Intransparenter Geldsegen

Bußgelder und ihre fragwürdige Verteilung

Blick von der Rückbank auf den Fahrer eines Autos, der ein Mobiltelefon in der rechten Hand hat.
An welche Einrichtungen Bußgelder verteilt werden, entscheidet das Gericht. Aber nach welchen Kriterien? © dpa - Sami Halinen
Von Lena Klimpel · 06.09.2016
Wohin fließen Bußgelder? Zum einen in die Staatskasse, zum anderen aber auch an gemeinnützige Vereine. Wer jedoch genau und warum davon profitiert, das bleibt meist intransparent. Selbst einige Richter plädieren für mehr Regulierung.
Knapp sieben Millionen Euro Geldauflagen sind allein in Berlin im vergangenen Jahr zusammengekommen. Fünf Millionen flossen direkt in die Staatskasse. Und die restlichen zwei Millionen? Die gingen an gemeinnützige Vereine. In ganz Deutschland ist das seit Jahrzehnten gängige Praxis. Die Vereine können sich auf einer offiziellen Liste eintragen lassen. Vor Gericht wird dann entschieden, welche Einrichtungen Geld erhalten. Ruben Franzen, Richter im sächsischen Eilenburg, erklärt.
"Die Entscheidung, welcher Verein wieviel bekommt, erfolgt im Verfahren, das erfolgt meist auf einen Vorschlag des Gerichts. Es gibt durchaus erzieherische Überlegungen, also Frauenhaus zum Beispiel bei Gewalt im häuslichen Bereich. Also man probiert schon darauf einzugehen, was in diesem Verfahren konkret sachgerecht erscheint."
Ein gutes Beispiel ist das Berliner Kinderschutz-Zentrum, das regelmäßig Geldauflagen erhält. Der kleine Verein unterhält zwei Beratungsstellen gegen familiäre Gewalt und eine betreute Wohngruppe für misshandelte und vernachlässigte Kinder. Die Vorstandsvorsitzende Elke Nowotny berichtet, dass ihr Verein die zusätzlichen Gelder braucht.
"Die Finanzierung der Beratungsstellen die geschieht über eine Zuwendung des Landes Berlin, aber das deckt nicht alle Ausgaben, die wir haben, so dass wir im sogenannten Eigenanteil unseres Vereins immer auch auf Spenden, Bußgelder angewiesen sind. Und wir verwenden die auch für unsere Wohngruppe, u.a. um Hilfe zu leisten in Notsituationen – wir haben es mit traumatisierten Kindern zu tun –, aber auch mal eine Sommerreise für die Kinderwohngruppenkinder, die noch nie verreist sind, oder wir dürfen auch mal in den Zoo gehen damit, oder es gibt mal ein besonderes Ereignis unter der Woche, mal ein Eis essen usw."

Vorschriften zur Verteilung der Gelder gibt es keine

Vereine wie das Kinderschutz-Zentrum arbeiten direkt mit den Behörden zusammen. Ihnen Geldauflagen zukommen zu lassen, ist sinnvoll. Vorschriften zur Verteilung der Gelder gibt es aber keine. Man verlässt sich dabei auf die richterliche Unabhängigkeit.
Das kann Folgen haben: Ein großer Skandal wurde 1972 durch den Spiegel aufgedeckt: Richter und Staatsanwälte hatten selbst einen Verein gegründet, den "Bund gegen Alkohol im Straßenverkehr", den sie reichlich durch Geldauflagen begünstigten. Aus den Einnahmen des Vereins honorierten sie dann sich selbst für Vorträge. Der Verein existiert trotzdem noch deutschlandweit. Und auch 2015 stand er in Berlin wieder weit oben auf der Liste der Geldempfänger.
"Das, was problematisch ist, ist natürlich dann, wenn ich selbst in einem Verein aktiv bin, den ich für unterstützenswürdig halte. Bei mir ist es dann eher so: Ich unterstütze ihn trotzdem nicht, damit gerade kein Geschmäckle aufkommt. Ich sollte dann sozusagen lieber draußen bleiben, wenn ich dem Verein was geben will, ja, also es gibt manchmal Situationen, in denen man tatsächlich irgendwo in einer Zwickmühle dadurch sitzt, aber bewältigen kann man das auch nur durch Transparenz. In dem Moment, wo die Presse Einsicht kriegt und sieht, wer was bekommen hat und nachfragen kann, ist das der beste Schutz davor, dass so etwas nicht passiert."
Eben diese Transparenz ist aber nach wie vor nicht gewährleistet. Wenige Bundesländer veröffentlichen von sich aus eine Übersicht über die Geldauflagen, eine gesamtdeutsche Liste existiert nicht. Nimmt man Einsicht in die Liste der 2015 in Berlin begünstigten Vereine, kommen leise Zweifel am Vorgehen mancher Gerichte auf: Ein Damen-Schwimmverein, die Tibet Initiative Deutschland oder ein Verein zur Förderung finnischer Literatur haben wenig zu tun mit präventiver Sozialarbeit oder Opferhilfe. Gerade in diesen Bereichen werden Geldauflagen aber dringend benötigt.
Dass das Thema auf die Tagesordnung gehört, finden auch einige Richter. Sie haben auf dem jährlichen Treffen "Richterratschlag" eine Arbeitsgruppe gegründet, die dazu die Frage stellt: "Brauchen wir mehr Regulierung?"
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