Inklusion

Lehrer und Schauspieler mit Down-Syndrom

Der Schauspieler Pablo Pineda, aufgenommen in Barcelona (Foto vom 30.01.2004). Der Student aus Malaga ist mit dem Down-Syndrom zur Welt gekommen.
Trotz Down-Syndrom: Pablo Pineda hat ein Studium abgeschlossen und hält Vorträge. © picture alliance / dpa / Jaume Sellart
Von Susanne Arlt · 28.10.2016
Er gilt als geistig behindert, weil er mit dem Down-Syndrom zur Welt gekommen ist: Dennoch hat Pablo Pineda ein Lehramtsstudium abgeschlossen und arbeitet als Autor, Referent und Schauspieler.
"Schon immer bin ich ein glücklicher Mensch gewesen, von klein auf. Noch nie habe ich bedauert oder bereut, was ich in meinem Leben gemacht habe. Ja, das ist die Wahrheit und ich werde auch immer ein glücklicher Mensch bleiben."
Pablo Pineda hat jede Menge Lachfältchen um seine braunen Augen. Und sein Lachen klingt so direkt und offen wie er auch als Mensch wirkt. Der Spanier wägt seine Worte nicht ab, er ist authentisch und gerade heraus. Pablo Pineda ist mit dem Down-Syndrom zur Welt gekommen. Solche Kinder, so lautete bei seiner Geburt die Prognose, werden ihr Leben lang nie über das geistige Niveau eines Vierjährigen hinauskommen.
"Grenzen habe ich für mich nie gesehen. Also Grenzen in dem Sinne, wie weit ich komme, was ich alles in meinem Leben erreichen kann."
Johanna von Schönfeld: Ohrenkuss-Ausgabe "Superkräfte" 2013
Dieses Foto hängt in der Bundeskunsthalle in der Schau "Touchdown".Johanna von Schönfeld: Ohrenkuss-Ausgabe "Superkräfte" 2013© © Martin Langhorst, www.lichtbilderlanghorst.de

Ausstellungstipp: Touchdown - Eine Ausstellung von Menschen mit Down-Syndrom, Kunsthalle Bonn vom 29.10.2016 bis 12.3.2017

Pablo Pineda ist nicht nur ein glücklicher, er ist auch ein starker Mensch. Was er bisher in seinem Leben erreicht hat, das hat noch kein Mensch mit Down-Syndrom vor ihm geschafft. Er ging zur Schule, machte das Abitur, schloss ein Studium als Lehrer ab. Und er war der Star eines Spielfilms, hat Fernsehsendungen moderiert und ein Buch geschrieben. Heute reist er um die Welt und hält Vorträge über das Thema Inklusion in der Schule. Auch in Deutschland. Seine Eltern haben ihm dabei unendlich geholfen. Denn sie behandelten ihren Jüngsten wie seine drei älteren Brüder. Normal eben.
"Meine Familie und meine Eltern haben immer an mich geglaubt, an mich und meine Fähigkeiten. Das haben sie mir aber nicht so sehr mit Worten gesagt, nein, sie haben das ganz subtil gemacht. Und das hat mir das nötige Selbstvertrauen gegeben, ja und meine Wertschätzung für mich selbst, die hat mich einfach selbstsicher gemacht. Sie hat mir die Kraft gegeben, immer weiter zu machen."

Besuch einer normalen Schule

Doch was man in seinem Leben erreichen kann, hängt auch mit Bildung zusammen. Pablo Pineda nickt. Er war schon immer ein wissbegieriger, neugieriger Mensch. Mit vier Jahren habe er angefangen, das Alphabet zu lernen, erzählt seine Mutter Maruja, die ihn auf seinen Reisen stets begleitet. Jeden Tag hat er mehr von uns gefordert, erinnert sie sich. Die Eltern beschlossen deshalb, Pablo auf eine normale Schule zu schicken. Ein echter Kampf sei das gewesen, erklärt die Mutter, es gab so viele Vorurteile. Pablo redet nicht gerne darüber, aber das sei damals alles schon ziemlich utopisch gewesen."
"Für mich war das aber absolut wichtig, dass ich eine öffentliche Schule besuchen, und weil ich alles mit diesen Kindern teilen konnte. Sie haben mich nie als den mit dem Down-Syndrom gesehen. So etwas erreichst du aber nur im täglichen Miteinander. Der Besuch einer normalen Schule war da ein ganz, ganz wichtiger Schritt. Das hat mir Welten eröffnet. Ich konnte lernen, wie man Freundschaften schließt. Wie man mit Mädchen umgeht."
Auf einer Sonderschule, glaubt Pablo Pineda, wäre ihm das nie gelungen. Während man in Deutschland das Thema Inklusion in Schulen eher thematisiert als praktiziert, besuchen in Spanien inzwischen 85 Prozent der Kinder mit Down-Syndrom eine reguläre Schule. An einer staatlichen Schule darf er in Spanien trotz seines abgeschlossenen Studiums nicht arbeiten. Um Beamter zu werden, müsste er zu viele Prüfungen ablegen. Traurig macht ihn das nicht, aber es enttäuscht ihn.

Auf der Suche nach der "Liebes seines Lebens"

Wenn ihn etwas traurig macht, dann doch eher die Tatsache, dass es mit der Liebe im wirklichen Leben noch nicht geklappt hat. In dem spanischen Spielfilm Yo también spielt er einen jungen Mann mit Down-Syndrom, der sich in seine Arbeitskollegin verliebt. Seine Liebe wird erwidert – wenn auch nur ein einziges Mal.
"Die Liebe seines Lebens zu finden, das ist wirklich kompliziert. Jeder hat ja so ganz bestimmte Vorstellung von der idealen Frau oder dem idealen Mann. Ich glaube, die Frau, die sich in einen Mann mit Down-Syndrom verliebt, die muss schon aus einem besonderen Holz geschnitzt sein. Sie braucht eine ganz tiefe Sensibilität und sie muss das Anderssein und die Unterschiedlichkeit als etwas Positives empfinden."
Und dann lacht er schon wieder von einem Ohr zum anderen. Zu seinem Glück gehört, dass er anderen Menschen Mut macht. Menschen, die wie er anders sind. Und auch denen weiterhilft, die viel zu wenig verstehen vom Anderssein.

Die Kuratorin der Ausstellung "Touchdown" und Projekt-Leiterin des Forschungsprojektes "Touchdown 21" - ein Forschungsprojekt mit und über Menschen mit Down-Syndrom -, Katja de Bragança, sprach im Interview mit Deutschlandradio Kultur über diese Projekte.
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