"Irgendwann einmal erstarrt man halt ein bisserl auf der Bühne"

Hans Well im Gespräch mit Matthias Hanselmann · 17.01.2012
Die Biermösl Blosn der Gebrüder Well wird es in Zukunft nicht mehr geben, erklärt Hans Well, weil ihr Markenzeichen, akut und aktuell zu sein, gefährdet war. Für ihn sei die Zeit für Neues gekommen: Am Ende habe er das Gefühl gehabt, er "werde zum Papagei", sagt Well.
Matthias Hanselmann: Grüß Gott, mein Bayernland. Die Biermösl Blosn ist eine der wichtigsten bayrischen Kabarett- und Musikgruppen, und sie steht seit 1976 für ein alternatives bayrisches Musikkabarett, das zeigt, dass man traditionelle bayrische Musik mit zeitgemäßen satirischen Texten und mit viel Humor verbinden kann. Das hat die Biermösl Blosn so erfolgreich gemacht. Die Biermösl Blosn, das sind die drei Brüder Michael Well, Christoph Well und Hans Well. Seit August schon sind auf Abschiedstournee, heute und morgen geben sie ihre allerletzten beiden Konzerte im Fürther Stadttheater. Zum Abschied der Biermösl Blosn sprechen wir mit Hans Well, der hauptsächlich für die Texte der Gruppe zuständig war. Guten Tag!

Hans Well: Grüß Gott!

Hanselmann: Werden denn Ihre Fans diese bekannten und beliebten Lieder wie das, was wir eben gehört haben, der Biermösl Blosn nie wieder live hören können?

Well: Bestimmt nicht. Ich mach ja mit meinen zwei Kindern oder drei Kindern – wenn meine Tochter aus Kalkutta wieder zurück ist, wo sie gerade ein soziales Jahr macht – dann weiter, und ja, ansonsten mit zwei oder drei Musikern. Die Lieder werden bestimmt nicht schlechter, das hab ich nicht verlernt, neue zu machen, und einen Teil von den noch aktuellen Liedern, die sing ich auch mit, weiter.

Hanselmann: Aber Sie werden sich und Ihre Kinder dann nicht Biermösl Blosn weiterhin nennen?

Well: Nein, das geht nicht, das machen meine Brüder auch nicht, weil Biermösl Blosn war etwas für sich in der Konstellation, und das ist was anderes dann, was man weitermacht.

Hanselmann: Sie haben ja schon im August bekannt gegeben, dass sich die Gruppe auflösen beziehungsweise verabschieden würde, das war aber doch jetzt ein ziemlich langer Abschied, einer über Monate. Wollten Sie jedem Ihrer Fans noch ein letztes Mal die Gelegenheit geben, Sie zu erleben und sich dann quasi von jedem Einzelnen verabschieden?

Well: Nein, das war leider eine ganz blöde Geschichte, warum das vorab bekannt geworden ist. Wir wollten es später bekannt geben, also Ende September oder Oktober erst, aber das war einfach Indiskretion von einem Journalisten, und der hat das dann früher an die Öffentlichkeit gebracht, als wir eigentlich wollten.

Hanselmann: Ach, diese indiskreten Journalisten immer.

Well: Na ja, jetzt werde ich gleich wie der Wulff auf die Journalisten schimpfen, aber er war nicht von der "Bild"-Zeitung.

Hanselmann: Sie sind ja jetzt dann in den vergangenen Monaten, nachdem das bekannt geworden ist, rauf und runter gefeiert worden – in der Presse, im Radio, im Fernsehen –, hat Sie das nicht wankelmütig gemacht, wenn man sieht, wie man so beliebt ist?

Well: Nein, das ist ja leider Gottes die Gründe, warum man auseinandergeht, die waren ja nicht jetzt irgendwie mangelnder Erfolg, sondern die waren einfach darin gelegen, dass wir halt … Also ich wollte ganz gern schon seit Jahren ein neues Programm machen, weil irgendwann einmal erstarrt man halt ein bisserl auf der Bühne, wenn man was zu lange macht, und wenn zu wenig Neues dazukommt, dann ist man halt irgendwann einmal – hab ich das Gefühl gehabt, ich werde zum Papagei. Also ich sing die alten Lieder zu oft, und es war einfach kein Konsens möglich mit meinen Brüdern, die wollten halt da ums Verrecken nicht, wie man auf Bayrisch sagt. Weder mit Engelszungen noch mit Drohungen ist das gegangen, und dann haben sich meine Brüder dazu entschlossen, dass das einfach dann, dass man aufhört.

Hanselmann: Also Sie sind der, der sozusagen die Bremse gezogen hat?

Well: Nein, ich wollte halt einfach ein neues Programm, aber ich mach immer die Texte, hab immer die Texte gemacht und war für die Inhalte verantwortlich. Ich hab mit dem Gerhard Polt einmal … Wir haben uns getroffen dann, wenn wir fürs Theater ein neues Stück gemacht haben, und ich hab dann die Lieder gemacht, der Polt hat seine Sketche gemacht, seine Nummern gemacht. Und das wollte ich mit meinen Brüdern mal machen für uns, also dass man nur als Biermösl Blosn was macht, einfach um sich zu erneuern, weil sich ja die Politik in Bayern verändert hat und auch die gesellschaftlichen Verhältnisse.

