In Hollywood droht ein neuer Streik

Von Kerstin Zilm · 23.12.2008
Rund 100 Tage streikten die Hollywood-Autoren im vergangenen Winter. Jetzt droht der Traumfabrik ein neuer Streik - der der Schauspieler. Die Gewerkschaft selbst ist gespalten über den richtigen Weg - wegen der aktuellen Finanzkrise und weil die negativen Folgen des Autorenstreiks noch immer zu spüren sind.
Mit einer Riesenwerbekampagne lockt der US-Kabelsender FOX Zuschauer zu einer zweimal zwei Stunden Premiere der neusten Staffel seines weltweiten Serien-Super-Hits "24" mit Star Schauspieler Kiefer Sutherland, alias Jack Bauer.

Fast zwei Jahre mussten US-Fans auf die siebte Saison der beliebten Serie warten. Deren Dreharbeiten konnten wegen des Autorenstreiks nicht beginnen. Hauptdarsteller Sutherland nutzte die Zeit, um eine Haftstrafe abzuleisten. Nach Ende der Dreharbeiten verhinderten andere Fakten die Ausstrahlung. Sutherland in einem Interview im US-Fernsehsender PBS:

"Wir haben quasi während des Streiks dicht gemacht. Danach haben wir sofort wieder gearbeitet. Aber FOX hat nur begrenzt Zeit, eine 24-Folgen Serie ohne Unterbrechung auszustrahlen ohne dass eine Football- oder Baseballmeisterschaft dazwischen kommt. Es war wirklich hart."

Der Autorenstreik hatte in vielen Fällen langfristige Folgen. Zum Beispiel kürzten Studios ihre Ausgaben für Entwicklung von Pilotprojekten. In Zeiten vor dem Streik waren zur Jahreswende mehrere tausend Autoren, Schauspieler, Regisseure, Produzenten, Kostümbildner, Kulissenbauer und Make up Künstler mit der Aufnahme von Pilotsendungen beschäftigt. In die investierten Die US-Fernsehstudios jährlich Millionen, in der Hoffnung, den nächsten Hit a la "24", "Desperate Housewives" oder "Dr. House" zu entdecken. Nach Ende des Streiks drehten Studios neue Staffeln ihrer erfolgreichen Serien. Investitionen in neue Entdeckungen kürzten sie. Joe Adalin, Fernseh-Redakteur des Fachblattes "Variety":

"Früher haben die Fernsehsender je 10 oder 15 Pilotsendungen produziert, jährlich 25 für Komödien und Dramen. NBC hat beschlossen, dass sie zwar immer noch Drehbücher kaufen und Geld investieren, aber anstatt 25 Pilotprojekte produzieren sie nun 5. Die Studios scheinen entschlossen zu sein, nicht mehr so viel Geld zum Fenster heraus zu werfen."

Der Autorenstreik dauerte 100 Tage. Der Wirtschaftsschaden, der durch ihn für die Region von Los Angeles wird auf rund zweieinhalb Milliarden Dollar geschätzt. Beide Seiten erreichten einen Kompromiss, in dem Gewinne auf dem Markt der neuen Medien berücksichtigt werden. Fernsehstudios nutzten die Zeit des Streiks unter anderem, um nur mittelmäßig erfolgreiche Shows zu identifizieren und zu streichen. Sendeplätze im Abendprogramm, an denen zuvor aufwendige Serienproduktionen liefen, wurden ersetzt durch Wiederholungen, Talkshows, Quizshows a la "Wer wird Millionär?" und Reality-Fernsehen.

Und noch immer können US-Zuschauer jeden Abend auf mehreren Kanälen beobachten, wie sich junge Frauen um einen Junggesellen bewerben, Paare darum kämpfen, Pfunde zu verlieren oder am schnellsten einmal um die Welt zu reisen, wie Tanzprofis Prominente übers Parkett tragen, Mütter bei fremden Familien einziehen, benachteiligten Familien Häuser gebaut werden, Millionärsgattinen in Kalifornien ihr Geld ausgeben oder nur bedingt talentierte Mitmenschen nichts unversucht lassen, um der nächste Superstar zu werden.
Variety Fernsehredakteur Joe Adalin:

"Reality-Fernsehen ging es gut. Sehr gut. Nicht spektakulär, aber die Sender konnten sich damit über Wasser halten. Eine große Überraschung waren die Kabel-Nachrichtensender wie CNN. Die heißeste Show war die von Barak und Hillary. Mit Rekord-Einschaltquoten für die Präsidentschaftsdebatten. Die Leute haben eingeschaltet für jedes Detail dieser epischen Kampagne. Ein unerwarteter Gewinner des Streiks: der politische Prozess."

Eindeutige Verlierer neben Zuschauern, die keine Reality-Fernseshows mögen, sind die Filmschaffenden und Zulieferer der Filmindustrie, wie Limousinen Service, Reinigungen, Restaurants, Catering, Blumen- und Geschenkläden, Licht- und Tonstudios. Die Behörde, die in Los Angeles Drehgenehmigungen erteilt verzeichnete für das laufende Jahr einen Rückgang der Anträge um mehr als 40 Prozent. Nicht alle Filmschaffenden warten auf eine bessere Auftragslage. Eine Handvoll Produzenten, Schauspieler und Autoren schloss sich während des Autorenstreiks zusammen und gründete eine Internet-Plattform: "strike.tv".

Die Idee dahinter ist, bei der Entwicklung der neuen Medien - um die es bei den Tarif-Verhandlungen zwischen Studios und Gewerkschaften vor allem geht – ganz vorne mit dabei zu sein. Strike.tv ist keine Kopie von YouTube. Nur professionell gemachte Werke kommen auf das Portal stellen: Kurzfilme in höchster Qualität und Breitbildformat. Mit-Begründer Steven de Souza ist erfolgreicher Hollywood- Drehbuchautor, unter anderem von "Die Hard" und "Lara Croft".

"Wir produzieren Original-Material für das Internet unter vorläufigen Regeln, auf die wir uns mit allen Gewerkschaften geeinigt haben. Das kann die Vorlage für zukünftige Vereinbarungen sein. Wir empfehlen zunächst auf Gehälter zu verzichten und die Produktionen aus der eigenen Tasche oder mit der eigenen Kreditkarte zu bezahlen."

Der Kurzfilm auf streik.tv quasi als Visitenkarte für den nächsten Studiojob. Davon gibt es bald noch ein paar weniger. NBC verlegt die Late Night Talk Show mit Jay Leno von 23 auf 22 Uhr. Und streicht dafür ein paar Serien.