Iran, Venezuela, Kuba

Trotz Coronakrise gelten die Sanktionen

27:28 Minuten
Im grössten Einkausfszentrum in Teheran, der "Iranmall", ist ein Krankenhaus für Coronapatienten entstanden. Hier wird eine Patientin von einer Krankenpflegerin versorgt. Beide tragen Kopftuch und Mundschutz. Teheran, 30. März 2020, Iran.
Die Sanktionen treffen den schwer von der Coronokrise gebeutelten Iran besonders schwer. © Getty / Anadolu Agency / Fatemeh Bahrami
Von Karin Senz, Anne-Kathrin Mellmann, Jonathan Hackenbroich  · 31.03.2020
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Medikamente und medizinisches Gerät sind derzeit überlebenswichtig. Dennoch ist die Bevölkerung in Iran, Venezuela oder Kuba davon abgeschnitten. Die Sanktionspolitik der USA verhindert den internationalen Handel. Nur China beugt sich nicht.
"Solange ich Präsident der Vereinigten Staaten bin, wird dem Iran niemals erlaubt sein, eine Atomwaffe zu besitzen. Während wir weitere Möglichkeiten abwägen, wie wir auf die iranische Aggression reagieren, erlassen die Vereinigten Staaten zusätzliche Wirtschaftssanktionen als Strafe für das iranische Regime ein. Diese harten Sanktionen bleiben, bis der Iran sein Verhalten ändert."
So US-Präsident Donald Trump Anfang des Jahres. Aber er ist bei weitem nicht der erste Präsident, der gegen den Iran Sanktionen verhängt. Schon Jimmy Carter bestraft das Land auf diese Weise für die Geiselnahme in der US-Botschaft in Teheran 1979/80: Er verbietet unter anderem Importe von Erdöl, lässt iranisches Guthaben auf US-Banken einfrieren und stoppt Finanztransaktionen – Instrumente, derer sich Trump Jahrzehnte später wieder bedient. Schon Carters Nachfolger Ronald Reagan erklärt den Iran zum Sponsor des internationalen Terrorismus. Trump nutzt heute ähnliche Formulierungen. Unter Reagan beziehen sich die Sanktionen auch auf militärische Güter. George W. Bush wirft dem Iran schließlich vor, nach Massenvernichtungswaffen zu streben:
"Und er exportiert Terrorismus, während eine paar wenige, die nicht gewählt wurden, die Hoffnung der Menschen auf Freiheit unterdrücken. Solche Staaten und ihre terroristischen Verbündeten bilden eine Achse des Bösen."

Es leiden die Menschen, nicht das Regime

Die Menschen im Iran leiden allerdings nicht nur unter dem eigenen Regime. Der Musiker Maziyar erzählt:
"Ich kann meine Software nicht updaten. Und die Preise für ausländisches Equipment sind hoch, auch wenn ich es 50 Prozent billiger kriege. Eine Lösung wäre, für Kunden im Ausland zu arbeiten. Das wäre vielleicht auch für sie interessant, weil die Kosten im Iran für sie niedriger sind als woanders."
Aber auch das ist nicht so einfach. Wie soll ihn eine ausländische Firma bezahlen? Als Trump 2018 aus dem Atomabkommen aussteigt, erlässt er eine Sanktion nach der anderen, gegen internationale Finanztransaktionen. Eine ausländische Firma kann nicht einfach Geld auf ein Konto im Iran überweisen. Der Musikproduzent und Konzertveranstalter Ramin erklärt, was das für sein Geschäft bedeutet:
"Wir haben Vertrieb im Ausland und wir müssen dann CDs verkaufen, wir müssen unsere Musik auf Spotify verkaufen und die Einnahmen kommen wegen der Banksanktionen nicht direkt zu uns. Manchmal werden die blockiert. Manchmal müssen sie dann ein Umweg fahren, bis das Geld auf unserem Konto landet. Und da verlieren wir auch viele Kommission Prozente."

