Isabella Rossellini: "Meine Hühner und ich"

Geflügel mit Persönlichkeit

Zu sehen ist die Autorin Isabella Rossellini, die zwei Hühner in ihrer Hand hält und dabei lächelt.
Isabella Rossellini hat ein Faible für Hühner © Schirmer-Mosel-Verlag
Von Eva Hepper · 27.04.2017
Sie dachten, Hühner sind nur Schnabel, Augen, Kamm, Hals und lecker auf dem Tisch? Die Schauspielerin und Autorin Isabella Rossellini zeigt, dass noch viel mehr an den Tieren dran ist - und beiläufig setzt sie dabei ein Zeichen für Artenvielfalt.
Unzählige gezeichnete Hühnerköpfe sind flächendeckend über die ersten Seiten des Buches verteilt. Nicht naturalistisch ausgearbeitet, sondern krakelig und schnell skizziert. Frei nach dem Motto: Schnabel, Augen, Kamm und Hals – fertig ist das Hühnergesicht.
Manche der Tiere grinsen den Betrachter an, einige blicken einander in die Augen, andere recken die Hälse oder schielen fröhlich vor sich hin. Gemeinsam geben sie die Stimmung der folgenden 110 Seiten vor: heiter, lustig, humorvoll.
Nichts anderes war zu erwarten, wenn Isabella Rossellini ein Buch über Hühner schreibt. Bereits mit ihren "Green Porno", Kurzfilmen über das Liebesleben von Tieren, hatte die als Schauspielerin und Model berühmt gewordene Tochter Ingrid Bergmanns und Roberto Rossellinis hinreißenden Witz bewiesen. In "Meine Hühner und ich", mit Fotografien von Patrice Casanova, schließt sie nahtlos daran an.
Aufs Huhn gekommen ist Isabella Rossellini, seitdem sie ihren Bauernhof auf Long Island hat. Dort züchtet die Naturbegeisterte neben Gemüse, Schafen und Truthähnen vor allem Federvieh - vornehmlich alte Rassen. Fasziniert von deren Aussehen und Gebaren, begann sie, ihre Entwicklung zu dokumentieren: von der Ankunft der online bestellten und per Post gelieferten Küken bis zum ersten Eierlegen fünf Monate später. Exakt diesen Zeitraum umfasst ihr origineller Bildband.

Prominente Hühner

Rossellini stellt ihre Schutzbefohlenen, die allesamt Spitznamen tragen, zunächst in perfekt inszenierten Fotografien vor. Wie Models treten die furchtlose "Amelia Earhart", benannt nach der Flugpionierin oder der Haubenträger "Andy Warhol" auf. Dabei zeigt sich schnell die Persönlichkeit der Tiere. "Speedy" etwa ist wegen seiner Schnelligkeit im Bild nicht zu bannen, und "Reds" Abenteuerlust führt das Huhn immer wieder aufs Sofa der Hausherrin oder auch auf deren Schreibtisch.
Das allein ist schon drollig anzusehen. Geradezu hinreißend komisch sind jedoch die Zeichnungen Isabella Rossellinis, mit denen sie die Evolutionsgeschichte und das Verhalten der Hühner illustriert. Spätestens, wenn sie deren Fähigkeiten zu zählen oder sich gegenseitig zu warnen skizziert, fließen Lachtränen. So ulkig gucken die schlauen Tiere bei ihrem Tun, so originell sind die Szenerien mit leichter Hand aufs Papier geworfen.

Spaß beiseite

Doch so inspiriert und witzig das Buch auch erscheint, Isabella Rossellini verfolgt damit ein ernsthaftes Anliegen: Sie kämpft für den Erhalt der Artenvielfalt. Denn die Schönheit von Hühnern alter Rassen und ihre Fähigkeiten sind beim ausschließlich zum Verzehr oder zum Eierlegen gezüchteten Huhn nur noch rudimentär vorhanden, wie die studierte Verhaltensbiologin (!) weiß. Würden wir Hunde ähnlich behandeln, fragt sie auf den letzten Seiten mit umwerfend beredten Zeichnungen? Würden wir Cocker Spaniel, Terrier, Labrador und Afghanen aussterben lassen zugunsten fetter Pudel und überlanger Dackel (beide zum Verzehr gedacht)? Hier bleibt einem das Lachen dann doch im Halse stecken. Obwohl, die Pudelzeichnung. Ein tolles Buch!

Isabella Rossellini: Meine Hühner und ich
Schirmer Mosel Verlag, München 2017
112 Seiten, 25 Euro