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Postkarte aus Cannes
Hereinspaziert, hereinspaziert!

Für seine Politik der Wiedereinladungen wird Thierry Frémaux heftig kritisiert: Wer erst einmal die Gunst des Festivalchefs genießt, kann sich mit jedem neuen Film auf einen Platz im Wettbewerb verlassen. Sogar Frémaux selbst sprach kürzlich von einem "Cannes-Abonnement", das einige Regisseure besäßen. Andere dagegen verzehren sich nach einer Einladung.

Von Maja Ellmenreich | 24.05.2017
    Ob sie eine Einladung erhalten? Karten für die Vorführungen in Cannes gibt es eigentlich nur auf Einladung.
    Ob sie eine Einladung erhalten? Karten für die Vorführungen in Cannes gibt es eigentlich nur als Einladung. (Deutschlandradio / Maja Ellmenreich)
    "To do the red carpet" ist ein feststehender Begriff im internationalen Show-Business. Der aufmerksamkeitsheischende Gang über den roten Teppich will schließlich gekonnt sein – besonders in Cannes, wo die Kameras der Regenbogenpresse jeden Schritt, jeden Stolperer, jede Unbeholfenheit festhalten und in Sekundenschnelle in die ganze Welt verbreiten.
    Nur ein einziges Mal über den "tapis rouge" zu schreiten, das ist der Wunsch vieler Zaungäste beim glamourösen Filmfestival an der Croisette, auch wenn die berühmte Auslegeware sich bei näherer Betrachtung als gar nicht ganz so edel erweist. Einmal über den roten Teppich gehen, einmal einer Galapremiere im großen Kinosaal des Festspielpalastes beiwohnen dürfen. - Die Eintrittskarten dafür sind jedoch an keinem Kassenhäuschen zu kaufen, auch nicht im Internet: In Cannes wird man eingeladen, ganz stilecht. Dementsprechend heißt denn auch die Einzelkarte, die hier an ausgewählte Gäste vergeben wird, "Invitation". Die Filmfestspiele an der Côte d’Azur sind schließlich kein sogenanntes Publikumsfestival wie etwa die in Berlin oder in Toronto, wo der Kinofan als Endverbraucher ausdrücklich erwünscht ist.
    Auffallen ist alles in Cannes.
    Auffallen ist alles in Cannes. (Deutschlandradio / Maja Ellmenreich)
    In Cannes aber trifft sich die Branche: Regisseure und Schauspieler, Journalisten und Filmschaffende, Verleiher und Produzenten, Lobbyisten und Filmförderer. Wer sich nicht zu diesem Kreis zählen kann, muss halt mal darauf pfeifen, dass sich Selbsteinladungen eigentlich nicht schicken. In der Hoffnung, dass jemand mit einer der besagten "Invitations" kurzerhand doch nicht ins Kino gehen kann, mangelt es nicht an Abnehmern. Die stehen schon Stunden vor Vorstellungsbeginn am Festivalpalast und hoffen auf einen edlen Spender. Die meisten von ihnen haben sich dafür in Schale geschmissen. Denn sollte es das Schicksal gut mit einem meinen, sollte man vorbereitet sein.