Iran und USA

Der explosive Konflikt

26:50 Minuten
Trauermarsch und Protest gegen die USA am 6. Januar in Teheran.
Trauermarsch für den getöteten General Soleimani und Protest gegen die USA am 6. Januar in Teheran. © picture alliance/pda/Saeid Zareian
Moderation: Margarete Wohlan · 09.01.2020
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Die Tötung des iranischen Generals Soleimani hat die Situation im Nahen Osten noch komplizierter gemacht, als sie schon ist. Die USA haben die Auswirkungen wohl falsch eingeschätzt, so wächst die Sorge um eine weitere Eskalation in der Region.
Die Gefahr einer Eskalation in der Nahost-Region steigt. Als Reaktion auf die gezielte Tötung des einflussreichen Generals Soleimani durch das US-Militär hat der Iran die US-Streitkräfte als "Terroristen" eingestuft. Das iranische Parlament hat das Budget für die Auslandseinsätze der zuständigen Al-Kuds-Brigaden erhöht. Das irakische Parlament hat die Regierung aufgefordert, alle ausländischen Truppen des Landes zu verweisen.

Gegenseitige Warnungen und drohende Kriegsgefahr

Die aufgeheizte Stimmung sowohl im Iran als auch im Irak hat sich zwar etwas beruhigt, aber die Kriegsgefahr ist nach wie vor da. Es muss nicht zu einer ultimativen Zuspitzung im Konflikt zwischen den USA und dem Iran kommen. Aber wohin kann die Eskalation im Konflikt zwischen Iran, Irak und USA im schlimmsten Fall führen? Wie kommt es, dass die früheren Erzfeinde Iran und Irak vereint gegen die USA vorgehen? Gibt es ein Macht-Vakuum im Irak? Wie lange noch werden die Republikaner im Kongress dem Treiben ihres Präsidenten tatenlos zuschauen?


Der Anschlag auf Soleimani und auf den ebenfalls getöteten irakischen Milizenführer Abdul Mahdi Al-Muhandis hat bewirkt, was der Iran schon seit langem vergeblich anstrebt: die politische Einigung der irakischen Schiiten gegen den US-amerikanischen Einfluss im Land. Vor dem 3. Januar – also vor dem Tod des iranischen Generals Soleinmani – gab es bereits seit Monaten massive Proteste gegen Korruption, Armut, das politische System und vor allem gegen den zu großen Einfluss des Iran.
Das geistliche und staatliche Oberhaupt des Irans, Ajatollah Ali Chamenei (4.v.r.), trauert mit anderen am 6. Januar vor dem Sarg des getöteten Generals Qasem Soleimani.
Das geistliche und staatliche Oberhaupt des Irans, Ajatollah Ali Chamenei (4.v.r.), trauert mit anderen am 6. Januar vor dem Sarg des getöteten Generals Qasem Soleimani.© imago images/ZUMA Press/Iranian Supreme Leader's Office
Das ist nun Vergangenheit. Auf den Straßen der Protesthochburgen herrscht ein Klima der Angst und des Misstrauens. Es traut sich kaum noch jemand, die iranische Rolle im Irak zu kritisieren, um nicht als Verräter gebrandmarkt zu werden. Das heißt aber nicht, dass alle Iraker die Tötung des Generals auch wirklich verurteilen.

Handlungsspielraum der USA ist stark eingeschränkt

Gegenpol zum massiven iranischen Einfluss im Irak war seit 2003 die USA, deren Handlungsspielraum in Irak nun stark eingeschränkt ist. Das sorgt bei den irakischen Sunniten und Kurden für Besorgnis. Im Iran selbst stabilisiert die völkerrechtswidrige Tötung des "Volkshelden" Soleimani das Regime. Die Hardliner dort bekommen, was sie schon lange wollen: den zumindest vorläufigen Ausstieg des Iran aus dem Atomabkommen und die bereits verkündete Wiederaufnahme der Urananreicherung.

Tim Petschulat, von der Friedrich-Ebert-Stiftung, war acht Jahre lang in der Region unterwegs, darunter Beirut, Damaskus, Jerusalem und Ramallah. Zurzeit leitet er das Stiftungsbüro in Jordanien, ein Nachbarland des Irak.

Wir sprechen mit ihm über die aktuellen Entwicklungen: Wie kommt es, dass die früheren Erzfeinde Iran und Irak vereint gegen die USA vorgehen? Ist die Situation und die Stimmung in beiden Ländern ähnlich und vergleichbar?


Und sind die drohenden Gebärden gegen die USA ein Beispiel dafür, wie mächtig der Iran in der Region mittlerweile ist?
US-Präsident Donald Trump (r) mit seinem Sicherheitsteam am 7. Januar im abhörsicheren sogenannten Situation Room im Weißen Haus. Mehrere Männer und eine Frau sitzen an einem Tisch.
US-Präsident Donald Trump (r) mit seinem Sicherheitsteam am 7. Januar im abhörsicheren sogenannten Situation Room im Weißen Haus. © imago images/ZUMA Press/Shealah Craighead/White House

Es gibt aber auch zahlreiche Menschen im Irak, die sich über den Tod Soleimanis freuen, wie Charlotte Bruneau aus Bagdad berichtet.

