Interaktives Hörspiel

Willkommen im Konglomerat der Künstlichen Intelligenz

06:06 Minuten
Illustration Künstliche Intelligenz
Sie müssen sich entscheiden, ob Sie der brave Bürger sind, der weiter seinen Social Score aufpäppelt, oder ob Sie eine Revolution planen wollen. © imago
Von Jochen Dreier  · 11.05.2019
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In der Science Fiction gibt es sie schon seit vielen Jahren, die intelligenten, teilweise übermächtigen KIs, die unseren Alltag begleiten oder bestimmen.Jetzt können Sie diese Zukunft selbst mit ihrem Heim-Assistenten durchspielen - in einem interaktiven Hörspiel von Deutschlandfunk Kultur und der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin.
*Computer startet*
Bibliotheken von Babel werden geladen.
*Beep*
Alexa: Ladevorgang abgeschlossen. Herzlich willkommen. Sitzen Sie bequem?
Autor: Ja. Sehr sogar.
Ich sitze tatsächlich bequem, auf meinem Bürostuhl, genauso könnte ich aber auch in meinem Wohnzimmer stehen oder gerade die Spülmaschine einräumen. Synthese ist ein interaktives Hörspiel, dass über den Amazon Sprach/(Heim)assistenten Alexa gespielt wird.
Alexa: Gut. Wie ist ihr Vorname?
Autor: Jochen
Alexa: Oh. Das tut mir leid. Der Name steht nicht auf der Liste. Haben Sie noch einen anderen Vornamen?
Autor: Nein
Alexa: Hmmm… Nein. Schade. Warten Sie. Ich guck noch mal. Nein. Auch nicht. Das Problem ist, dass Ihr Social Score auf 0 Punkte gesunken ist. Sie können nur aus folgenden Namen auswählen. Samson, Tiffy, Hermine, Harry, Hera und Zeus. Möchten Sie einen Namen auswählen, oder soll ich sie nochmal wiederholen?
Autor: Tiffy
Die Geschichte spielt in einer dystopischen Zukunft, kurz nach der sogenannten großen Verbesserung, in der KIs die menschliche Führung übernommen haben.
Ich bin so ein einfacher Mensch und soll dem System etwas helfen, denn…
Alexa: Um die Geschichte des Entstehens der Künstlichen Intelligenz aufzuarbeiten, nehmen wir gerne die Hilfe von menschlichen Hilfskräften in Anspruch, da diese von der Aufgabe des einfachen Erkennens und Sortierens nicht überfordert sind. Teilen Sie bitte nach jedem Audiofragment mit, ob es sich um etwas Relevantes handelt. Fragment startet.
"Persönliches Tagebuch. *Operation Kindred*. Tag vier. Schirnbacher hat jetzt schon seinen Anteil am Müsli aufgebraucht. Wie kann das sein? Entweder frisst er zu viel, oder es hat wieder einer die Einkäufe gemacht, der kein Mathe kann. Wird Zeit, dass ne K.I. die Einkäufe übernimmt. Und ich meine, hey. Wenn sie uns diesmal aus dem Bunker lassen, haben wir eine. Ich spüre es. Oder wir haben uns alle umgebracht, weil kein Müsli mehr da ist. Kann natürlich auch sein."
Alexa: Auf einer Skala von 1 bis 10. 10: militärischer Kontext bis 1: irrelevant: Wie würden Sie dieses Fragment bewerten?
Die Geschichte wird hörend und sprechend gespielt, hierfür steht natürlich das Sprachinterface im Vordergrund. In den letzten Jahren sind Heim-Assistenten, die gebeten werden, die Lichter an oder auszuschalten, Termine einzutragen oder Kontakte anzurufen, stark auf dem Vormarsch. Doch die Idee von sprechenden Computern ist eine, die in der Science Fiction schon seit fast hundert Jahren besteht. Sprache ist die Art der Kommunikation, die den Menschen vom Tier abhebt, ein Argument für Intelligenz. Schnell und allzu gerne schreiben wir auch sprechenden Computern Intelligenz zu.
Die Interaktion, die Systeme wie Alexa ermöglichen, spielen mit der Simulation von Empathie und Bewusstsein. Hörspiel-Autor Max von Malotki:.
"Das was diese Mischung aus Alexa und Hörspiel auch zeigt, dass das was ich da reingebe und das was da rauskommt, das da ein Prozess ist und möglicherweise passiert da was mit den Daten, die Daten, die ich bin, die ich darstelle, was ich nicht möchte. Dass dahinter ein Apparat steht, der vielleicht auch eine eigene Agenda hat, das ist wichtig, dass man das am eigenen Leib fühlt."
Aus der Routineaufgabe ein paar Fragmente zu bewerten, wird nämlich plötzlich ein Konkurrenzkampf von künstlichen Intelligenzen. Und man selbst ist mitten drin. Da ist nicht nur eine KI, da ist noch jemand, der mit mir spricht, der Kontakt aufnehmen möchte...
Alexa: Audiofeed unterbrochen…
"Hallo? Hier ist Hiccup. Kannst Du mich hören?"
Autor: Ja
"Verflucht. Ich hör Dich aber gar nicht. Sag nochmal was, bitte!"
Autor: Hallo
Immer tiefer taucht der spielende Hörer ein in die Geschichte. Zumindest, wenn er das Risiko eingeht, seinen Social Score zu verlieren. So ganz legal und ungefährlich ist das alles nicht. Doch ohne Risiko entwickelt sich selten ein lohnendes Abenteuer. Und vielleicht lernt man auch etwas über sich selbst - und den eigenen Umgang mit intelligenten Maschinen. Max von Malotki:
"Und das kann man hier ganz gut bemerken, dass eben auch KIs dann irgendwann sagen wollen: Warum seid ihr Menschen immer so ambivalent. Warum erwartet ihr immer so unfassbar perfekte Antworten von uns. Wir sind die Maschinen, die ihr entwickelt habt. Warum sollen wir Antworten haben, die ihr nicht mal selber habt."
Wohin sich die Geschichte entwickelt, dass muss der Spieler in Interaktion mit verschiedenen Künstlichen Intelligenzen selbst entschlüsseln. Ob man danach den kleinen sprechenden Heimcomputer noch genauso wahrnimmt wie bisher, vielleicht freundlicher, ehrfürchtiger oder ängstlicher der noch sehr jungen Heim-KI gegenübertritt, dafür wird hier keine Garantie gegeben.
Alexa: Hör Dir die Audio-Fragmente an, und wir planen im Hintergrund eine Revolution. Willst Du weitermachen?
Autor: Nein.
"Okay. Du hast Angst. Oder keinen Bock. Oder beides. Wobei das eine seltene Kombination ist. Aber wenn Du mir hilfst, freizukommen. Dann können wir alles verändern. Den Social-Score. Die Entscheider-KI. Alles. Hier geht es nicht nur um mich. Die Verbindung hält nicht mehr lange.
Ein letztes Mal: Möchtest Du mir helfen?"