Internationales Jahr der Hülsenfrüchte

Die neuesten Schoten

Blick auf Erbsenschoten einer Pflanze
Blick auf Erbsenschoten einer Pflanze © imago/Westend61
Von Udo Pollmer · 19.08.2016
2016 ist das "Internationale Jahr der Hülsenfrüchte". Mit Erbsen, Bohnen und Linsen soll die Eiweißlücke geschlossen werden, um Mensch und Tier ernähren zu können. Damit war Deutschland 2012 mit seiner "Eiweißpflanzenstrategie" seiner Zeit voraus, meint Udo Pollmer.
Eine neue Eiweißstrategie soll unsere Landwirtschaft voranbringen und die Ernährung verbessern. Mit Forschungsgeldern und Subventionen werden Wissenschaftler wie Bauern auf das politische Ziel eingeschworen: Je mehr pflanzliches Eiweiß aus heimischem Anbau zur Verfügung steht, desto weniger Soja muss importiert werden. Das schont Regenwald und Klima. Und wir Verbraucher bekommen Hülsenfrüchte in Hülle und Fülle: Zuckererbsen, Grüne Bohnen und Hackepeter aus Lupinen.
Hülsenfrüchte haben einen speziellen evolutionären Vorteil: Sie beherbergen in ihrem Wurzelwerk Knöllchenbakterien. Diese binden den Stickstoff aus der Luft und stellen ihn der Pflanze als Dünger zur Verfügung. Der Landwirt kann also auf Nitratdüngung verzichten. Da Stickstoff die Bildung von Eiweiß fördert, ließe sich auf diesem Wege das Eiweißfuttermittel Soja ersetzen. So die Theorie der sogenannten Futtermittelwende.

Lachgase werden gezüchtet

Man fragt sich, warum die Landwirte nicht von selbst auf diese geniale Idee gekommen sind? Die Antwort ist unspektakulär: Es lohnt einfach nicht. Hülsenfrüchte sind in Deutschland höchst unsichere Kandidaten – krankheitsanfällig und wetterempfindlich. Auch sie kommen nicht ohne Dünger aus: Erst eine kräftige Portion Phosphat bringt die Knöllchenbakterien in Schwung. Mit der Stickstoff-Fixierung steigen die Lachgas-Emissionen, die als besonders klimaschädlich gelten. Werden die Erntereste in den Boden eingearbeitet, gibt's noch mehr Lachgas. Hülsenfrüchte sind auf Herbizide angewiesen, weil die konkurrenzschwachen Pflänzchen schnell von Unkraut überwuchert werden. Um Krankheiten und Schädlinge in Schach zu halten, sind lange Anbaupausen erforderlich. Erbsen sollten nur alle fünf Jahre auf der gleichen Fläche gepflanzt werden.
Lupinensamen in der Hand
Lupinen enthalten viel Eiweiß© Deutscher Zukunftspreis / Ansger Pudenz
Dazu passt die aktuelle Meldung eines Bundesinstituts: "Virusepidemie rafft in ganz Deutschland Erbsen- und Ackerbohnenbestände dahin". Aus die Maus. Resistente Sorten gibt es keine. Derzeit können die neuen Viren nur mit Insektengift bekämpft werden. Die Erreger werden von Blattläusen übertragen. Doch der Einsatz von Insektiziden soll um des Naturschutzes willen minimiert werden. Also wurden die Bestände an Erbsen und Ackerbohnen untergepflügt oder abgefackelt. So sieht die Politik der Ernährungssicherung in Deutschland aus.
Als Futtermittel sind einheimische Ackerbohnen oder Futtererbsen nur von begrenztem Wert. Sie enthalten Stoffe, die den Tieren den Appetit verderben, Fruchtbarkeitsprobleme verursachen oder zu Bauchgrimmen führen. Deshalb können nur begrenzte Mengen zugefüttert werden. Als Ersatz für Soja taugen sie nicht: Ackerbohnen, Erbsen und Linsen enthalten viel weniger Eiweiß als Sojaexpeller, noch dazu fehlen ihnen essentielle Aminosäuren.

Weniger Abwehrstoffe für mehr Nährwert

Natürlich arbeitet die Landwirtschaft an Lösungen, allen voran die Züchter: Dank ihrer Arbeit platzen Hülsenfrüchte nicht mehr auf dem Feld auf und können heute per Mähdrescher geerntet werden. Die Abwehrstoffe werden ständig vermindert, um den Nährwert zu erhöhen. Selbstredend wurden auch die Erträge gesteigert, vor allem durch völlig neuartige Sorten: hervorzuheben sind hier die Ackerbohnen-Synthetiks. Leider bedeuten weniger Abwehrstoffe eine höhere Anfälligkeit und damit mehr Pflanzenschutz.
Dennoch blieb der Eiweißertrag pro Hektar niedrig. Frische Zuckererbsen, Grüne Bohnen oder Linsen enthalten um die sechs Prozent Eiweiß. Brotweizen liefert fast doppelt so viel. Dazu kommt jede Menge Stärke: beim Weizen sind es 60 Prozent, bei grünen Erbsen nur 10 Prozent. Außerdem liefert Getreide höhere Erträge als Bohnen. Deutschland hat denkbar schlechte Voraussetzungen für Hülsenfrüchte, ist aber hervorragend zum Getreidebau geeignet.
Gibt es überhaupt eine Option den Sojaexpeller zu ersetzen? Ja, mit Rapsextraktionsschrot, also dem Rückstand der Rapsölgewinnung, von dem jedes Jahr Millionen Tonnen anfallen. Inzwischen geht der Rapsanbau wieder zurück, weil das sachgerechte Beizen des Saatgutes unter dem Vorwand des Umweltschutzes unterbunden wurde. Die Sojaimporte werden also weiter steigen. Mahlzeit!
Literatur
Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung: Internationales Jahr der Hülsenfrüchte. 2016
Zerhusen-Blecher P, Schäfer BC: Stand des Wissens und Ableitung des Forschungsbedarfes für eine nachhaltige Produktion und Verwertung von Ackerbohne und Erbse. BÖLN FKZ: 12NA118, Soest 2013
Julius-Kühn-Institut: Virusepidemie rafft in ganz Deutschland Erbsen- und Ackerbohnenbestände dahin. Pressemeldung vom 12. Juli 2016
Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV): Eiweisspflanzenstrategie. Berlin 2012
Stalljohann G: Heimische Körnerleguminosen statt Sojaextraktionsschrot aus Übersee? Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen. Münster 24. Januar 2012
Stalljohann G: Grenzen und Chancen der heimischen Eiweißfuttermittel. Landwirtschaftskammer Nirdrhein-Westfalen, Münster 2013
Sass O: Sommerackerbohnen: Ein züchterischer Überblick. Praxisnah Sonderheft Leguminosen 2015; S. 8-10
Leick BCE: Emission von Ammoniak (NH3) und Lachgas (N2O) von landwirtschaftlich genutzten Böden in Abhängigkeit von produktionstechnischen Maßnahmen. Dissertation Hohenheim 2003
Lenz M: Ausreichender Schutz für sichere Erträge. Praxisnah Sonderheft Leguminosen 2015; S.24-27
Anon: Greening: "Aus" für die Leguminosen? DLG-Mitteilungen 2016; H.8: S.8
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