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Animalische Straßenkehrer
Ameisen fressen Ratten das Fastfood weg

In deutschen Großstädten versuchen es die Stadtverwaltungen mit Humor: Sprüche auf den Mülleimern sollen Passanten dazu animieren, ihren Abfall in die Behälter zu werfen. In New York haben Biologen jetzt entdeckt, dass das New York City Department of Sanitation Hilfe von unerwarteter Seite bekommt.

Von Joachim Budde | 02.12.2014
    Fastfood wie Hot Dogs gibt es in Manhattan an jeder Straßenecke. Viele Reste dieser Snacks landen auf Straßen und in Parks – Arbeit für die Stadtreinigung. Jetzt haben Entomologen von der North Carolina State University festgestellt, dass auch sechsbeinige Straßenkehrer kräftig mit anpacken: Elsa Youngsteadt und Kollegen haben in Parks und auf Grünstreifen in den Straßenschluchten Stückchen von Hot Dogs, Keksen und Kartoffelchips platziert, und zwar in Käfigen mit engen Maschen, sodass nur Insekten und andere Krabbeltiere sie essen konnten.
    "Wir haben hochgerechnet: Wenn die Ameisen fünf bis acht Monate im Jahr aktiv sind, fressen sie knapp eine Tonne Essensreste. Das entspricht etwa 60.000 Hot Dogs oder 200.000 Keksen auf den 150 Straßenblocks, also den 15 Kilometern, die wir uns angeschaut haben."
    32 verschieden Ameisenarten in NYC
    Eigentlich haben die Biologen die Artenvielfalt der Ameisen in New York City untersucht. Sie waren über die Diversität überrascht: 32 Spezies fanden sie.
    "In freier Wildbahn geht man davon aus, dass ein Ökosystem seine Aufgaben umso besser erfüllt, je größer die Artenvielfalt dort ist – zum Beispiel CO2 aufnehmen oder Wasser filtern. Wir dachten also, so ist es auch in der Stadt: Wo viele Ameisenarten unterwegs sind, sammeln sie besonders effizient Essensreste ein. Das Gegenteil ist aber der Fall: In den Parks mit der höchsten Diversität räumten sie am langsamsten auf."
    Bei der Fastfood-Entsorgung komme es also nicht auf die bloße Vielfalt an. Viel wichtiger sei, welche Spezies anwesend sind.
    "Am schnellsten haben pavement ants, Pflasterameisen, ausgeräumt. Diese Ameisenarten stammen ursprünglich aus Europa und Asien. In Nordamerika leben sie vor allem in Städten. Offenbar mit Heißhunger auf Fastfood."
    Beitrag der Insekten bescheiden, aber spürbar
    Offenbar kommen sich die eingeführten und die heimischen Arten in den großen Städten wenig in die Quere.
    "In New York scheinen sie auf Lebensräume beschränkt zu sein, die von Straßenbelag umgeben sind. Ziegel und Pflaster brauchen sie zum Nisten. In den Parks sind sie selten, dort sind die heimischen Arten häufig."
    Allerdings besagen Statistiken, dass jeder New Yorker pro Jahr ein halbes bis drei Kilo Essensreste auf die Straße wirft. Der Beitrag der Insekten sei also zwar bescheiden, aber spürbar. Und ihre Leistung sei nicht nur eine ästhetische. Das sollten auch die Stadtbewohner erkennen, findet Elsa Youngsteadt.
    "Auch wenn es eine Stadt ist und Menschen sie gebaut haben, sie ist zugleich ein Ökosystem – und das leistet manchmal Dinge für uns, die wir nicht erwartet hätten. Viele Städter haben uns gesagt: »Hoffentlich findet Ihr was, um die Ameisen zu töten.« Aber auch wenn sie Ameisen lästig finden, Ratten mögen sie noch weniger. Denn Ratten sind nicht nur hässlich, vor allem übertragen sie Krankheiten auf den Menschen und verursachen andere Gesundheitsprobleme – Ameisen aber nicht."
    Jeden Hot Dog, den die Ameisen vertilgen, können die Ratten nicht mehr fressen.