Man muss einfach drauf eingehen, sonst - irgendwann - ist man einfach dann sonst draußen. Und unser Markenzeichen war, glaube ich, immer, dass wir wirklich akut waren, dass wir wirklich auf der Höhe der Zeit waren. Und das war meiner Meinung nach schon massiv in Gefahr. Also man muss einfach zum Beispiel eingehen darauf, dass die CSU inzwischen nicht mehr allein regiert, nach 46 Jahren, sondern mit zugegebenermaßen also Untoten von der FDP, also einem kleinen Haufen von Zombies, die noch politisch kaum mehr am Leben sind, aber doch immer noch mit regieren.

Und dann ist inzwischen einfach so was Massives wie der Bayrische Rundfunk ist aus der CSU ausgetreten. Die CSU ist aus der Atomkraft ausgetreten. Die haben sich dermaßen schnell gewendet, dass man Ohu 1 durch die Dreh- und Wendeenergie sofort abschalten hat können. Also die Verhältnisse sind einfach anders wie vor zwei, drei Jahren noch.

Hanselmann: Es gibt ja die Biermösl Blosn immerhin schon 35 Jahre. Sie haben jetzt schon so zwei, drei Themen angedeutet, wo man hätte aktuell reagieren müssen. Sie waren ja immer eine Provokation für die jeweilige bayrische Regierung und das konservative Bayern allgemein. Sind Sie mehr oder weniger überflüssig vielleicht geworden?

Well: Das glaube ich nicht, weil ich glaube, wenn man sieht, zum Beispiel Gräfenberg, die Rechtsradikalen, die da jedes Jahr aufmarschieren, vom Innenminister, vom bayrischen, Hermann, werden nicht die Rechtsradikalen, die Neonazis angezeigt, sondern die Gegendemonstranten, dann gibt es natürlich so was – die Isental-Autobahn wird nichtsdestotrotz gebaut. Ich glaube, im Jahr wird in Bayern die Fläche vom Chiemsee zubetoniert und asphaltiert, die Dörfer und die Landschaft in Bayern ändert sich massiv in ein Gewerbemischgebiet – also überall diese Scheißlagerhallen, diese globalisierte Bauweise, die von Südafrika bis Norwegen und von San Francisco bis Sibirien gleich ist, die macht sich in Bayern breit.

Und eigentlich, also an Themen mangelt es überhaupt nicht, in keinster Weise. Und ich glaube, man hätte die Augen wieder gut aufmachen müssen und schauen, wo sind die Brennpunkte und wo rentiert sich, dass man genauer hinschaut. Zum Beispiel die Startbahn 3 ist deswegen nicht vom Tisch, auch wenn es verschoben ist. Und das sind Themen, die die Leute, die die Menschen in Bayern nach wie vor interessieren, glaube ich, und mich auch.

Hanselmann: Wenn Sie an Ihr vergangenes Repertoire denken, wo würden Sie sagen, dagegen hab ich schon immer angesungen und das hat auch wirklich was gebracht?

Well: Jetzt wäre es vermessen, wenn ich sagen täte, Wackersdorf ist nicht gebaut worden und die Atomkraft ist der Ausstieg. Ich glaube, das ist eher dem Fukushima geschuldet und weniger der Vernunft. Politik hat vielleicht in unserem Programm so 30 Prozent ausgemacht, so irgendwelche politischen Geschichten, die anderen waren ja einfach die Lust am Spielen, an der schönen Musik und an den witzigen Liedern und an den Wortspielen und so weiter.

Aber was wirklich fast eine Gnade war, dass man das können hat, das war, man hat sich immer äußern können, und man hat das auf eine witzige Art gemacht, man hat spotten können über irgendwelche Deppen in der Regierung, über die Söders dieser Republik, und es war eigentlich einfach immer schön, dass man die Freiheit gehabt hat, so was zu machen. Das war für uns toll. Und dass wir natürlich Bürgerinitiativen unterstützen noch können gegen irgendwelche Umgehungsstraßen, also irgendwelche Minderheiten, die eigentlich von dem Inhalt, den sie vertreten haben, wirklich mehrheitsfähig waren, aber nicht wirklich waren, also unserer Meinung nach, wo es absolut wichtig, dass man sie unterstützt.

Und man hat denen erstens Geld reingespielt bei Veranstaltungen und zweitens Öffentlichkeit verschafft und drittens einfach moralisch Hilfe geben können, hier zum Beispiel der Initiative gegen die Autobahn durchs Isental. Das ist ein Tal, das in der Nähe Münchens liegt und das ein enges Tal ist und das dann auch kein Tal mehr ist, sondern eine Autobahn.

