Irritation des Betrachters

Von Oliver Seppelfricke · 24.02.2006
Gegenwartskunst, die der Sammler Frieder Burda in den vergangenen vier Jahren erworben hat, ist jetzt in seinem Museum zu sehen. Die Junge Malerei spielt mit der Verunklarung der Motive. Es sind Bilder, die zwischen Abstraktion und Realismus schweben. So viel steht jetzt schon fest: Burdas Sammlung ist um einige neue und junge Schätze reicher geworden.
Das von US-Stararchitekt Richard Meier erbaute und vielfach preisgekrönte "Museum Burda" ist für die Hängung Junger Kunst der ideale Ort. Gerade im 200 qm großen Hauptraum mit seinen 12 Meter hohen Decken können viele der bis zu fünf mal sechs Meter großen Bilder ihre Wirkung und Kraft voll entfalten. 100 Werke sind ausgestellt, ausschließlich Malerei. Von Künstlern, die 30-40 Jahre jung sind. Die meisten von ihnen kommen aus Deutschland. Was fasziniert den Sammler Frieder Burda an dieser Jungen Kunst?

"Das ist wie für jeden Sammler das Entdecken. Das Entdecken an der Kunst, an neuen, an jungen Künstlern. Man entdeckt irgendwo ein Bild. In einer Zeitschrift, einer Kunstzeitschrift, oder auf einer Ausstellung, auf einer Kunstmesse. Man ist fasziniert. Es muss natürlich immer wiederum mich persönlich beeindrucken. Ich habe immer wieder gesagt, meine Sammlung ist ganz persönlich. Sie ist ganz auf mich zugeschnitten. Ich kaufe das, was mich fasziniert. Und da kann man auch Fehler machen. Das weiß ich. Aber das ist ja gerade das, was den privaten Sammler ausmacht."

Es sind Szenen aus dem Alltag, die die jungen zumeist deutschen Künstler malen. Ein einzelnes Auto steht verloren auf dem nächtlichen Autofriedhof, mit einer Nummer auf der Scheibe markiert, eine Szene aus Hell und Dunkel von Matthias Weischer. Ein noch relativ unbekannter Maler. Tim Eitel, schon bekannt dagegen, läßt eine junge Frau mit Rucksack von hinten gesehen in eine grüne Landschaft hinein spazieren, ein Bild, das eine Sogkraft entfaltet wie Caspar David Friedrichs einsamer "Mönch am Meer".

Oder der Blick aus einem LKW-Fenster wie bei Thoralf Knobloch, auf eine Dorflandschaft oder auf einen anderen abgestellten LKW, vertraute Szenen, oder Eberhard Havekost, auch schon ein Star, der vier Personen gedankenverloren in den Höhen der Welt einen Gletscher beobachten läßt - immer sind es Momente voller Stille, Einsamkeit und Leere, der Stillstand der Zeit und die Sehnsucht nach Ruhe und einem festen Punkt sind große Themen dieser jungen Malerei.

Frieder Burda: "Zunächst einmal, es bleibt bei mir immer wieder bei der Farbe. Das ist meine Ausgangslage. Da komme ich her. Ich komme vom deutschen Expressionismus und die Farbe ist das erste, was mich fasziniert. Hier in diesem Bild ist es die Stille, es ist fast Melancholie in diesem Bild. Die Menschen sitzen, sie unterhalten sich nicht, sie starren vielleicht auf diesen Gletscher, vielleicht auch in den Himmel. Das sind die Momente, die einen als Sammler beeindrucken."

Man sieht etwas, und man sieht etwas ganz Bestimmtes nicht auf diesen Bildern. Die Junge Malerei spielt mit der Verunklarung der Motive. Mit der Irritation des Betrachtens. Es sind Bilder, die zwischen Abstraktion und Realismus schweben. Die zwischen Imagination und Sehen oszillieren. Karin Kneffel zum Beispiel malt einen schwarzen Lacktisch und dessen schwammige Widerspiegelung im Fliesenboden.

In einem anderen Bild ist der Teppich im Vordergrund, über den sie ein Hund spazieren läßt, detailgetreu gemalt, der Hintergrund dagegen verschwimmt wie durch ein dickes Glas gesehen, und auch der Hund ist zugleich klar und doch konturlos gemalt, eine Art Stillstand in Bewegung. Es ist kein Hyperrealismus oder Fotorealismus eines Chock Close, eines Franz Gertsch oder Gerhard Richter. Der Motive nahezu eins zu eins abbildete.

Diese junge Kunst stellt die Grundfragen der Malerei neu: Was ist ein Bild? Was sehen wir? Wenn wir sehen? Wo und wie entsteht ein Bild? Was bleibt von einem Bild über, wenn man es reduziert? Wie weit kann man es reduzieren? Was bleibt, wenn es verschwindet, wenn es verschwimmt? "Pixelpark" heißt nicht umsonst ein Bild von Eberhard Havekost, in dem sich die Gegenstände auflösen in unzählige Einzelpunkte, in Pixel.

Aktuelle Fragen also stellt diese Kunst, gerade bei den Amerikanern hat diese Art Malerei einen regelrechten Hype mit kräftigen Preisexplosionen und langen Wartelisten erzeugt. Die Preise für Neue Kunst sind im vergangenen Jahr um 30 Prozent gestiegen. Eine Entwicklung, die der Sammler Frieder Burda weniger mit Freude als vielmehr mit Sorge sieht.

"Leider ist es so, daß die Kunstentwicklung in den letzten Jahren ganz eigenartige Formen angenommen hat. Die Preise sind in die Höhe gegangen. Oft unberechtigt. Ich persönlich glaube auch nicht, daß es bleiben wird. Es kann nicht sein, daß man den jungen Malern die noch nicht trockenen Bilder aus der Staffelei wegnimmt. Hohe Preise bezahlt. Wartelisten hat, wo man sich eintragen muß, um ein Bild zu bekommen. Das wird sich ändern. Das gab es noch nie. Das geht nicht."

Nicht nur die so genannte "Neue Leipziger Schule" ist vertreten, auch wenn auffallend viele der ausgestellten Künstler aus Ostdeutschland stammen oder dort leben. Für einige von ihnen ist es der erste große nationale und damit zugleich auch internationale Auftritt. Frieder Burda liebt nicht nur das Sammeln, sondern auch das Entdecken. Mit dem dazu gehörigen Risiko: Manche der ausgestellten Künstler können mit dieser Schau ihren Marktwert glatt verdoppeln. An andere hingegen, so gibt auch der Sammler Burda zu, wird man sich in zehn Jahren vielleicht schon nicht mehr erinnern. Eines ist jedoch klar:

Der gute Geschmack und die Spürnase des Sammlers Frieder Burda, die ihn zum Beispiel den späten Picasso kaufen ließen, als die Kunstwelt von "senilen Schmierereien" sprach, oder die ganze Werkblöcke von Polke und Richter in den 70er Jahren zusammentrugen, heute die zwei international anerkanntesten und teuersten deutschen Künstler – sie finden sich bestätigt: Viele der Künstlerinnen und Künstler, die Frieder Burda in den letzten vier Jahren gekauft hat, sind heute auf den Radarschirmen der Kunst- und Sammlerwelt aufgetaucht, die "Sammlung Frieder Burda" ist um einige neue und junge Schätze reicher geworden! Eine tolle und lohnende Schau!

Service:
Die Ausstellung "Neue Malerei. Erwerbungen 2002 - 2005" ist noch bis zum 25. Juni 2006 im Museum Frieder Burda zu sehen.