Sie hat mit dem 28-jährigen Arzt Jaafar gesprochen, der Ende Oktober 2019 seine Stelle in einem Krankenhaus der irakischen Hauptstadt aufgegeben hatte, um an den Anti-Regierungs-Protesten am Tahrir Platz teilzunehmen. Am 3. Januar 2020 waren dort auch wieder regierungskritische Demonstranten versammelt. Der US-amerikanische Drohnenangriff markiert für die Aktivisten die Eskalation des Konfliktes zwischen den USA und dem Iran auf irakischem Boden. Eine verheerende Entwicklung für ihr Anliegen, so Jaafar.
"Der Tod Kassem Soleimanis schadet unserer Sache sehr, dadurch, dass die Medien uns weniger Aufmerksamkeit schenken. Sie reden nur noch über den Krieg zwischen den USA und dem Iran, über Luftangriffe, Raketen, über Militärstützpunkte und Botschaften. Am Dienstagabend wurden Anti-Regierungs-Aktivisten in der südlichen Stadt Nasriya von Anhängern der pro-iranischen Hasched-al-Schaabi-Milizen angegriffen, sie haben mit scharfer Munition geschossen. Keiner hat darüber berichtet!"

Seit Monaten Proteste gegen den iranischen Einfluss

Die Proteste gegen Korruption, gegen das politische System und gegen den zu großen Einfluss des Iran auf den Irak laufen seit dem 1. Oktober – und haben schon über 500 Tote unter den Demonstranten gefordert. Sie beschuldigen nicht nur die Regierung, sondern auch die pro-iranischen Milizen Hasched-al-Schaabi, die Proteste brutal zu unterdrücken.


Die Gesellschaft im Irak bleibt gespalten über den Tod Soleimanis, der in Kerbala Massen von Trauernden auf die Straße rief.
Trauernde umgeben Autos, die die Särge des erschlagenen irakischen Paramilitärchefs Abu Mahdi al-Muhandis, des iranischen Militärkommandanten Qasem Soleimani und acht Anderer.
Tausende Iraker demonstrierten am 3. Januar in Kerbala gegen die USA und den Tod des iranischen Generals Soleimani. © AFP/ Mohammed Sawaf
"Letztlich hoffen wir, dass die jetzigen Proteste nicht eine ganz neue Richtung einschlagen werden. Eine Richtung, die unwichtig ist für das irakische Volk. Wenn die USA und der Iran kämpfen wollen, dann sollen sie das bei sich tun, nicht hier. Wir haben genug gelitten in den letzten Jahren! Heute sind unsere Probleme die Armut und der Mangel an staatliche Dienstleistungen".
Die Aktivisten wollen nicht, dass ihre Forderungen vergessen werden und hoffen, dass die bei den Menschen immer noch populäre Bewegung die Ambitionen der regionalen Großmächte überleben wird.

Die aktuellen Entwicklungen im Iran und Irak haben auch Auswirkungen in Kalifornien, wo 40 Prozent der gesamten US-Iranischen Bevölkerung leben, berichtet Kerstin Zilm.

So leben in Kalifornien 40 Prozent der gesamten US-Iranischen Bevölkerung. Laut statistischem Bundesamt der USA wohnen allein in Los Angeles fast 90.000 Menschen mit iranischer Herkunft. Aus vereinzelten Enklaven iranischer Kultur, die sich in den 60er-Jahren bildeten, wurde eine starke Gemeinde, die sich selbst ‘Tehrangeles’ nennt.
Unmittelbar nach der Tötung von General Soleimani gingen auch in Los Angeles US-Iraner spontan auf die Straßen. Sie demonstrierten für und gegen die Entscheidung von Präsident Donald Trump. Über die Eskalation im Nahen Osten will aber kaum jemand sprechen. Manche haben Angst vor Konsequenzen, wenn sie ihre Familie im Iran besuchen. Andere sagen, sie wollten niemanden beleidigen. Wieder andere sind zu wütend und unglücklich über Präsident Trumps Entscheidung, um darüber zu reden.

Freude über Soleimanis Tod

Einer der wenigen, der offen redet, ist Todd Khodadadi, Besitzer eines Delikatessenladens. Seine Familie floh vor 30 Jahren aus dem Iran. Sie sind Bahai, wurden wegen ihrer Religion verfolgt, konnten nicht zur Schule gehen oder studieren. Damals war Khodadi ein Teenager. Er ist froh, dass Soleimani tot ist. Wer über den Tod des Generals trauere, der Tausende Menschen ermordet und eingeschüchtert habe, sei vom Regime im Iran manipuliert. Die junge Generation im Iran werde die Führer stürzen. Von Verhandlungen mit Teheran hält der Geschäftsmann nichts.


So unterschiedlich auch Meinungen sind in diesem Stadtteil von Los Angeles, alle seien noch sehr verbunden mit dem Iran und wollten dort keinen militärischen Konflikt. Das sagte Maryam Zar, im Iran geborene Anwältin und Leiterin der städtischen Kommission für Frauenrechte dem lokalen Radiosender KCRW:
Protest gegen einen möglichen Krieg der USA gegen den Iran am 8. Januar in New York. Menschen mit Plakaten und Schildern demonstrieren auf dem Time Square.
Protest gegen einen möglichen Krieg der USA gegen den Iran am 8. Januar in New York. © dpa/picture alliance/empics/Frank Franklin II
"Fast alle hier haben Angst vor einem Krieg in unserem Land über Ideologien und geopolitische Konflikte, die wenig mit Zivilisten zu tun haben, die den Preis bezahlen werden."
Sie spürt noch eine weitere Angst in Tehrangeles: Angst vor Diskriminierung in den USA, wie es sie 1979 gegeben habe, zur Zeit der Geiselnahme von US-Diplomaten in der Botschaft von Teheran.
"Wir fühlen normalerweise selten, dass wir anders sind als alle US-Bürger. Ich glaube, das wird sich ändern. Geschäftsleute fürchten, dass manche Kunden nicht mehr kommen und alle machen sich Sorgen, wie man Amerikaner mit iranischer Herkunft dann behandeln wird."
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