Ohne Narkosemittel beim Zahnarzt

Aydin und seine Frau Mehsa gehören zur gut situierten Gesellschaft in Teheran, müssen keine Existenzängste haben. Die beiden haben eine schicke Wohnung in Teheran mit neuen Möbeln und mehreren Fernsehern. Das alles im 9. Stock mit Aussicht. Aber die Aussicht ist trüb, findet Aydin:
"Früher ging es zum Beispiel auf Partys ziemlich luxuriös zu. Das ist vorbei. Aber vor gut zwei Jahren kriegte man noch Steaks, Shrimps und eine ganze Auswahl an ausländischen Drinks serviert, jetzt nicht mehr."
Klingt nach Luxusproblemen. Aydin hat aber auch in seinem Job als Zahnarzt maßgebliche Probleme:
"Ich kann noch nicht sagen, dass ich weniger verdiene, auch wenn sich die Lage verschlechtert. Aber es passiert immer öfter, dass es Probleme gibt, an zahnmedizinisches Material und Medikamente zu kommen. Ich musste zum Beispiel auf Narkosemittel warten. Jeder Arzt kriegt nur alle zwei Wochen drei Pakete davon. Die sind subventioniert. Auf dem freien Markt kostet das Mittel das Fünffache."
Er und seine Frau ziehen ihre Konsequenzen, sie wandern nach Kanada aus. Der Braindrain aus dem Iran ist immens.
Vier Menschen aus der Krankenpflege in Schutzanzügen halten Schilder hoch: "Bitte bleibt zu Hause! Wir sind für Euch da!" 21.März, Teheran, Iran.
Einkaufszentren werden zu Krankenhäusern im Iran, hier in Teheran© Getty / Anadolu Agency / Fatemeh Bahrami
Medikamente und medizinisches Material ist zwar von den US-Sanktionen ausgenommen. Aber Banken schrecken insgesamt davor zurück, mit dem Iran Geschäfte abzuwickeln. Trumps Strategie des maximalen Drucks wirkt, sagt Soheil Torkan, ein iranischer Wirtschaftsexperte.
"Der Druck ist so groß, dass niemand wagt, sich dagegen aufzulehnen. Die Sanktionen selbst sind vielleicht nicht so viel anders als in der Vergangenheit, aber der Druck, den sie auf den Iran ausüben, ist weitaus größer. Wie Sanktionen umgesetzt werden, ist wichtiger als die Sanktionen selbst. Die iranische Wirtschaft ist praktisch gelähmt, weil Handel mit anderen Ländern praktisch unmöglich geworden ist."

Deutsche Firmen haben sich zurückgezogen

Früher gab es immer Möglichkeiten, trotz der Sanktionen Geschäfte beispielsweise über Dubai, Südkorea, Indien oder die Türkei abzuwickeln. In den vergangenen 40 Jahren findet der Iran immer Lösungen. Aber diesmal nicht. Das Virus trifft den Iran besonders hart.
Dagmar von Bohnstein ist die Delegierte der deutschen Wirtschaft im Iran. Ihre Aufgabe ist es unter anderem deutsche Firmen bei Iran-Geschäften zu beraten. 2016, nachdem der Atomdeal geschlossen worden war, war man von rund 100 im Land ausgegangen. Jetzt seien noch etwa zwei Dutzend übrig.
"Die Firmen reduzieren schrittweise ihr Engagement hier. Aber sie geben es auf keinen Fall auf, um nach Ende der Sanktionen hier wieder ordentlich aktiv werden zu können."
Denn die Konkurrenz schläft nicht.
"Es ist tatsächlich so, dass China ernstzunehmender Wettbewerber ist, gerade für die deutschen Maschinenbauer natürlich und auch das Land hier nicht müde wird in der Öffentlichkeitzu bekunden, dass es sich nach Osten ausrichten wird, zunehmend. Aber ich bin wirklich sehr zuversichtlich, dass sobald die Sanktionen beendet sind und die deutsche Wirtschaft wieder die Option hat, in dieses Land zurückzukehren, dass dann der Markt auch die deutschen Produkte mit Vorliebe wieder aufnimmt."
Es sieht nicht danach aus, dass all das bald kommt. Erst vor Kurzem weist der Oberste Führer Ajatollah Chamenei Hilfe, die die USA in der Corona-Krise angeboten haben, zurück. Er wirft ihnen sogar vor, das Virus selbst hergestellt und verbreitet zu haben, um Feinde wie China und den Iran zu schwächen.
Manoucher ist einer von vielen Iranern, die wegen der Politik in Teheran und Washington jeden Tag um ihre Existenz kämpfen müssen. Er putzt Büros, um sich und seine Familie irgendwie über Wasser zu halten. Trotzdem hat er sich einen Traum bewahrt:
"Das Schönste wäre, wenn ich morgens aufwachen würde und im Fernsehen heißt es, es gibt keinen Krieg. Wir haben uns mit den USA geeinigt und morgen sind alle Probleme gelöst. Das erste was ich machen würde, wäre, ich würde rausgehen und mich einfach freuen, endlich wieder Energie haben, weil die Sanktionen weg sind."

