Bullshit-Slam

Neun Minuten völliger Blödsinn

Zuschauer sitzen im Theater vor einer leeren Bühne mit geschlossenem roten Vorhang.
Bullshit auf der Bühne - warum sollte man sich das anschauen? Weil es wirklich komisch ist! © dpa / Jens Wolf
Von Armin Himmelrath · 07.08.2015
Längst gibt es Poetry-Slams, Science-Slams, in denen Wissenschaftler ihre Forschungen präsentieren, oder Hate-Slams, in denen Politiker die Zuschriften vorlesen, die bei ihnen landen. Und nun hat die Slam-Bewegung einen neuen Ableger: den Bullshit-Slam. Neun Minuten stehen die Teilnehmer auf der Bühne. Und sie erwartet keine einfache Aufgabe.
"Zunächst mal danke ich selbstverständlich dem CEO, dass er McKinsey beauftragt hat, sowohl ein transformational change project in Auftrag zu geben, als auch gleichzeitig Restrukturierung zu betreiben mit unserer practice für Restrukturierung. Mein Name ist Dr. Jan Philipp Wendenschloss, ich bin Senior Partner in der in der practice für mind sets capabilities und transformational change ... "
Sinnfreies Management-Gerede, Berater-Bla-Bla, Worthülsen ohne irgendetwas dahinter. In einem Kölner Club steht Thomas Ramge auf der Bühne, im typischen Management-Berater-Outfit, und sondert als Dr. Jan Philipp Wendenschloss reichlich Blödsinn ab. An diesem Abend findet hier ein Bullshit-Slam statt, ein öffentlicher Wettbewerb der Schwachsinns-Redner. Und da ist Thomas Range - Verzeihung: Jan Philipp Wendelschloss - mit kostenlosen Karriere-Tipps für seine Zuhörer ganz vorne mit dabei.
"Machen wir mal ein paar ganz einfache Übungen. Im nächsten Meeting sollten Sie doch regelmäßig sagen, wenn Ihr Chef was sagt: Da bin ich ganz bei Ihnen! Sie können auch sagen, wenn Ihr Chef irgendwie sagt, dass 25 Prozent unserer Kunden wollen das und das: Jeder Vierte!"
Vom Immobilienmakler bis zum Motivationscoach
So wie Thomas Ramge präsentieren an diesem Abend auch sieben andere Bullshitter ihre unhaltbaren Thesen. Vom Verschwörungstheoretiker bis zur Esoterikerin, vom Immobilienmakler bis zum Motivationscoach reichen die Vertreter hohler Phrasen. Thomas Range ist im wirklichen Leben Wirtschaftsjournalist.
Auch viele andere Akteure kommen aus den Medien oder der Wissenschaft - und bekommen immer wieder viel Bullshit zu hören. So wie Max Rauner, Wissenschaftsredakteur bei der "Zeit" und einer der Erfinder des Slams. Auf die Idee kamen er und ein Kollege, nachdem sie ein Sachbuch verfasst hatten. Titel: Schluss mit dem Bullshit!
"Als wir unser Buch geschrieben haben, haben wir gedacht: Jetzt machen wir mal so ne klassische Buchvorstellung. Und dann irgendwann kamen wir dann auf die Idee und sagten: Nee! Wir machen zusammen mit Konkurrenzautoren eigentlich ne Anti-Bullshit-Veranstaltung, Bullshit-Slam, um auf dieses Phänomen mal aufmerksam zu machen."

Das Phänomen nämlich, dass immer wieder völliger Blödsinn mit größtem Ernst vorgetragen wird. Max Rauner als Nam:
"Ich spür viel positive Energie hier im Saal, und das ist gut so. Denn ich möchte Euch heute eine neue, revolutionäre Heilmethode vorstellen: Neutrino-Healing - heilen mit der Kraft der Neutrons!"
Neutrino-Healing gibt's in Wirklichkeit natürlich nicht. Aber Max Rauner als Heiler Nam beweist, dass es trotzdem funktioniert:
"Ich scanne jetzt Deine äußere Aura ein. Du musst einfach nur tief atmen. Genau so. Ja, ja. Das ist übrigens eine Technik, die hab ich aus dem Prana-Healing übernommen. Ich hab sie leicht abgewandelt, damit ich keine Lizenzgebühren zahlen muss. Und genau so nehme ich mit den Schmerzen Kontakt auf. Super! Jetzt kämme ich Deine äußere Aura. So. Genau so. So, und jetzt sag mal nix, denn die Neutrinos verraten mir auch Deinen Namen. Du bist die Anna. Stimmt das?"
Zuschauerin: "Nein."
"Anna ist Dein Seelenname! Jetzt weißt Du das. Anna, Du hast Schmerzen im rechten Auge?"
Zuschauerin: "Nein."
"Nein? Noch nicht. Das ist das Besondere am Neutrino-Healing. Neutrino-Healing spürt Schmerzen auch dort, wo ihr sie noch nicht spürt. Es sind feinstoffliche Schmerzen."
Im Herbst stehen Stuttgart und Berlin auf dem Programm
In Hamburg und Köln sind die Bullshit-Slammer bereits aufgetreten, im Herbst stehen jetzt Stuttgart und Berlin auf dem Programm. Mit-Erfinder Max Rauner staunt immer noch.
"Es war ein Experiment. Und ich bin ganz überrascht, dass so ein Zuspruch war, dass so viele Leute da waren. Weil das vielleicht doch auf Resonanz trifft und vielleicht gibt's doch einige, die davon genervt sind. Und vielleicht ist das ja der Auftakt zu einer großen Anti-Bullshit-Bewegung."
Publikums-Liebling und Siegerin des Abends in Köln war übrigens Mai-Thi Ngyen-Kim, Harvard-Doktorandin im Bereich Nanochemie. Sie bestritt, dass es den Klimawandel überhaupt gibt - obwohl 97 Prozent aller Klimaforscher davon überzeugt sind. Von einer solchen Zahl lasse sie sich nicht blenden, so die Wissenschaftlerin ironisch. Denn: Nur 0,1 Prozent der Weltbevölkerung seien überhaupt Klimaforscher.
"Das heißt: 97 Prozent von 0,1 Prozent sind gerade mal 0,097 Prozent der Weltbevölkerung. Das ist doch nicht repräsentativ! Repräsentativ ist es, wenn man zum Beispiel auf gutefrage.net geht, da kann man das ganze Internet fragen - versteht ihr? Bruno hat das gemacht: Klimawandel - Hysterie oder Realität? Und dann kann man abstimmen - versteht ihr? Jeder, der Internet hat, kann da abstimmen. Ganz demokratisch! Und - plötzlich sind das keine 97 Prozent mehr. Das sind nur noch 50 Prozent, die denken, der Klimawandel ist schlecht - versteht ihr? Versteht ihr, es ist total wichtig, dass ihr die richtigen Informationen aus den richtigen Quellen sucht!"
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