Internationaler Gerichtshof zum Kroatienkrieg

Kriegsverbrechen, aber kein Völkermord

Internationaler Gerichtshof in Den Haag: Urteil zum Kroatienkrieg am 3. Februar 2015; weder Serbien noch Kroatien sind demnach schuldig, in den Jahren 1991-95 Völkermord begangen zu haben.
Internationaler Gerichtshof in Den Haag: Urteil zum Kroatienkrieg am 3. Februar 2015; weder Serbien noch Kroatien sind demnach schuldig, in den Jahren 1991-95 Völkermord begangen zu haben. © picture alliance / dpa
Dušan Reljić im Gespräch mit Birgit Kolkmann und Oliver Thoma · 03.02.2015
Der Krieg zwischen Serbien und Kroatien in den 1990er Jahren war grausam - aber kein Völkermord. Das hat der Internationale Gerichtshof in Den Haag am Dienstag entschieden. Dušan Reljić, Balkanexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik, begrüßt das Urteil.
Etwa 25.000 Menschen starben zwischen 1991 und 1995 im Krieg zwischen Serbien und Kroatien, Hunderttausende wurden vertrieben. Um Völkermord hat es sich dabei jedoch nicht gehandelt, hat der Internationale Gerichtshof in Den Haag am Dienstag entschieden. Die Richter wiesen damit sowohl eine Klage Kroatiens als auch eine Gegenklage Serbiens ab, in der die jeweils andere Seite des Völkermordes bezichtigt wurde.
Großes Aufatmen in Belgrad und Zagreb?
"Ich finde, dass das heutige Urteil ein gutes ist", sagt der Balkan-Experte und Leiter des Brüsseler Büros der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Dušan Reljić. "Jedes andere Urteil hätte fatale Folgen gehabt." Wäre eine Seite schuldig erklärt worden, wäre das einem wirtschaftlichen Todesurteil gleichgekommen. Außerdem wäre die Möglichkeit einer langfristigen Stabilisierung von Versöhnung zwischen den Ethnien in der Region verbaut, betont Reljić. "Also ich glaube, dass man heute in Belgrad und in Zagreb wirklich mit großem Aufatmen dieses Urteil aufgenommen hat."
Kriegsverbrechen auf beiden Seiten, aber kein Völkermord
Auch juristisch habe es offenbar wenig Zweifel gegeben: Das eine Urteil sei einstimmig ergangen, und im zweiten hätten 15 von 17 Richtern gegen den Völkermord-Vorwurf gestimmt, so der Balkan-Experte der SWP. Nach Ansicht des Internationalen Gerichtshofs hätten beide Seiten Kriegsverbrechen begangen, und die politischen Führungen beider Länder hätten die Flucht von Hunderttausenden Menschen in Kauf genommen. "Das war Teil der nationalistischen Politik, die in den 90er Jahren von allen Kriegsparteien befolgt wurde."
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