Außerdem in der Sendung:

Kuba - das längste Embargo der Welt

Seit 60 Jahren wird Kuba von den USA mit Sanktionen belegt – erfolglos. Allerdings sieht es auf der Insel derzeit trübe aus. Nach nur wenigen Boomjahren ist es ruhig geworden in Havannas Altstadt. Zu ruhig für Yuneisy Dueñas, die innerhalb des Spazier-Radius der Kreuzfahrttouristen einen Souvenirladen betreibt:
"Als die Kreuzfahrtschiffe noch kamen, wurde viel mehr verkauft. Unsere wirtschaftliche Situation hatte sich dadurch verbessert. Jetzt ist unsere Entwicklung unterbrochen. Es geht praktisch nicht mehr voran. Alle Kubaner sind von der Veränderung betroffen."
Kreuzfahrtschiffe legen seit dem Sommer wegen der verschärften US-Sanktionen nur noch selten an. US-Fluggesellschaften dürfen als einzige kubanische Stadt Havanna anfliegen. Aber der härteste Schlag gegen die wichtige Devisenquelle Tourismus ist das Verbot für US-Bürger, auf die Karibikinsel zu reisen. Den Politikwechsel spüren vor allem die vielen Privatleute, die in den vergangenen Jahren mit der Zimmervermietung an US-Amerikaner ein Geschäft gemacht haben. Möglich geworden war das durch die Annäherungspolitik der früheren Präsidenten Barack Obama und Raúl Castro. Schrittweise lockerte Obama das längste Embargo der Geschichte.

Sanktionen hier, Enteignungen dort

Erste Wirtschafts- und Handelssanktionen hatten die USA nach der kubanischen Revolution verhängt. Ab 1960 reagierten sie auf den linken Umsturz auf der Insel vor ihrer Haustür mit dem ersten harten Schlag und kauften ihr keinen Zucker mehr ab. Kubas Haupt-Exportprodukt ging daraufhin in die Sowjetunion, die auch dadurch mehr und mehr zum Verbündeten wurde, 1961 schwor Revolutionsführer Fidel Castro schließlich auf den Sozialismus.
In den Jahren nach der Revolution verschlechterten sich die Beziehungen zu den USA täglich. Jede Enteignung auf der Insel zog neue Sanktionen nach sich. Als sich der Kalte Krieg zuspitzte, weitete US-Präsident Kennedy 1962 die Handelsbeschränkungen per Präsidentenerlass aus – allerdings nicht, ohne sich vorher noch mit kubanischen Zigarren einzudecken. Spätere Präsidenten lockerten das Embargo, verschärften es wieder und betonierten es 1996 in einem Gesetz – alles jedoch ohne den gewünschten Erfolg. In Havanna regierte weiterhin Fidel Castro. Es ist dieses Gesetz, das Donald Trump heute als Grundlage für die Daumenschrauben dient. Gleich nach seinem Amtsantritt kündigte er unter dem Jubel der Exil-Kubaner in Miami an, seine Regierung werde sich im Gegensatz zu Vorgänger Barack Obama wieder an das Gesetz halten.
"Wir werden die Sanktionen nicht aufheben, bis nicht alle politischen Gefangenen frei sind, bis nicht Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit respektiert werden, alle politischen Parteien legalisiert sind und es freie Wahlen unter internationaler Aufsicht gibt."

