Donnerstag, 28. März 2024

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Studie von US-Psychologen
Facebook-Posts zur Früherkennung von Depression nutzen

US-Psychologen haben in einer Studie entdeckt, dass eine bestimmte Sprache in Facebook-Posts ein Signal für eine Depressionserkrankung sein können. Im klinischen Bereich könnte dies als ergänzende Methode bei der Früherkennung eingesetzt werden, sagte einer der beteiligten Forscher im Dlf.

Johannes Eichstaedt im Gespräch mit Lennart Pyritz | 16.10.2018
    Ein Mann sitzt vor einem eingeschalteten Laptop und legt sein Gesicht in die Hände.
    Sprache in Facebook-Posts kann auf eine mögliche Depressionserkrankung hinweisen (picture alliance / dpa/ Oliver Berg)
    Lennart Pyritz: Vermissen, traurig sein, weinen; hassen, Schmerzen haben oder einsam sein: Auf Facebook und in anderen sozialen Medien teilen Menschen mitunter sehr persönliche Informationen über ihre Gefühlslage. Ein US-amerikanisches Forschungsteam hat jetzt untersucht, ob man anhand der Sprache in Facebook-Posts eine später tatsächlich diagnostizierte Depression vorhersagen kann. Die Ergebnisse sind gerade im Fachblatt PNAS erschienen. Über die Studie habe ich heute vor der Sendung mit Johannes Eichstaedt gesprochen: Psychologe an der University of Pennsylvania. Und ich habe ihn zuerst gefragt, wie und wo die Teilnehmer für diese Studie gefunden wurden?
    Johannes Eichstaedt: Ja, das war ein ziemliches Abenteuer. Da sind wir tatsächlich mit wissenschaftlichen Assistenten in die Notaufnahme in einem großen Krankenhaus in den USA und haben 11.000 Menschen ein iPad vor die Nase gehalten, und auf dem iPad hatten die Menschen dann die Möglichkeit, sowohl einzuwilligen, ihre Krankenakten zu teilen als auch sich in Facebook einzuloggen und uns Zugriff auf die Daten zu geben. Von diesen 11.000 Menschen, die wir da angesprochen haben, waren am Ende ungefähr 1.000 in der Lage … haben zugestimmt und waren in der Lage, sich an ihr Passwort zu erinnern und so weiter.
    Untersuchung von Facebook-Posts und Krankenakten
    Pyritz: Sie haben also dann zum einen die Krankenakten dieser Menschen, die Sie angesprochen haben, ausgewertet und geschaut, ob bei denen eine Depression diagnostiziert wurde, und zum anderen haben Sie untersucht, was die Studienteilnehmerinnern und -teilnehmer in der Zeit vor dieser Diagnose auf Facebook geschrieben haben. Wie genau sind Sie dabei vorgegangen?
    Eichstaedt: Wir haben diese Sprache statistisch zerlegt, also wir haben geguckt, mit welcher Frequenz verwenden diese Menschen verschiedene Wörter. Dann haben wir da Methoden der Künstlichen Intelligenz verwendet, um auch noch den Sprachraum aufzubereiten in einer Art und Weise, dass der Computer das statistisch versteht. Dann haben wir diese statistische Darstellung der Sprache verglichen mit der Information, ob das jetzt ein Patient ist, der depressiv ist oder nicht, was wir von den Krankenakten wissen, und so hat der Computer dann gelernt oder haben diese Algorithmen dann gelernt, die Sprachfragmente zu erkennen, die Vorhersage erlauben, dass da eine Depression vorliegt.
    Pyritz: Was war dann das Ergebnis, welchen Zusammenhang, welche Zusammenhänge zwischen psychischer Verfassung und Facebook-Posts konnten Sie feststellen?
    Eichstaedt: An erster Stelle haben wir festgestellt, dass es tatsächlich in der Lage ist, durch diese Algorithmen vorherzusagen aufgrund der Sprache, die wir von Facebook haben, diese Sprachfragmente, ob sich eine Depression entwickeln wird oder nicht. Auf der anderen Seite ist es uns auch gelungen, Sprachfragmente zu identifizieren, die bestimmten Symptomen der Depression zuzuordnen sind, unter anderem eben, dass Menschen mehr negative, wie man auch vermuten würde, über negative Gefühle sprechen, dass sie sich alleine fühlen, dass sie sehr viel über körperliche Beschwerden reden und dass sie auch teilweise relativ feindselig sind. Das ist uns auch gelungen, das zu isolieren.
    Pyritz: Welchen Zeitraum von Mitteilungen auf Facebook kann oder sollte man denn betrachten, um eine später folgende Depressionsdiagnose möglichst sicher vorhersagen zu können? Haben Sie da auch sozusagen längere Zeiträume auf Facebook?
    Eichstaedt: Wir brauchen schon Daten von längeren Zeiträumen, allein weil wir eine gewisse Datendichte brauchen, um diese Vorhersagen zu erlauben, und wir haben auch mal im Detail geguckt, wie lange diese Zeitspannen sein sollten. Also ein halbes Jahr ungefähr brauchen wir. Bei den Patienten, die wir da in den USA hatten, brauchten wir ungefähr ein halbes Jahr Daten von Facebook-Sprache, von Facebook-Inhalten, um die Vorhersage zu erlauben. Grundsätzlich ist das so, je näher das Zeitfenster dieser sechs Monate der Facebook-Sprache an der Diagnose sind desto besser ist unsere Möglichkeit, das vorherzusagen.
    Möglichkeiten für die klinische Anwendung
    Pyritz: Könnte oder sollte diese Vorhersagemöglichkeit über Äußerungen in sozialen Medien denn Ihrer Ansicht, Ihrer Einschätzung nach tatsächlich medizinisch genutzt werden?
    Eichstaedt: Ja, das ist eine komplizierte Frage, und da sind wir noch ganz am Anfang. Also da gibt es verschiedene Überlegungen. Auf der einen Seite im rein klinischen Bereich sind die Vorhersagegenauigkeiten dieser Technologien noch nicht gut genug, um alleine dafür zu taugen, diese Vorhersagen zu erlauben. Also wenn Sie das im klinischen Bereich anwenden würden, könnte man das im Grunde nur kombinieren mit anderen Screening-Methoden, zum Beispiel, indem man Fragebögen ausfüllt oder mit einem Psychologen redet. In dem Zusammenhang können diese Technologien dazu taugen, den Kreis einzugrenzen der Menschen, die man dann noch mal prüfen muss. Als alleinstehende Technologie sind da einfach die Genauigkeiten noch nicht hoch genug, um den normalen klinischen Standards zu genügen für eine gute Screening-Methode.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.