Irakisch-deutsches Projekt

Plan B für Beethoven in Bagdad

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Ursprünglich sollte das Goethe-Drama "Egmont" in Bagdad als Bühnenstück aufgeführt werden - nun wird ein Film daraus.
Ursprünglich sollte das Goethe-Drama "Egmont" in Bagdad als Bühnenstück aufgeführt werden – nun wird ein Film daraus. © Mounir S. Abdulmahdi
Von Christina Küfner · 17.12.2020
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Die Regisseurin und Filmemacherin Astrid Vehstedt bereitete ein Kulturprojekt zum Beethoven-Jahr vor – in einem Land, das nicht zuallererst mit Beethoven assoziiert wird, im Irak. Wegen Corona kommt jetzt alles anders als geplant.
Fünf Musiker sitzen in sicheren Abständen auf Plastikstühlen und proben Beethoven. Eine junge Frau mit Kopftuch rezitiert dazu einen Text von Goethe – auf Arabisch.
Astrid Vehstedt sitzt vor ihrem Computer und schaut der Gruppe per Video zu. Gäbe es kein Corona, wäre sie selbst jetzt bei der Probe dabei. Nicht hier in Berlin, sondern 4.500 Kilometer entfernt, in der irakischen Hauptstadt Bagdad. Dort wollte die Regisseurin dieses Jahr nämlich ein ungewöhnliches Kulturprojekt realisieren.
"Der Plan war, Goethes 'Egmont' zusammen mit der Schauspielmusik von Ludwig van Beethoven zum Beethoven-Jahr 2020 mit irakischen Schauspielern und dem irakischen National Symphony Orchestra zusammen auf die Bühne zu bringen."
Beethoven in Bagdad? Wie kommt man denn darauf? Das ist gar nicht so abwegig, wie man vielleicht denkt, erzählt die Regisseurin. Das Symphonie-Orchester des Irak hat Beethovens Musik nämlich fest im Repertoire.
Herausgefunden hat sie das bei einem ihrer vielen Besuche in dem arabischen Land. Astrid Vehstedt hat gute Kontakte in den Irak, unterstützt vom Goethe-Institut hat sie dort schon öfter Workshops gegeben, trotz der angespannten Lage im Land.

Angst vor Bombenanschlägen

"Es ist ein kultureller Dialog, der da stattfindet. Ja, es ist gefährlich. Wir sind bei unserem ersten Workshop nur im gepanzerten Wagen unterwegs gewesen. Das war 2017, da war der IS auch noch aktiv im Land und es gab überall Straßensperren. Man hatte Angst vor Bombenanschlägen und ich bin mit schusssicherer Weste unterwegs gewesen."
Nicht gerade das Umfeld, wo man mal eben ein Stück zum Beethoven-Jahr inszeniert. Der Islamische Staat gilt inzwischen zwar als besiegt, trotzdem ist die Situation im Irak nicht stabil. Kulturprojekte deswegen absagen? Astrid Vehstedt schüttelt den Kopf.
"Nein, weil ich denke, Kulturarbeit ist auch Friedensarbeit. Wir merken ja auch in unserer Arbeit, wie gut das den Menschen dann tut. Dass wir dann irgendwann mal ins Gespräch kommen über die ganzen Tragödien, die sich da abgespielt haben, und die ganzen psychischen Verletzungen. Und man kann ihnen zuhören, und dann ergibt sich durch die künstlerische Arbeit wieder eine neue Ebene."
Kulturarbeit als Friedensarbeit zu verstehen – für Astrid Vehstedt ist dieser Gedanke zentral. Auch andere Projekte waren davon geleitet, zum Beispiel der Dokumentarfilm "Bei uns nichts Neues", für den sie Recherche, Dramaturgie und den Posten als Ausführende Produzentin übernahm. Vehstedt spürt darin dem Schicksal einer jüdischen Familie nach, die einst im selben Berliner Haus lebte wie sie.

Mitgenommen, aber nicht mitgerissen

In Berlin wohnt Astrid Vehstedt schon seit den 80er-Jahren, zwischendurch hat sie eine Weile in Belgien gelebt. Dort hat sie viel inszeniert, Theaterstücke und Opern. Musik ist ohnehin nicht wegzudenken aus ihrem Leben. Fast täglich sitzt sie an ihrem Klavier und spielt eine Stunde. Einen Komponisten liebt sie ganz besonders: Ludwig van Beethoven.
"Beethoven ist für mich eine unglaubliche Klarheit der musikalischen Sprache. Auch eine Aufrichtigkeit, wenn ich das so sagen darf. Immer, wenn ich Beethoven höre, dann fühle ich mich gut, dann fühle ich mich auch frei – mitgenommen, aber nicht mitgerissen."
Die Regisseurin und Filmemacherin Astrid Vehstedt
Corona und Homeoffice können Astrid Vehstedt nicht davon abhalten, ihr Beethoven-Projekt in Bagdad zu realisieren.© Deutschlandradio / Christina Küfner
Wahrscheinlich einer der Gründe, warum Astrid Vehstedt ihr Beethoven-Projekt weiterverfolgt. Aus dem Bühnenstück mit Orchesterbegleitung wird wegen Corona zwar erst mal nichts, doch Astrid Vehstedt hat längst einen Plan B. Sie arbeitet an einem Film. Die Dreharbeiten in Bagdad steuert sie dabei komplett aus Berlin.
"Das läuft alles über Zoom-Konferenzen, ich habe den ganzen Film über Zoom-Konferenz gedreht. Wir haben dort einen ganz wunderbaren Regisseur und Kameramann, der das wunderbar umgesetzt hat. Das heißt, ich habe die Locations ausgesucht und der hat mir dann Probeaufnahmen geschickt – und das war eigentlich ganz schnell immer ein Treffer."

Viele ungeschriebene Bücher

Machbarkeitsdenken, gepaart mit hanseatischer Entspanntheit – damit hat die gebürtige Hamburgerin schon viele Projekte geschaukelt. Und was kommt als Nächstes? Sie habe viele ungeschriebene Bücher im Kopf, erzählt Astrid Vehstedt, die auch gerne schreibt und außerdem Mitglied im Präsidium des PEN-Zentrums ist.
Vorher aber will sie ihren Bagdad-Film schneiden. Das bedeutet noch einmal viele, viele Stunden vor dem PC. Das lang geplante Projekt ist ihr das aber wert.
"Das ist ein Anliegen von uns, dass wir aus dem Irak nicht immer nur Schreckensmeldungen hören, dass jetzt wieder eine Bombe hochgegangen ist. Dass man wirklich mal ein positives Bild eines Landes zeigt, weil es ja auch Menschen gibt, die sich darum bemühen."
Im kommenden Jahr, so hofft Astrid Vehstedt, kann man vielleicht wieder reisen. Dann will sie in den Irak – und in Bagdad das Stück, das sie zum Beethoven-Jahr inszeniert hat, doch noch auf die Bühne bringen.
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