Hanselmann: Ihr Freund Gerhard Polt, der berühmte bayrische Kabarettist, den Sie ja eben auch schon genannt haben, hat über Ihre Trennung gesagt: Sie leben, sind gesund, frühstücken jeden Tag, essen Mittag und Abend, sie sind also voll beschäftigt. Das stimmt nicht ganz, Sie beschäftigen sich noch mit anderen Dingen, das haben Sie gesagt. Sie machen weiter mit Ihren Kindern – was machen Ihre Brüder?

Well: Meine Brüder machen mit den Schwestern weiter, die bleiben also voll in der Familie, und die Mutter macht, glaube ich, auch noch mit, die macht halt so einen musikalischen Abend. Ich will halt ganz gern das weitermachen, was ich bis jetzt gemacht habe, weil ich das Gefühl habe, dass das eine Möglichkeit ist, die man sich da erarbeitet hat und erspielt hat, die einfach bestimmte Haltungen, die man nach wie vor vertritt, dies durchaus Wert ist, dass man es weitermacht.

Hanselmann: Herr Well, wie eng ist eigentlich der Zusammenhalt der Familie Well an Ihrem Heimatort Ascholding, also leben alle Brüder, Schwestern, Kinder und so weiter mehr oder weniger auf einem Hof oder wie muss ich mir das vorstellen?

Well: Nein, nein, in Ascholding wohnt bloß der Michael. Wir kommen alle aus Günzlhofen, und unser Vater war dort Dorfschullehrer, dem die Musik immer sehr wichtig war und Musikunterricht mindestens so wichtig wie Mathematik oder Deutsch. Also wer ein Analphabet war, hat trotzdem, wenn er gut gesungen hat, beim Vater noch gute Chancen in Deutsch gehabt. Und dadurch war man halt geprägt, und da wohnt halt meine Mutter noch und ein Teil von den Geschwistern, und ich wohne da in der Nähe vom Ammersee, zwei Kilometer weg, und der Michael in Ascholding und der Stopherl in München.

Hanselmann: Wenn wir hier schon so eine Art Abschiedsgespräch führen, dann möchte ich Ihnen eine Frage stellen, die mich als Exbayern und auch langjährigen Berliner interessiert: Biermösl Blosn, können Sie sich an die Situation erinnern, als Sie diesen Namen gewählt haben?

Well: Ja, damals haben wir überhaupt nicht gewusst, wie wir uns nennen sollen. Also ich war so, ich glaube, 21, der Stopherl war 14 und der Michael war 15, 16, und unser Kreisheimatpfleger, der jetzige, der Drexl-Toni, der war eigentlich damals gesellschaftlich vollkommen out, weil er Juso war. Und damals haben wir uns nach dem Biermoos benannt, und damals war das Biermoos bedroht hat als Rangierbahnhof oder man wollte es wahlweise noch einen Großflughafen hinbauen, der jetzt in Erding ist, in Freising. Und das Dritte war, glaube ich, eine Mülldeponie. Also alles, weil da hat man gesagt, da ist ein Moos, ein Moor, und eigentlich, was macht man mit dem, das kann man landwirtschaftlich nicht nutzen, dann klatschen wir halt einfach so was rein.

Hanselmann: Zubetonieren.

Well: Und da in der Zeit haben wir uns danach benannt, und das war uns immer irgendwie inhaltlicher Ansporn, dass man sich gegen Umweltzerstörung engagiert.

Hanselmann: Also korrekt heißt es Biermoos- oder Bärenmoos-Clique übersetzt, und es gab niemanden, der in dieser Gründungsphase Einspruch erhoben hat, weil es doch in einigen Gegenden Deutschlands als durchaus anstößig verstanden werden kann?

Well: Nein, nein. Also Blosn heißt Clique, und das Bier- oder Bärenmoos, das ist ein Mösel, also das ist ein kleines Moor, und die Blosn ist eine Clique. Aber natürlich haben wir damals gar nicht gedacht, dass wir mal nach Berlin kommen. Dass wir in Berlin oder Hamburg einmal spielen, das ist so weit weg gewesen.

Hanselmann: Also Sie haben nie gedacht, dass Sie in Gegenden spielen, wo man das falsch verstehen könnte?

Well: Nein, wir haben ja nie gemeint, dass wir damit Geld verdienen. Ist kein anständiger Beruf eigentlich, so war unsere Einstellung damals noch. Wenn die Veranstalter gefragt haben, was kriegt ihr denn, dann hat der Vater gesagt, das Benzingeld und vielleicht ne Brotzeit. Gott, das war eine 17-köpfige Familie, dann ist die Brotzeit schon ins Geld gegangen, besonders wo wir so ausgehungert waren damals.

Hanselmann: Herr Well, ich wünsche Ihnen ganz viel Erfolg für die Zukunft und viel Freude bei den beiden Abschiedskonzerten der Biermösl Blosn heute und morgen in Fürth. Machen Sie es gut, tschüss!

Well: Danke sehr, servus!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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