Iron Maidens Bruce Dickinson wird 60

"Wir wollen keine Parodie unserer Selbst sein"

Die englische Heavy-Metal-Band Iron Maiden spielt im schwedischen Solvesborg am 7. Juni 2018. Im Bild Sänger Bruce Dickinson im Flieger-Outfit auf der Bühne.
Iron Maiden-Sänger Bruce Dickinson auf der Bühne: "Wir haben einen Ruf, dem wir nachzukommen haben." © Gonzales Photo - Terje Dokken / picture alliance / Photoshot
Bruce Dickinson im Gespräch mit Christoph Reimann · 07.08.2018
Bruce Dickinson ist Pilot, Autor und Sänger von Iron Maiden. Mit der Band hat er über 100 Millionen Platten verkauft. Jetzt feiert er seinen 60. Geburtstag und sagt, es laufe gerade ziemlich gut, die Band werde gewiss keine letzte Tour ankündigen.
Bruce Dickinson ist Sänger der Heavy-Metal-Band Iron Maiden, über Jahre flog er als Pilot seine Musikerkollegen in der bandeigenen Boeing zu den Konzerten. In seiner Biografie "What does this button do" erzählt Dickinson viele Geschichten über das Fliegen, aber auch über den Kampf gegen den Krebs und andere einschneidende Erlebnisse.
Die Krankheit gab auch den Anstoß, die Biografie zu schreiben. Eine Episode darin: 1994 machte sich Dickinson, damals frisch ausgestiegen bei Iron Maiden, als Solokünstler auf zu einem Konzert ins belagerte Sarajevo. Hatte er damals keine Angst? Das war die erste Frage, die Christoph Reimann Bruce Dickinson stellte, als er ihn zum Interview traf.
Bruce Dickinson: Anfangs schien es gar nicht so riskant. Das änderte sich, als wir vor Ort waren. Also sagten wir uns: Gut, lassen wir uns auf dieses Abenteuer ein.
Reimann: Es wurde gefährlicher, weil man Sie und Ihre Musiker zunächst nicht nach Sarajevo weiterreisen lassen wollte?

Von der UN im Stich gelassen

Dickinson: Nein, eher weil wir Gefahr liefen, erschossen zu werden. Aber wir hatten uns nun mal dazu entschlossen, also haben wir es weiter versucht. Letztlich hat uns die britische Armee sehr geholfen. Die UN hatten uns da längst im Stich gelassen, um keine erneuten Unruhen mit den Serben zu riskieren. Zu dem Zeitpunkt waren Friedensverhandlungen in greifbarer Nähe, ein paar Monate später kam ja dann auch Jimmy Carter nach Sarajevo.
Reimann: Wie hat das Publikum reagiert, als Sie dann schließlich auf der Bühne standen?
Dickinson: Wir haben vor rund zwölfhundert Leuten gespielt, das waren vor allen Dingen Kids aus der Gegend. An dem Tag blieben viele Schulen geschlossen, denn das Gerücht, dass wir auftreten würden, hatte die Runde gemacht, und man wollte sicherstellen, dass die Kinder heil zur Halle kommen. Sie mussten in kleinen Gruppen zum Veranstaltungsort laufen, denn eine große Menschentraube hätte womöglich die Serben zu einem Angriff animiert. Vieles spielte sich daher auch im Dunkeln ab. Das war schon interessant zu sehen.
Reimann: Wie fühlt es sich in solchen Momenten an, auf die Bühne zu gehen? Wie eine Belohnung für die vielen Strapazen?
Dickinson: Schon ein bisschen. Die Reise hat uns insgesamt sehr mitgenommen. Wir hatten vor dem Auftritt nur zwei, drei Stunden Schlaf, nachdem wir die ganze Nacht auf der Straße verbrachten. Ich kann mich noch an die Fahrt über den Berg Igman erinnern. Damals war das der einzige Weg nach Sarajevo – wie auf dem Präsentierteller also fuhren wir da lang. Es gab auch einen Tunnel, den ich mir angesehen habe, als ich jetzt noch mal da war. Da wären wir mit unserem Equipment aber niemals durchgekommen. Im Hintergrund liefen einige Operationen und Aktionen ab, die den Friedensprozess hätten stören können. Und wir, ein paar englische Rockmusiker, waren mittendrin.
Reimann: Solche Erinnerungen wie ans Sarajevo im Jahr 1994 brennen sich ins Gedächtnis ein. Ihre Autobiografie "What does this button do" ist ja überhaupt sehr detailreich. Wie können Sie sich das alles merken? Manche Rockmusiker wissen ja nicht mal, in welcher Stadt sie gerade auftreten.

