Internationales Musikfestival Jerusalem

Kammermusik in der un-heiligen Stadt

Die Pianistin Elena Bashkirova
Die Pianistin und Festivalleiterin Elena Bashkirova © Dan Porges/forartists
05.01.2018
Vor zwanzig Jahren hätte niemand geglaubt, dass das möglich ist: In der Stadt Jerusalem, die von religiösem Eifer und politischem Starrsinn gezeichnet ist und nun auch vom US-amerikanischen Präsidenten Trump gekidnappt wurde, ein Festival zu gründen, das allein der Kammermusik gewidmet ist und allein die Klänge, nicht irgendeinen Kontext zum Gegenstand eines rauschenden, und zugleich anspruchsvollen Festes macht.
Eine Person steht als "Alma Mater" hinter dem Jerusalem International Chamber Music Festival: Die in Berlin lebende Pianistin Elena Bashkirova. Sie nennt das Festival stolz ihr drittes Kind, zwei erwachsene "echte" Söhne und eine Enkeltochter hat sie ja schon. Auch im diesem 20. Jahr versammelten sich wieder international renommierte Vokalisten und Musiker in der Heiligen Stadt - auf Einladung der Pianistin und eines kleinen, aber sehr aktiven israelischen Freundeskreises. Sie probten und spielten ein umfangreiches und vielfältiges Konzertprogramm. Daraus können Sie hier an diesem zweiten Abend in unserem Programm (den ersten haben wir am 12. Oktober 2017 gesendet) einen Auszug hören.
Alle Mitwirkenden treten beim Festival ohne Gage auf und nehmen die Anstrengungen des dichten Proben- und Konzertmarathons und die teilweise hochnotpeinlich strengen oder schikanösen Untersuchungen bei der Ein- und Ausreise in Kauf, um zum Vergnügen und aus Zuneigung zur immer größer werdenden Familie der "Jerusalemiten" zu spielen. Aufführungsort ist das christliche Kulturzentrum des YMCA in West-Jerusalem unweit des berühmten King-David-Hotels. Das steht für eine offene, religiös und politisch tolerante Atmosphäre.
Schwerpunkte gab es auch im 20. Festivaljahr mehrere - neben den größeren Formationen des Genres, zum Beispiel dem Nonett, waren das Werke der russisch-sowjetischen Literatur und die Romantik aus Deutschland.
Elena Bashkirova und ihr Team setzen bewusst und ganz im Sinne der Festivalphilosophie auf unbekannte Stücke und Namen. Immer sind auch Auftragswerke dabei, dieses Jahr gab es das Bläserquintett des jungen Jerusalemer Komponisten Omri Abram, der dem Festival schon länger als Dirigent und Organisator verbunden ist. An unserem zweiten Konzertabend aus dem YMCA gibt es besondere Juwelen der Kammermusikliteratur, die selten gespielt werden, so das Konzert D-Dur von Ernest Chausson und die Sextette von Erwin Schulhoff und Ernö Dohnányi.
Das Musikprogramm dauerte acht Tage und prägte die Atmosphäre an den Sommerabenden in der Heiligen Stadt der drei Weltreligionen wieder besonders friedlich und zukunftsfroh. Dabei wirkt der Anspruch dieses musikalischen "Familientreffens" gar nicht mehr so utopisch: Selbst in Jerusalem kann und sollte Musik wichtiger, ja heiliger sein als Politik und die von ihr missbrauchte Religion.
Jerusalem International Chamber Music Festival
YMCA West-Jerusalem
Aufzeichnungen vom 2. bis 7. September 2017
Antonio Salieri
Trio Nr. 2 E-Dur für Flöte, Oboe und Violoncello

Guy Eshed, Flöte
Ramón Ortega, Oboe
István Várdai, Violoncello

Alfred Schnittke
"Moz-Art à la Haydn" für zwei Violinen

Asi Matathias, Violine
Mohammed Hiber, Violine

Ernest Chausson
Konzert D-Dur für Violine, Klavier und Streichquartett op. 21

Renaud Capucon, Violine
Plamena Mangova, Klavier
Asi Matathias, Violine
Daniel Austrich, Violine
Krzysztof Chorzelski, Viola
Julian Steckel, Violoncello

Erwin Schulhoff
Sextett für Streicher

Kolja Blacher, Violine
Clara-Jumi Kang, Violine
Li-Kuo Chang, Viola
Miriam Manasherov, Viola
Tim Park, Violoncello
Kyril Zlotnikov, Violoncello

Wolfgang Amadeus Mozart
Divertimento Nr. 17 D-Dur KV 334 (Ausschnitt)

Rainer Honeck, Violine
Mohammed Hiber, Violine
Krzysztof Chorzelski, Viola
Nabil Shehata, Kontrabass
Radovan Vlatković, Horn
Itamar Leshem, Horn