Internetzensur

Erdogans Verschwörungstheorie

Türkische Flagge und Twitter-Symbol
Das Verbot von Twitter in der Türkei sorgt für Kritik an der Regierung © dpa / picture-alliance / Karl-Josef Hildenbrand
Von Thomas Bormann · 21.03.2014
Im Vorfeld der Kommunalwahlen in der Türkei hat Ministerpräsident Recep Erdogan Twitter sperren lassen – um sich vor Verleumdungen zu schützen, wie er sagt. Der Eingriff wurde für die Regierung zum Reinfall.
Twitter ist zwar seit der vergangenen Nacht offiziell gesperrt in der Türkei. Aber im Lauf des Tages hat fast jeder Twitter-Nutzer zwischen Istanbul und Antalya eine Möglichkeit gefunden, an den Sperren vorbei Twitter wie üblich zu nutzen. Das ist ohne großen technischen Aufwand möglich.
Ein Nutzer meint deshalb:
"Sollen sie doch blockieren, was sie wollen. Wir können diese Webseiten trotzdem aufrufen und uns all die Telefonmitschnitte anhören."
Diese abgehörten Telefongespräche sind der Grund für Erdogans Feldzug gegen das Internet. In den letzten Wochen tauchten nämlich immer wieder solche Mitschnitte von Telefonaten auf, die angeblich belegen, dass Erdogan und viele Regierungsmitglieder tief in den Korruptionsskandal verwickelt sind.
Regierungschef spricht von Fälschungen
Erdogan behauptet: das seien alles Fälschungen und Verleumdungen; diese ganzen angeblichen Telefonmitschnitte und auch die Korruptionsvorwürfe seien nichts weiter als ein Komplott gegen seine Regierung. Erdogan weiter:
"Es sind internationale Verschwörungen im Spiel. Twitter und dieses ganze Zeugs. Wir werden es mit der Wurzel ausreißen.“
Bislang erfahren viele Menschen über Twitter, wo im Netz die neuesten abgehörten Telefongespräche zu finden sind. Erdogan erntet heute viel Spott und Kritik:
"Jeder Schuss gegen das Internet geht nach hinten los. Mit Sicherheit werden die jungen Menschen dagegen noch protestieren."
"Wenn das Internet zensiert wird, ist das ein Zeichen für ernsthafte Probleme. Wer weiß, was die Regierung morgen noch so alles verbietet. Darüber sollten sich mal alle bis zum Urnengang am 30. März Gedanken machen."
Am 30. März nämlich, Sonntag kommender Woche, sind Kommunalwahlen in der Türkei. Erdogan will vorher neue Enthüllungen – oder wie er sagt – Verleumdungen im Internet verhindern und notfalls sogar Facebook und YouTube sperren lassen.
Twitter beliebt wie nie
Oppositionschef Kemal Kilicdaroglu wirft Erdogan vor, der Türkei schwer zu schaden:
"Niemand hat das recht aus der Türkei ein Dritte-Welt-Land zu machen. Statt dem Land mehr Demokratie und Freiheit zu bringen, bringt diese Regierung nur neue Verbote."
Das Twitter-Verbot heute allerdings war für die Regierung ein Reinfall. Selten war Twitter in der Türkei so populär und so beliebt wie heute. Selbst Staatspräsident Abdullah Gül, eigentlich politischer Partner Erdogans, setzte sich über die Twitter-Sperre hinweg und verkündete via Twitter:
"Soziale Medien zu schließen ist nicht akzeptabel."
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