"Intelligent gemachter Antikriegsfilm"

Moderation: Liane von Billerbeck · 25.10.2007
Am Mittwoch präsentierte Hollywoodstar Robert Redford seinen neuen Film in Berlin. "Von Löwen und Lämmern" setzt sich kritisch mit dem US-Militäreinsatz in Afghanistan auseinander. Redford sei ein aktueller Film mit niederschmetternden Bildern gelungen, lobt der Außenpolitik-Chef des "Spiegels", Gerhard Spörl. Der Streifen kommt am 9. November in unsere Kinos.
Liane Billerbeck: Am Telefon ist jetzt Gerhard Spörl, der Außenpolitikchef des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel". Er hat die gestrige Diskussion mit Joschka Fischer und Heinrich August Winkler geleitet. Guten Morgen!

Gerhard Spörl: Guten Morgen!

Billerbeck: Sie haben den Film schon vorab gesehen und gestern Abend noch mal. Welchen Eindruck hat er auf Sie gemacht?

Spörl: Beim zweiten Mal war der Eindruck noch stärker, was sehr ungewöhnlich ist, weil beim zweiten Mal man den Film ja eigentlich schon kennt. Aber er ist eben ungemein eindrucksvoll. Es sind wunderbare Schauspieler im Film zu sehen. Der Film ist eigentlich ein Theaterstück, denn er lebt in weiten Teilen davon, dass Menschen im Büro einander gegenübersitzen, immer zwei Personen, die sehr stark miteinander ringen, reden, Einfluss ausüben wollen aufeinander, den anderen dazu bringen zu wollen, das zu tun, was man selber für richtig hält. Er lebt von den kleinen Dingen, von dem Mienenspiel, von der Intensität der Dialoge. Er geht schon unter die Haut.

Billerbeck: Die Konstellation des Filmes ist so: Ein charismatischer Professor, zwei seiner Studenten, die denken, etwas Gutes für ihr Land zu tun und deshalb nach Afghanistan gehen, dazu ein Bush-naher Senator, eine investigative Journalistin. Das hört sich so an, als wisse man schon, wie Gut und Böse verteilt sind. Bedient der Film dieses Schema?

Spörl: Nein. Das ist das Gute daran. Es ist kein platter Antikriegsfilm, weil jede dieser Figuren auch gebrochen ist. Der Senator, von Tom Cruise hervorragend gespielt, ist einer, der weiß, dass bisher eine grandiose Summe von grandiosen Fehlern gemacht worden sind. Und auf diese Weise versucht er dann, der Journalistin nahezubringen, dass jetzt eine neue Strategie in Afghanistan gefunden wird, die endlich die Wende bringen wird. Und sein Memento ist immer: Wir brauchen einen Sieger. Sie hören da John Edwards im Äußeren und die Töne von Cheney. Das ist wirklich grandios gemacht. Der Professor ist charismatisch, aber auch müde. Er ist einer, der immer sagt, ja, ich habe meinen Idealismus natürlich ein bisschen verloren, aber ich erkenne immer noch das Potenzial in Studenten. Sein Gegenüber ist ein junger Student, der sehr begabt ist, aber auch ein bisschen faul geworden ist, weil er gar nicht den Sinn im Studium sieht. Die beiden Jungs, die in Afghanistan kämpfen, das sind die ultimativen Amerikaner aus der Gosse, aus dem Getto hochgekommen. Ein Latino und ein Schwarzer, die dann nicht mehr fragen, was das Land für sie tun soll, sondern sich selber fragen, was sie für das Land tun können. Das ist der alte Kennedy-Satz, der in Amerikas Gedächtnis eingebrannt ist. Sie gehen dann nach Afghanistan und sterben auch einen furchtbaren Tod, weil nämlich diese Strategie, die der Senator in Washington gerade der Journalistin nahezubringen versucht, sofort wieder fehlschlägt. Dieser Ausschnitt, den Sie von Joschka Fischer gebracht haben, war die Antwort auf meine Frage, ob denn eigentlich wir mit dem Gefühl der Bedrängnis nach Hause gehen müssen, weil es keinen Ausweg aus der Situation gibt. Bei der Diskussion und auch in dem Film ist es so. Die Lage ist ungemein verfahren, und eigentlich sehen wir gar nicht, wie wir da rauskommen sollen. Es wird also noch lange dauern.

Billerbeck: Robert Redford hat auch gestern Abend die US-Regierung kritisiert und u. a. gesagt, dass sie die Ängste der Amerikaner nach dem 11. September eben ausgenutzt hat. Das ist ja inzwischen nicht mehr sonderlich mutig. Denn auch einstige Kriegsbefürworter aus dem Lager der Konservativen haben ihre Ansicht gewechselt und halten den Irakkrieg für falsch. Halten Sie den Film dennoch für mutig?

