Indie-Rock mit Tradition

Von Katrin Wilke · 11.10.2013
Der Sound der New Yorker Band DeLeon ist stark von der alten sephardischen Musik beeinflusst. Mittlerweile hat das Quintett um Frontmann Daniel Saks quasi eine zweite "Filiale" in Mexiko-Stadt aufgemacht - und mit Musikern von dort ihr drittes Album aufgenommen.
"Wir baten die Leute, Songs beizusteuern, fragten in der sephardischen Community und bei den DeLeon-Fans, welche Lieder sie gerne von uns hören würden. Wir bekamen ein Haufen Wunschlieder, von denen viele auf unserem Album landeten. Darunter auch ein paar, die ich noch nicht kannte und vielleicht nie kennengelernt hätte. Zum Beispiel 'Lamma Bada', ein andalusisch-arabisches Lied aus dem 12. Jahrhundert. Das war in keiner meiner sephardischen Liedsammlungen, dabei gibt es Aufnahmen."

Nicht dass Daniel Saks, Kopf von DeLeon, die Ideen ausgegangen wären, nach zwei Alben mit dieser 2006 gegründeten Band und nach vielen weiteren, musikalisch abwechslungsreichen Jahren als singender Gitarrist und Banjo-Spieler. Er hatte einfach Lust, die Community mit in die Arbeit einzubeziehen. Diesen – wie er sagt – nicht allzu großen, aber sehr enthusiastischen Zirkel von Liebhabern sephardischer Musik.

Zu dieser gehört jedoch nicht alles im DeLeon-Repertoire, auch nicht besagtes "Lamma Bada" aus Al-Andalus. Doch ist das bis heute vielfach interpretierte Lied allemal ein wohlklingendes Dokument jener fruchtbaren, relativ friedfertigen Zeit vor der Vertreibung der Juden und Mauren von der Iberischen Halbinsel.

Songpoesien und Instrumentalstücke
Daniel Saks verpasste seinem heutzutage zwischen Brooklyn und Mexico City siedelnden Bandprojekt augenzwinkernd das Etikett "im 15. Jahrhundert verwurzelter Indie-Rock, durchsetzt von tief mysteriösen, bezaubernden Kadenzen der alten sephardischen Tradition". Was etwas kunstvoll daherkommt, ist gar nicht so weit weg von dem, was die mal flotteren, mal getrageneren, meist in Ladino intonierten Songpoesien oder Instrumentalstücke von DeLeon ausmacht.

Zudem gäbe es diese – wenngleich zeitgemäße - spirituelle Qualität – so bekunden der New Yorker Bandleader und der mexikanische Bassist und Arrangeur Dante Pimentel, beide Nachfahren von Sepharden.

Daniel Saks: "Es gibt viel religiöse sephardische Musik, die wir etwas aus diesem Kontext rausstibitzen, wenn wir die uns für die Lieder entscheiden. Ich weiß nicht, wie religiös ich bin, es ist wohl vor allem eine Freude am Leben, dieser Vibe, den ich einem Song zu geben versuche."

Dante Pimentel: "Es ist einfach eine sehr spirituelle Musik, bei der die Leute wirklich miteinander in Verbindung kommen. Man kann die Gemeinschaft fühlen."

Auf jeden Fall, stimmt Daniel zu:

"Ich bin nicht sehr oft in die Synagoge gegangen, aber so zusammen mit den tanzenden Leuten in einem Club hat das schon was von einer Gemeindezusammenkunft."

Alte Weise unter der Diskokugel
In eine partylaunige, unter der Diskokugel glitzernde Nummer hat das Sextett die uralte Weise "Buena Semana" verwandelt. Darin werden die Wünsche für eine "gute neue Woche" besungen, traditionellerweise zur nächtlichen Havdalah-Zeremonie am Shabbat-Ende. Der Ladino-Song kam Daniel Saks erstmals zu Ohren in der Interpretation der bosnisch-amerikanischen Musikerin Flory Jagoda– aus seiner Sicht so was wie der Pete Seeger für die sephardische Gemeinde.

Diese musikalische Entdeckung verdanke der junge Musiker seiner Mutter. Und ohne seine – wie der DeLeon-Frontmann lachend meint – durchaus etwas psychedelische, dem Mystischen verbundene Familie wäre seine Band auch nicht zu ihrem Namen bekommen:

"Der entspricht der Linie unseres Bandkonzepts, sehr alte Musik heranzuziehen und etwas Neues daraus zu machen. Auch in DeLeon steckt beides, einerseits der Name des berühmten Kabbalisten Mosche de Leon. Er verfasst vor Jahrhunderten das Hauptwerk der Kabbala, mystische Interpretationen des Universums. Und dann ist da mein Urgroßvater Giorgio DeLeon, der als junger Typ von Italien in die Neue Welt ging. So steckt ein Teil des neuen und des alten Familienstammbaums in diesem unserem Bandnamen DeLeon."

Ein schöner Zufall, dass Daniel Saks nun von Mosche de Leons Geburtsland Mexiko aus seine musikalischen Visionen weiterspinnt, seine aus elegischem Ladino-Liedgut, Rock, Pop und Country schöpfenden Lieder um die Welt schickt. Und somit eine uralte Musikkultur auf Trab hält und weiterreisen lässt.
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