Auch Europäer auf Kuba sind betroffen

Donald Trump hat die Uhr zurück gedreht und die Embargoregelungen sogar zur Blockade verschärft. Der Helms-Burton-Act aus dem Jahr 1996 wurde in vielen Punkten nie umgesetzt – Trump hat es getan. So wurden zum Beispiel seit Mai 2019 vor US-Gerichten viele Klagen gegen europäische Unternehmen erhoben, die auf Kuba enteignete Grundstücke oder Gebäude nutzen. Darunter ist die spanische Melia-Hotelkette, die dort 35 Hotels betreibt. Einigen ihrer Führungskräfte wurde sogar die Einreise in die USA verweigert. Weiterhin gibt es Klagen gegen Expedia, Booking und Trivago. Es gehe darum, Investoren abzuschrecken, meint der EU-Botschafter in Havanna, Alberto Navarro.
"Fast jede Woche denkt sich die Trump-Regierung - von den Medien so gut wie unbemerkt - neue Kuba-Sanktionen aus. Kreuzfahrtschiffe dürfen nicht mehr kommen. Ihre tausenden Passagiere haben Taxifahrern und Restaurants Arbeit gebracht. US-Touristen dürfen überall hin reisen, nur nicht mehr nach Kuba. Die Sanktionen sollen größtmöglichen Schaden anrichten. Das Land soll untergehen, seine Wirtschaft ersticken."
Aber Kuba lässt sich nicht vom sozialistischen Weg abbringen.
Estrella Matamoros, die in Havanna wertvolle Devisen mit Zimmervermietung verdient, hat wegen der ausbleibenden Touristen ihre Preise gesenkt. Das Gesetz von Angebot und Nachfrage funktioniere auch im kubanischen Sozialismus.
"Der nordamerikanische Imperialismus ist für unsere Situation verantwortlich. Wir können viele Dinge nicht mehr kaufen, die wir für unsere Versorgung brauchen. Aber alles wird ein gutes Ende nehmen, denn Imperien gehen früher oder später unter. Die USA haben auch wirtschaftliche Probleme und einen Verrückten, der sie regiert. Kuba überlebt immer. Das haben wir 60 Jahre lang bewiesen."
Regelmäßig verurteilt die UN-Vollversammlung das Embargo als überkommen und ungerecht. Regelmäßig stimmen nur zwei dagegen, Israel und die USA, die die Entschließung als Zeitverschwendung abtun. Zuletzt schlug sich auch Brasilien auf die Seite der USA. Wozu ein Embargo, das seit 60 Jahren nicht den gewünschten Effekt erzielt? Günter Maihold, Lateinamerikaexperte der Stiftung für Wissenschaft und Politik sieht vor allem Trumps Innenpolitik als Grund für die verschärften Kuba-Sanktionen.
"Es geht darum, sich die Stimmen des kubanischen Exils zu sichern, das sich in Florida wieder neu konstituiert hat. Da Florida ein wichtiger Swing-State ist, hat Trump hier einen Schwerpunkt gesetzt und versucht das Votum bei der nächsten Wahl sicherzustellen. Kuba ist insofern eine übliche Projektionsfläche dieser Interessen, ohne dass davon ausgegangen werden kann, dass dies zu einem Umbruch im System führen könnte. Das wird auch selbst in den Kreisen des State Department nicht so gesehen."

Der gemeinsame Feind schweißt zusammen

Sanktionen seien das zentrale außenpolitische Instrument dieser Regierung, so Maihold. Das bekommt auch Venezuela zu spüren. Der wichtige Verbündete Kubas kann kaum noch Öl auf die Karibikinsel schicken. Kuba leidet doppelt unter dem Sanktionsregime und es trifft – wie immer – vor allem die Bevölkerung. Das seit 60 Jahren bestehende Embargo diente der Parteiführung stets als Rechtfertigung der schlechten wirtschaftlichen Lage. Ein ganzes Volk ist dadurch in den Dauerausnahmezustand versetzt und wähnt sich in einer Art Krieg gegen den Feind USA. Allerdings leisten auch Zentralismus, Ineffizienz und Planwirtschaft ihren Beitrag zur wirtschaftlichen Misere. Der kubanische Wirtschaftswissenschaftler Omar Everleny spricht von einer internen Blockade:
"Zweifellos bedeutet die Blockade für die kubanische Bevölkerung, dass es an Dingen fehlt, die es gäbe, wenn die Beziehungen zu den USA gut wären. Aber wir leben seit Jahrzehnten mit dem Embargo und auch wenn die UN jedes Mal dagegen stimmen, können wir nichts daran ändern. Aber wir können an unserer 'internen Blockade' arbeiten. Angesichts des niedrigen Wirtschaftswachstums müssen wir unsere Produktion erhöhen, damit Devisen ins Land kommen. Aber dafür müssten wir Raum für kleine und mittelständische Unternehmen und den aufkeimenden Privatsektor schaffen. Es gibt viele Maßnahmen, die nicht getroffen werden, obwohl sie wichtig wären. Wenn man sich selbst einschränkt, blockiert man sich."
Eine Embargo-Bedingung ist inzwischen entfallen: In Kuba regieren keine Castros mehr. Fidel ist 2016 verstorben und sein Bruder und Nachfolger Raúl hat das Präsidentenamt vor zwei Jahren an Miguel Diaz-Canel übergeben. Der steht für Kontinuität und das bedeutet: Auch seine Regierung wird sich dem Sanktionsdruck nicht beugen.