Spörl: Der Film ist mutig, ganz einfach aus dem Grunde, weil die Diskussion in Amerika über diesen Film wird mit aller Heftigkeit der Brutalität geführt werden, weil die habituellen Gegner von Robert Redford werden sagen, es ist so typisch. Es ist der Anti-Bush-Film, werden sie sagen. Es ist ein Anti-Amerika-Film, und der soll Hillary Clinton in die Hände spielen. So ist Amerika eben momentan, verunsichert, aggressiv, polarisiert. In diese Gefühls- und Gemütslage hinein wird dieser Film kommen und eine größere Diskussion auslösen. Das glaube ich schon. Aber Amerika ist zerfallen mit sich selber. Amerika hat eben auch immer beides. Es gibt auch die Redfords. Es gibt natürlich auch unter den Schriftstellern und in den Medien Leute, die Selbstkritik üben. Es ist auch immer Selbstkritik dabei. Redford sagt auch, sie haben mich um Verständnis und Geduld gebeten. Ich habe es
ihnen gegeben, was haben sie daraus gemacht.

Billerbeck: Eines der Kernthemen des Films ist auch das Verhältnis von Politik und Medien, Politikern und Journalisten. Wie hat das der Journalist Spörl gesehen?

Spörl: Ja, das schmerzt schon. Es ist eine archetypische Situation zwischen dem Senator und der Journalistin, wie sie jeder von uns kennt. Der Senator versucht sie zu umwerben, damit sie eine Geschichte schreibt, die so aussieht, wie er ihr das sagt. Das hat es im Weißen Haus gegeben, im Pentagon. Das gibt es im Kanzleramt, das gibt es in Paris. Das ist die Grundsituation zwischen den beiden. In Amerika war es fast schmerzhaft zu beobachten, wie nach dem 11. September die Eins-zu-eins-Wiedergabe von Verlautbarungen und Hintergrundgesprächen aus dem Weißen Haus und dem Pentagon den Journalismus gefärbt hat. Das ist schon ein Unterschied zum europäischen Journalismus. Der amerikanische Journalismus in diesen Tagen war so patriotisch, wie das Land war und wie die Regierung wollte, dass das Land ist. Die Eliten haben da alle versagt. Ich kann nur sagen, wir sind bisher, glaube ich, nicht in dieser Situation gewesen. In den 70er Jahren, zu den Hochzeiten der RAF, war das ähnlich, dass Deutschland so gespalten war in seinen Meinungen, sodass es schwierig war, dazwischenzukommen. Aber man wünscht sich solche Situationen jedenfalls nicht.

Billerbeck: Der Film gestern Abend ist von Ihnen, also vom "Spiegel", und von der Filmfirma präsentiert worden. Vorab gab es den von mir schon erwähnten Artikel von Frank Schirrmacher in der "FAZ". Da hat er den Film eben als womöglich "den Antikriegsfilm unserer Zeit" präsentiert. Teilen Sie dessen Meinung, wenn Sie ein Fazit ziehen?

Spörl: Es ist ein sehr intelligent gemachter Antikriegsfilm. Er ist nicht platt. Er ist ein Film, der in Europa auf große Zustimmung stoßen wird, weil er ein intelligenter Film auch für Intellektuelle ist. Es geht natürlich auch ans Gemüt. Es sind schöne Bilder dann da. Es sind auch niederschmetternde Bilder. Aber es ist ein ungemein, ich sagte es schon, intelligentes Theaterstück, deswegen springen wir so darauf an. Er ist ungemein aktuell. Es kommt wieder Iran ins Spiel, als würde der Film gerade gemacht worden sein. Er ist vor einem Jahr gedreht worden. Er hat schon ein Gespür gehabt für das, was in der Zeit liegen würde. Insofern kann man sagen, es ist ein hochmoderner, hochintelligenter Antikriegsfilm. Aber es wird nicht viele dieser Art aus Amerika geben, weil eben Robert Redford Robert Redford ist. Und andere können sich das, glaube ich, gar nicht erlauben.

Billerbeck: Gerhard Spörl war das, Außenpolitikchef des "Spiegel", der gestern Abend eine Diskussionsrunde mit Robert Redford in Berlin geleitet hat, Joschka Fischer war dabei, Heinrich August Winkler, nach Redfords Film "Von Löwen und Lämmern". Ich danke Ihnen!