Fotografisches Gedächtnis

Dickinson: Aber die haben doch GPS-Geräte. Die können das alles googeln. Tatsächlich kann ich mir Namen nur schlecht merken. Aber wenn ich irgendwo hinreise, schaue ich mir vorher immer noch eine echte Karte an. Ich habe ein gutes fotografisches Gedächtnis. Wenn ich unterwegs bin, speichere ich meine Erinnerungen als Bilder in meinem Kopf ab. Die kann ich dann immer wieder abrufen.
Reimann: Dass Sie die Finger von harten Drogen gelassen haben, hilft wahrscheinlich auch.
Dickinson: Ich denke schon. Ich habe ein paar Mal Marihuana geraucht, als ich noch in der Band Samson gespielt habe. Das hat die Kommunikation mit den Leuten einfacher gemacht, denn die waren immer stoned. Ich denke, alle jungen Leute experimentieren mal mit Drogen. Sie sollen bloß vorsichtig sein dabei und es nicht zur Gewohnheit werden lassen.

Viel Ironie in Iron Maiden

Reimann: Der Okkultismus, die Spandex-Klamotten, das blutige Iron-Maiden-Maskottchen Eddie: Wie viel Ironie steckt eigentlich im Heavy Metal?
Dickinson: Oh, Gott, viel! Aber tatsächlich gibt es in dieser Hinsicht von Land zu Land Unterschiede. In den USA zum Beispiel habe ich manchmal das Gefühl, dass nur die Hälfte des Publikums die Ironie unserer Konzerte versteht. In Europa sieht das anders aus. Da werden wir besser verstanden. Und wir Briten sind vielleicht sogar ein bisschen zu ironisch. Wir machen uns ständig über alles lustig – too cool for school sozusagen. Das ist dann auch nicht gut. Man muss da das gesunde Mittelmaß finden. Aber klar: Ohne Frage steckt in Iron Maiden auch Ironie.
Reimann: Gilt das nur für die visuelle Inszenierung oder zum Beispiel auch für Ihren Gesang?
Dickinson: Nein, die Musik ist ziemlich geradeaus, das muss sie auch sein. Wir wollen ja keine Parodie unserer Selbst sein. Wenn wir auf der Bühne unserem Maskottchen Eddie das Herz rausreißen und mit dem Blut unser Publikum vollschmieren, dann hat das auf jeden Fall etwas Theatralisches. Andere Konzerte starten total ernst, von den Songs getrieben. Wir machen zweieinhalb Stunden Programm, da gibt es alle möglichen Aspekte.
Reimann: Das wichtigste Genre heutzutage ist Hip-Hop. Denken Sie auch manchmal ans Aufhören?
Dickinson: Wir geben auf der ganzen Welt ausverkaufte Stadion-Konzerte. Wir sind also ziemlich erfolgreich gerade. Und die Kurve geht steil nach oben. Ich habe also kein Interesse daran, in Ruhestand zu gehen. Und Iron Maiden werden auch keine letzte Tournee ankündigen. Wir haben unsere eigene Nische, unseren eigenen Stil, einen Ruf, dem wir nachzukommen haben. Das hält uns alle ganz schön auf Trab. Ich denke nicht, dass Iron Maiden demnächst Hip-Hop machen werden.
Das Gespräch wurde im Januar geführt und erstmals ausgestrahlt, anlässlich des runden Geburtstags wiederholen wir es.

Bruce Dickinson: "What does this button do"
Heyne Verlag, München 2018
448 Seiten, 22 Euro.

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