Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Kleinanlegerschutz
Strengere Regeln für risikoreiche Geldanlagen

Die Bundesregierung will Kleinanleger per Gesetz besser vor hochriskanten oder trügerischen Angeboten des sogenannten Grauen Kapitalmarkts schützen. Die Verbraucherschützer sind mit der Regelung zufrieden. Allerdings gehen ihnen die Pläne nicht weit genug.

Stefan Maas im Kollegengespräch mit Jule Reimer | 12.11.2014
    Schild der Prokon Unternehmensgruppe
    Negativbeispiel Prokon: Der Fall hat Verbraucher und Regierung abgeschreckt. (dpa/picture alliance/Carsten Rehder)
    Jule Reimer: Die große Finanzkrise von 2008 hat die Altersversorgung vieler Kleinsparer geschmälert, wenn nicht ruiniert: Weil die Anleger Bankberatern glaubten, die Risiken nicht ordentlich erklären konnten oder wollten, weil sich Otto Normalverbraucher aus Unwissenheit oder auch aus Gier auf undurchsichtige Zertifikate, Derivate oder andere Wetten auf dem grauen Kapital¬markt einließ. Immerhin fünf Jahre brauchte die Bundesregierung, um endlich Regeln für den Schutz von Kleinsparern aufzulegen. Heute wollen Merkel und ihre Ministerriege das Gesetz auf den Weg bringen. Stefan Maas in Berlin, was genau wird drin stehen?
    Stefan Maas: Der Fall Prokon, Frau Reimer, der hat nicht nur bei den Verbrauchern einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen - im negativen Sinne. Er hat auch die Bundesregierung aufgeschreckt. Ein Beitrag zur Energiewende sollte die Geldanlage sein - gut fürs Gewissen und den Geldbeutel, denn die versprochene Rendite war hoch. Doch am Ende kam alles anders. Tausende Anleger des Windpark-Finanzierers bangen um ihr Geld, denn das Unternehmen ist mittlerweile insolvent.
    Mit dem Kleinanlegerschutzgesetz, das das Bundeskabinett heute beschlossen hat, will die Bundesregierung Anleger in Zukunft vor ähnlichen Fällen schützen. Bundesjustiz- und Verbraucherschutzminister Heiko Maas hat hier in Berlin vor etwa einer Dreiviertelstunde erklärt:
    "Deshalb wird der Kleinanlegerschutz und dieses Gesetz dafür sorgen, dass Menschen besser informiert werden. Und damit nicht mehr so einfach auf Lockangebote hereinfallen können."
    Maas' Ziel: Aus dem Grauen Kapitalmarkt, also dem, der kaum kontrolliert wird bisher, soll ein transparenter Kapitalmarkt werden. Deshalb müssen Kunden auch dann umfassend über die Art und Risiken ihrer Anlage informiert werden, wenn sie ihr Geld nicht über eine Bank oder Versicherung anlegen. Zukünftig wird es eine Prospektpflicht für alle Vermögensanlagen geben, die in Deutschland angeboten werden.
    Die Bundesregierung hofft, durch die hohen Kosten für die Produktion eines Prospektes, die sich auf mehrere zehntausend Euro belaufen, unseriöse Anbieter abzuschrecken. Denn die Prospekte müssen auch einmal im Jahr auf den neuesten Stand gebracht werden. Die Veränderungen müssen direkt in den Text eingearbeitet werden, sie dürfen nicht einfach im Anhang verschwinden.
    Die Finanzaufsichtsbehörde Bafin muss die Informationsbroschüren auf Korrektheit prüfen. Zukünftig soll die Bafin auch eine neue, weitere Aufgabe bekommen. Sie soll zukünftig auch für den kollektiven Verbraucherschutz zuständig sein. Sie soll tätig werden können, wenn eine ganze Reihe von Kleinanlegern ihr Geld bei einem unseriösen Anbieter verlieren könnte. Für einzelne Anleger, die sich betrogen fühlen, wird die Behörde aber nicht tätig werden.
    Ausnahme: Crowdfunding
    Reimer: Stichwort Kosten: Es gab die Sorge, dass kleine Gemeinschaftsprojekte, die Geld zum Beispiel via Crowdfunding einsammeln, durch das Gesetz abgewürgt werden könnten, was ist dran?
    Maas: Der Entwurf sieht aber auch Ausnahmen für die Prospektpflicht vor. Crowdfunding-Projekte, die Geld im Internet sammeln, müssen keinen Prospekt erstellen, solange das Volumen der Anlage eine Million Euro nicht übersteigt. Und einzelne Anleger nicht mehr als 1.000 Euro investieren. Diese Obergrenze gilt auch, wenn der Anleger in mehreren Tranchen beim gleichen Anbieter investieren will oder soll.
    Die Obergrenze steigt auf 10.000 Euro, wenn der Käufer ein Vermögen von mindestens 100.000 Euro hat. Als weitere Obergrenze gilt auch das Zweifache des Nettoeinkommens des Anlegers. Die Käufer des Finanzprodukts müssen dem Verkäufer deshalb zukünftig Auskunft über seine Vermögensverhältnisse geben. Unter dem Gesichtspunkt des Datenschutzes ein schwieriges Vorhaben.
    Ausgenommen von der Prospektpflicht sind auch Genossenschaften und gemeinnützige Projekte, wenn es etwa um den Bau von bezahlbarem Wohnraum geht. Eine weitere wichtige Änderung: Werbung für Produkte, die auf dem Grauen Kapitalmarkt vertrieben werden, wird weitgehend eingeschränkt. An öffentlichen Plätzen – etwa in U-Bahnen oder auf Plakatwänden – ist sie zukünftig verboten. Werbung in Printmedien muss einen deutlichen Warnhinweis tragen, dass die Geldanlage mit erheblichen finanziellen Risiken verbunden ist. Für Radio und Fernsehsender gilt: Hier darf nur noch im Umfeld von Wirtschaftssendungen geworben werden, denn bei deren Zuschauern und Hörern wird ein größeres Interesse an Wirtschaftsthemen und dadurch mehr Sachverstand vermutet.
    Reimer: Wie beurteilen Verbraucherschützer den Entwurf?
    Maas: Verbraucherschützer sind grundsätzlich zufrieden, dass die Regierung das Problem angeht. Sie bemängeln aber, dass selbst Prospekte, die viel umfassender sind als bisher, Privatpersonen kaum etwas sagen dürften, solange sie keine Fachleute sind. Das ist also eher etwas für die Finanzexperten, die Privatanleger beraten. Und: Viele Verbraucherschützer hätten sich auch ein generelles Werbeverbot für diese Produkte gewünscht.