"In meiner Seele ist Deutsch geblieben"

Moderation: Nana Brink · 07.09.2007
Der israelische Schriftsteller Aharon Appelfeld hat seine Geburtsstadt Czernowitz als "eine deutsche, jüdische Enklave" in den 30er-Jahren des vorigen Jahrhunderts bezeichnet. "Alle haben Deutsch gesprochen", sagte Appelfeld in Erinnerung an seine Kindheit.
Auszug aus dem Gespräch:

Nana Brink: Aharon Appelfeld, geboren 1932 im damals rumänischen Czernowitz, das liegt heute in der Ukraine, Aharon Appelfeld lebt heute in Israel und hat sich als Schriftsteller viel mit seiner Vergangenheit beschäftigt. Als er acht Jahre alt war, wurde seine Mutter von den Faschisten umgebracht, er floh mit seinem Vater aus einem Lager, überlebte in den ukrainischen Wäldern. Und als Küchenjunge kam er bei der Roten Armee unter, bis er dann als 12-Jähriger ins damalige Palästina kam.

Er lehrte bis 2001 als Professor für Literatur und hat über 40 Romane geschrieben. Viele sind auf Deutsch erschienen, zum Beispiel seine Biografie "Geschichte eines Lebens", und jetzt ist auch sein neues Buch "Elternland" auf Deutsch zu lesen. Ich begrüße nun im Studio Aharon Appelfeld, schönen guten Tag.

Aharon Appelfeld: Guten Tag.

Brink: Sie haben Deutsch mal als Ihre Muttersprache bezeichnet, aber das sei 60 Jahre her. Ist es jetzt befremdlich für Sie, dass wir miteinander Deutsch sprechen?

Appelfeld: Selbstverständlich. Bis acht Jahre war Deutsch meine Muttersprache, zuhause haben meine Eltern deutsch gesprochen. Die Stadt war Czernowitz, und die Stadt war irgendwo eine Enklave, eine deutsche, jüdische Enklave. Alle haben deutsch gesprochen. Und es war eine sehr literarische Stadt. Viele Dichter, Schriftsteller, Dramaturgen, Musiker, sind in dieser Stadt geboren. Paul Celan, Rose Ausländer, die sind bekannt in der ganzen Welt. ...

Aber dann kam der Krieg. Meine Mutter war ermordet, meinen Vater hat man irgendwo weggenommen, und ich bin alleine geblieben in einem Lager. Und bin weg von diesem Lager und lebte in den Wäldern. Ich war damals acht Jahre alt und kriminelle Ukrainer haben damals adaptiert, und ich war mit denen. Ich war mit denen wie ein kleines Tierchen.

Brink: Und jetzt ist Hebräisch Ihre Sprache, Sie schreiben also jetzt auf Hebräisch?

Aharon Appelfeld: Ja, in der Kriegszeit habe ich die deutsche Sprache verloren. Es gab russisch, ukrainisch, andere Sprachen. Und aber es ist mir geblieben, in meiner Seele ist Deutsch geblieben, selbstverständlich.