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Internationaler Tag gegen Homophobie
Hass auf Schwule und Lesben weltweit immer noch verbreitet

Dass Hass gegen homo- und transsexuelle Menschen noch weit verbreitet ist, wird auch in Deutschland vor allem durch Kommentare im Netz deutlich. In anderen Ländern sehen sich Angehörige sexueller Minderheiten dagegen nicht nur gesellschaftlich, sondern auch staatlich verfolgt. Darauf weisen Menschenrechtler am Internationalen Tag gegen Homophobie hin.

17.05.2016
    Bärtiger geschminkter Mann im Profil vor einer Regenbogenflagge.
    Am internationalen Tag gegen Homophobie haben unter anderem in Potsdam Menschen gegen Benachteiligung demonstriert, hier ein Aktivist der Lesben- und Schwulengruppe "Schwester Dominique". (dpa / Ralf Hirschberger)
    Sie beklagen, dass Homo- und Bisexuelle, Transsexuelle und Transgender-Menschen (LGBT) immer noch in vielen Ländern weltweit mit Anfeindungen, Hass und Gewalt zu kämpfen haben. Dabei kommt die Ablehnung nicht immer nur aus der Gesellschaft, auch viele Staaten stellen andere sexuelle Orientierungen als Heterosexualität unter Strafe.
    Im Libanon haben Aktivisten der Gruppe Helem am Sonntag gefordert, ein Gesetz aufzuheben, in dem Beziehungen von Schwulen, Lesben und Transgender-Menschen als "gegen die Natur" bezeichnet werden. Homosexualität sei keine Krankheit und kein Geschlecht illegal, hieß es auf Plakaten. Die Organisation Helem gilt als wichtigste arabische Gruppe, die sich für LGBT-Rechte einsetzt. Der entsprechende Artikel im Strafgesetzbuch des Libanon sieht Gefängnisstrafen bis zu einem Jahr vor.
    Auch in Ägypten wird Homosexualität gesellschaftlich geächtet. Für viele gilt ein schwuler Mann als Angriff auf das traditionelle Rollenbild des starken Ernährers der Familie. Doch obwohl Homosexualität offiziell nicht strafbar ist, findet die Justiz Wege, gegen Schwule und Lesben vorzugehen, berichtet ARD-Korrespondentin Sabine Rossi aus Kairo.
    Ende April wurden elf junge Männer zu drei bis zwölf Jahren Gefängnis verurteilt – wegen "Ausschweifung" und "Anstachelung zu unsittlichem Verhalten". Diese Paragraphen werden in Ägypten unter anderem gegen Schwule und Lesben herangezogen. Seit Ende 2013 habe es etwa 200 Festnahmen gegeben, berichtet Dalia Abdel Hameed von der "Ägyptischen Initiative für Menschenrechte". Insgesamt sei die Situation unter Präsident Abdel Fattah al-Sisi sogar noch schlechter geworden als sie ohnehin schon war, beklagt sie. Regierung und Präsident würden sich so als Hüter von Moral und Sittlichkeit präsentieren, sagt Hameed. "Die Botschaft ist, dass diese Regierung islamischer ist als die Islamisten, und dass sie Werte verteidigt, die die Islamisten nicht verteidigt haben."
    In Nigeria stehen auf gleichgeschlechtliche Beziehungen sogar zehn bis fünfzehn Jahre Haft. Die Regierung hatte 2014 die Gesetze verschärft. Bereits kurz danach ließ sich eine Verschlechterung der Lage für Homosexuelle nachweisen. Auch in Uganda ist Homosexualität verboten und kann mit mehrjährigen Haftstrafen oder Geldstrafen geahndet werden. Es gilt als eines der homophobsten Länder der Welt, immer wieder gibt es gewalttätige Übergriffe. Zudem wurde 2014 ein Gesetz inkraft gesetzt, dass für einige homosexuelle Handlungen die Todesstrafe vorgesehen hatte. Das wurde inzwischen aber wegen eines Formfehlers annuliert.
    Auch Flüchtlinge betroffen
    Die verbreitete Ablehnung von Schwulen und Lesben in diesen Ländern hat nach Ansicht von Beobachtern auch Auswirkungen auf Deutschland. Viele Flüchtlinge stammen aus Ländern, in denen Homosexualität als unnormal oder als Krankheit gesehen werde. Der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) findet, dass in Sprach- und Integrationskursen auch Homosexualität thematisiert werden sollte; die Politik habe das bisher versäumt.
    Der Berliner LSVD-Landesverband zählt auch Opfer unter den Flüchtlingen. Er fordert, dass der Opferschutz für homosexuelle und transgeschlechtliche Flüchtlinge ausgebaut werden müsse. Im vergangenen Jahr hätten mehr als 130 Flüchtlinge beim LSVD um Hilfe gebeten. Es sei um Bedrohungen, physische Gewalt und sexuelle Übergriffe in Flüchtlingsunterkünften gegangen.
    Doch auch in der deutschen Gesellschaft laufen Betroffene Gefahr, angegriffen zu werden. Das Berliner Beratungsprojekt Maneo zählte im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben 259 Fälle. Wie hoch die tatsächliche Zahl der Angriffe, Raubüberfälle und Beleidigungen von Schwulen, Transsexuellen und Lesben ist, weiß niemand - die Dunkelziffer liegt nach der Einschätzung von Fachleuten weit über den bekannten Zahlen.
    LSVD fordert bessere Aufklärungsarbeit
    Um gegen die Ablehnung von LGBT-Menschen vorzugehen, fordert der LSVD eine "verbesserte Aufklärungsarbeit in Kindergärten und Schulen". Wegen deren Bildungsauftrag "müssen Schwule und Lesben auch in den Lehrplänen und in Schulbüchern vorkommen", sagte Verbandsprecher Markus Ulrich der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
    Insgesamt ist die Situation in westlichen Ländern nicht per se besser. Der US-Bundesstaat North Carolina hatte Transgendern in einem Gesetz vom März 2016 vorgeschrieben, dass sie in öffentlichen Gebäuden nur die Toiletten benutzen dürften, die mit dem Geschlechtsvermerk in ihrer Geburtsurkunde übereinstimmen. Dagegen hatte es lautstarke Proteste und Boykotte gegeben.
    In Kanada will Premierminister Justin Trudeau dagegen die Rechte von homo- und transsexuellen Menschen stärken. Er kündigte am Montag mehr gesetzlichen Schutz an. Trotz aller bislang erreichten Fortschritte gebe es immer noch Fälle von Ungerechtigkeit, sagte Trudeau. Es müsse weiterhin für "wirkliche Gleichstellung" gekämpft werden.
    Der Internationale Tag gegen Homophobie, Transphobie und Biphobie soll Gewalt und Diskriminierung anprangern. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hatte Homosexualität am 17. Mai 1990 von der Liste psychischer Krankheiten gestrichen. Seit 2004 wird der Tag gegen Homophobie begangen, seit 2009 auch gegen Transphobie, seit 2015 gegen Biphobie.
    Transsexuelle und Transgender-Menschen identifizieren sich nicht mit dem Geschlecht, das ihnen nach der Geburt zugewiesen wurde. Während Transsexuelle ihren Körper etwa mit Hormonen oder Operationen dem bevorzugten Geschlecht angleichen wollen, lassen Transgender ihren Körper nicht unbedingt verändern.