Intellektuell und emanzipiert

Von Petra Marchewka · 04.04.2006
Eine junge deutsche Modedesignerin aus Hamburg erregt jetzt international Aufsehen, weil sie nicht nur hochwertige, geschmackvolle Damen-Garderobe entwirft, sondern weil sie auch, vereinfacht ausgedrückt, den Frauen die Kleider wieder zurückgeben will. Anna Fuchs verbindet mit ihren Entwürfen ein feministisches Statement das da heißt: Rückschrittlich ist, wer sein weibliches Selbstverständnis verleugnet.
"Ich finde schon, dass in den deutschen Frauenköpfen schon noch dieses Bild vorherrscht, sich zu erniedrigen, wenn man sich wie eine Frau kleidet."

Anna Fuchs. Schlägt die Beine übereinander und zieht an ihrer Zigarette. Auftritt: selbstbewusst, powervoll, ungeheuer präsent.

"Ich finde ja sogar, man kann sich viel besser durchsetzen, man ist überzeugender, wenn man eben wie eine Frau auftritt und kann trotzdem argumentieren wie ein Mann."

Ihr Laden im angesagten Hamburger Karoviertel ist keine schrille Boutique für Modisches und nichts für Laufkundschaft. Fuchs hat die 30 Quadratmeter im Souterrain gerade schwarz-weiß streichen lassen, nichts lenkt ab vom Wesentlichen, perfekten Schnitten, hochwertigen Stoffen. Anna Fuchs bedient hier immer höchstpersönlich, vertreten lässt sie sich allenfalls manchmal durch ihre Mutter.

"Ja, meine Mutter löst mich manchmal ab, ... Ne richtig gute Fachverkäuferin zu finden, ist nicht mehr so einfach."

Die zierliche Frau mit den schulterlangen, braunen Haaren trägt eine schwarze Strumpfhose, schwarze Stilettos, einen schwingenden Tellerrock, dazu einen weichen Pullover, wahrscheinlich Mohair. Ihre Mode sei immer und jederzeit tragbar, sagt die 32-Jährige.

"Zum Putzen ziehe ich ausschließlich meine Klamotten an. Kleidung muss getragen werden. Ich putze in hohen Hacken und in schicken Kleidchen, pourquoi pas? Warum nicht?"

Weil sie kaputt gehen und schmutzig werden, wagt man kaum zu denken?

"Ja, das ist schon wieder so ein deutscher Gedanke! Wozu gibt es ‘ne Reinigung? Wozu kann man mal einen nassen Lappen nehmen und sich das wieder anwischen?"

Anna Fuchs: Zu ihren Kundinnen gehören die Schauspielerinnen Heike Makatsch und Marie Bäumer, Sängerin Nena auch, ein paar Jazz-Sängerinnen kaufen Anna Fuchs-Garderobe für die Bühne. Anwältinnen, Managerinnen lassen sich hier einkleiden, aber auch Studentinnen: Kosten die Kleider auch stolze 250 Euro aufwärts mit open end, setzt ihre Kundschaft auf die hohe Qualität - und verzichtet im Zweifelsfall lieber auf Ausgaben für Mittelmäßiges.

"Es ist eine intellektuelle Mode, die ich auf eine Weise mache. Es ist eine sehr emanzipierte Mode. Frauen, die mit diesem gängigen Bild von sexy, wie es die Medien propagieren, die fühlen sich nicht wirklich dadurch angesprochen. Da muss der Rock mindestens kurz überm Arsch enden."

Vor sechs Jahren, mit 26, hat Fuchs das kleine Label eröffnet, nach einer Schneiderlehre und einem Auslandsaufenthalt. Beeil’ Dich, hat sich die Tochter eines Schriftstellers gesagt, um dann alle Energie statt in ein Designstudium in eigene Kollektionen zu stecken.

"Ja, also das sind jetzt die letzten Reste der Winterkollektion, ich kriege ja jetzt in Kürze eine neue Kollektion, die träufelt hier so rein, ab April, und dann kommt jeden Monat ein bisschen was rein."

Hosen? Die gibt’s hier gar nicht.

"Gar nicht. Ich mache Overalls, also alles in einem, ... das ist eigentlich das einzige, was ich mit einem Hosenbein kombiniere. Ich muss nicht das machen, was andere Hersteller machen, das ist ganz wichtig ... "

Emanzipation in Kleidern - das war bislang so eine Sache. Hätte etwa Frau Merkel im Kleid den Sprung ins Kanzleramt geschafft? Frauen in Kleidern - ein Rückschritt?

"Ich halte genau den anderen Gedanken, nämlich nur Hosen und Turnschuhe anziehen zu müssen, um erfolgreich daher zu kommen, das halte ich für rückschrittlich. Es ist ja schon eine Verleugnung des eigenen weiblichen Selbstverständnisses, sag ich mal."

Schon zwei Mal ist Anna Fuchs für den Rising Star Award nominiert worden, einen New Yorker Mode-Nachwuchspreis, der in der Branche hoch angesehen und heiß begehrt ist. Zwar mache sich diese Ehre noch nicht auf ihrem Konto bemerkbar, gibt die Designerin zu. Aber die Medienbranche hat die Fuchs bereits in den Stand einer Jil-Sander-Erbin erhoben.

"Ich finde, grundsätzlich ist die deutsche Frau eine sehr schicke Frau, sie ist eine sehr interessante Frau für Mode, wenn doch mal der Moment kommen würde, wo sie sich im Kopf mal ein bisschen locker macht."

Anna Fuchs: Hungrig auf das Leben und die Welt, verliebt in die Bücher von Paul Auster und den Jazz. Neuerdings, sagt sie mit strahlend-braunen Augen, lernt sie Swing-Tanzen, zusammen mit ihrem Freund, dem Mann, den sie den idealen Partner nennt, weil er sie auf ihrem Weg begleitet. Von schöner Garderobe, erzählt Anna Fuchs, hat sie schon als Mädchen geschwärmt und sich in selbst genähte Kleider gehüllt. Kleider: Für sie ein Motor, erwachsen werden zu wollen.

"Früher galt ich mal als sehr, sehr schüchtern. Ich hab’ das überwunden. Mir hat Kleidung sehr geholfen, ein Selbstbewusstsein zu erlangen. Vielleicht ist das das Persönlichste an meiner Arbeit auch. Und vielleicht ist sie deshalb auch von Erfolg gekrönt, denn die Leute merken, dass hier irgendwas passiert, was aus der tiefsten Seele der Person, die es eben macht, kommt."