadt Jerusalem so wunderbar restauriert wurde und heute ist die Bezalel-Akademie dort zu Hause. Also die Orte werden wertgeschätzt. Und wer sich einigermaßen damit beschäftigt, der merkt, was es doch auch hier an Prägungen gegeben hat, die nun bis heute hin reichen."