"Inside Wikileaks - Die fünfte Gewalt"

Von Hans-Ulrich Pönack · 30.10.2013
Mitten in die Debatten dieser Tage passt der Film über die Geschichte von Wikileaks rund um seine Hauptakteure Julian Assange und Daniel Domscheit-Berg - darstellerisch brillant charakterisiert. Ein hochspannedes Thema, allzu sprunghaft erzählt, das als Kopfkrimi dennoch wunderbar funktioniert.
Julian Assange, am 3. Juli 1971 im australischen Queensland geboren, politischer Aktivist, Journalist, Computer-Hacker, gehörte zu den Initiatoren und treibenden Kräften, als die "gemeinnützige" Internetplattform Wikileaks im Oktober 2006 gegründet wurde. Anonyme Whistleblower konnten hier ihre geheimen Informationen unterbringen - über amoralische Begebenheiten oder Situationen in der eigenen Firma oder "Unregelmäßigkeiten" der eigenen Regierung - alles ein gefundenes Fressen für Julian Assange (Benedict Cumberbatch), dem bald populären Rebellen unserer immer fiebriger werdenden Informationsgesellschaft. Einer, der die Macht der Mächtigen infrage stellen will .An seiner Seite später auch der deutsche Informatiker Daniel Domscheit-Berg (Daniel Brühl), ein geschickter und idealistischer Netzwerkingenieur.

Die ihnen zugespielten Informationen häufen sich und werden immer "intensiver". Ihr erster öffentlicher Daten-Triumph wird 2008 die Veröffentlichung von Schwarzgeldgeschäften der Schweizer Privatbank Julius Bär. Peinliche Details über Regierungskorruption in Kenia folgen. 2009 gelingt der Supercoup. Mit der Veröffentlichung von Videodokumenten über die "genüssliche" Erschießung von Zivilisten im Irak, seitens der US-Armee. 2010 schließlich die Krönung mit der spektakulären Veröffentlichung von streng geheimen amerikanischen Militärdokumenten "in Zusammenarbeit"‘ mit den drei Weltspitzenmagazinen "The New York Times", "The Guardian" und "Der Spiegel". Von nun ab gilt der charismatische weißhaarige Julian Assange für viele "Offizielle" dieser Welt als der Feind schlechthin - als Staatsfeind.

Allerdings hat er zu diesem Zeitpunkt auch schon intern längst Feinde – wegen seiner störrischen Autorität genauso wie dank seiner zunehmenden Verantwortungslosigkeit "dem Material gegenüber". Durch dessen Veröffentlichung immer mehr Menschen gefährdet sind oder werden oder bereits wurden. Assange und Domscheit-Berg trennen sich im Streit. Der Film ist kein sonderlich guter Thriller. Er springt unbedarft und mit schnellen Schnitten über Zeiten, Dokumente, internationale Standorte. Mit dem namhaften, aber kaum näher zu identifizierenden Neben-Personal (Moritz Bleibtreu, David Thewlis, Stanley Tucci, Laura Linney). Allerdings wirkt er ungemein stark als Kopf-Krimi über zwei Weltverbesserer des 21. Jahrhunderts, die einst antraten, die Spielregeln der Macht zu korrigieren. Technisch ausgefuchste Visionäre, die mehr Gerechtigkeit, "Wahrheit" durch Transparenz einforderten. Und dabei offenbar in eine Sackgasse gerieten, weil die Aktionen nicht zu Ende gedacht waren, weil sie selbst –zum Teil – Machtspiele mitspielten. Hochinteressante Fragen dieser Tage stellen sich im Film.

Alle dramaturgischen Einwände und stilistischen Unebenheiten kopflastig packend und beiseite wischend. Auch, weil zwei Hauptakteure dicht an den Haupt-Typen dran sind und großartig agieren. Der neue britische Superstar Benedict Cumberbatch, 36, der wahnsinnig-brillante Sherlock Holmes aus der phantastischen BBC-Serie "Sherlock", trifft Ton, Bewegungen, Nuancen dieses möglicherweise paranoid gewordenen Julian Assange glänzend. Und Daniel Brühl, eben noch im Kino als fulminanter Niki Lauda in "Rush – Alles für den Sieg", wird "international" immer besser. Als Daniel Domscheit-Berg ist er erst Feuer und Flamme, um dann nüchtern-souverän die Bodenhaftung zurückzugewinnen. Als moralische Instanz besitzt er Leidenschaft und Feingefühl. Ein hochspannender Film –mitten im Zentrum der Debatten dieser Tage.

USA/Belgien 2013, Regie: Bill Condon, Mit: Benedict Cumberbatch, Daniel Brühl, Länge: 128 Minuten, FSK: ab zwölf Jahren
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