Informatikerin und Digital-Pionierin Christiane Floyd

Die ethische Verantwortung der Entwickler

34:13 Minuten
Die Informatikerin Christiane Floyd steht an einem Rednerpult in einem Hörsaal under Uni Paderborn und spricht.
Christiane Floyd bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Universität Paderborn. © Universität Paderborn / Laura Speer
Moderation: Annette Riedel · 02.07.2020
Audio herunterladen
Christiane Floyd wurde 1978 Professorin für Informatik - als erste Frau im deutschsprachigen Raum überhaupt. Zahlen waren schon immer ihr Leben. Ihre Agenda: den Computer möglichst anwenderfreundlich zu machen.
An einen PC, einen Personal Computer, war noch nicht zu denken, als Christiane Floyd Ende der Siebzigerjahre an die Technische Universität Berlin kam. Auch in der Informatik nutzten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler noch massive, in Rechenzentren aufgestellte Computer.

Informatik - eine Disziplin der Pioniere

Kaum jemand ahnte, wie massiv die Digitalisierung später alle gesellschaftlichen Lebensbereiche durchdringen würde. "Den Stellenwert, den es haben würde in unserer Gesellschaft, das konnte mir nicht klar sein", erzählt Christiane Floyd.
Die promovierte Mathematikerin prägt früh eine eigene Richtung in der Informatik, stellt den Menschen in den Mittelpunkt. Interaktive Systeme sollen nicht nur mathematisch und technisch korrekt gestaltet sein, sondern auch so, "dass Menschen sinnvoll damit arbeiten können".

Aus der Praxis an die Universität

Nicht nur als Frau sticht Christiane Floyd in ihrem beruflichen Umfeld heraus - auch, weil sie aus der Industrie an die Universität kommt: "Ich war ja nicht einmal habilitiert." Ihre Qualifikation gründet auf ihrer Erfahrung in der praktischen Softwareentwicklung.
Nach ihrem Studium und der Promotion arbeitet Christiane Floyd bei Siemens. Ab 1968 forscht sie an der Stanford University in Kalifornien, heiratet einen Amerikaner, bekommt einen Sohn.
Sie ist fasziniert vom flirrenden Leben in Kalifornien der 1960er Jahre. Die alternative Subkultur "bedeutete mir sehr viel". Hier kommt Christiane Floyd auch mit dem Protest gegen den Vietnamkrieg in Berührung.

Schlüsseltechnologie im Kalten Krieg

"Ich hab' mich da mit dem Herzen eingebracht. Es war dann auch schnell klar, dass die Computertechnik eine Schlüsseltechnologie ist im Kalten Krieg. Und damit lag die Verantwortungsgeschichte unmittelbar auf dem Tisch."
Für Christiane Floyd war es wichtig, wie sie betont, mit ihrer wissenschaftlichen Arbeit über und mit Computern auch den zivilen Gebrauch von Computern voran zu bringen und neu zu durchdenken: "Weil die Computertechnik so neu war, dass man zum Teil die Nutzer - es ist jetzt vielleicht übertrieben, dies zu sagen - vergewaltigt hat. Aber ich möchte trotzdem das Wort nehmen, weil man Arbeitsprozesse neu definiert hat, die überhaupt nicht den Menschen entsprochen haben."
Christiane Floyd, während des Zweiten Weltkriegs in Wien geboren, spürt die ethische Verantwortung, die auf Entwicklern und Entwicklerinnen lastet, "nicht nur in der Rüstung, auch im zivilen Gebrauch von Computertechnologie". Es beschäftigt sie, wie sehr die neue Technologie die Arbeit von Menschen verändert.
Ihre erste Ehe scheitert. Schweren Herzens lässt Floyd zu Beginn der 1970er Jahre die Pazifikküste hinter sich und kehrt mit ihrem Sohn nach Deutschland zurück. Heiratet wieder, bekommt eine Tochter. Doch auch die zweite Ehe hält nur wenige Jahre.
Die Informatikprofessorin ist zeitweise alleinerziehende Mutter von zwei Kindern. Ihr Problem als Frau sei nicht gewesen, dass sie nicht akzeptiert wurde, betont Floyd, sondern dass ihre Lebensumstände mit zwei kleinen Kindern einschneidenden Beschränkungen unterlegen hätten.

"Die Frauen haben mich gesucht"

30 Jahre lang lehrt und forscht Christiane Floyd an der TU Berlin. In der Zeit betreut sie rund 15 Doktorandinnen und 30 Doktoranden. Anfangs habe sie die Frauenförderung "nicht auf der Agenda gehabt", erzählt die 77-Jährige. Erst allmählich habe sie dann gemerkt, dass die Frauen sie "gesucht" hätten.
Aus eigener Erfahrung weiß sie, wie viel Kraft die Doppelbelastung kostet. Heute seien arbeitende Frauen zwar gesellschaftlich akzeptiert - aber wer versuche, "Beziehung, Beruf und Kinder zu leben", der habe es immer noch schwierig.
(le/ful)
Mehr zum Thema