In Erinnerung an Krzysztof Penderecki

Lukas-Passion

Ein Porträt des polnischen Komponisten und Dirigenten Krzysztof Penderecki (1933 – 2020) ist an das Rathaus von Krakau projiziert, wo der Künstler verstarb.
Krakau ehrt Krzysztof Penderecki mit einem Bild am Rathaus. Er gilt als Polens wichtigster Komponist der neuesten Zeit. © picture alliance / NurPhoto / Artur Widak
Moderation: Stefan Lang · 11.04.2020
Der polnische Komponist und Dirigent Krzysztof Penderecki verstarb am 29. März 2020 in Krakau. Seine Lukas-Passion, die er hier selbst dirigiert, war sein Kultstück in Ost und West.
Krzysztof Penderecki probte und dirigierte im Jahr 2011 in Dresden. Das fortgeschrittene Alter merkte man ihm nicht an - kämpferisch, gut austeilend. Er zieht in der Probe durch, war fordernd, er probte für sein eigenes Werk. Die Atmosphäre war aufgeladen, aber doch angenehm und zum Ziel hinführend.
Pendereckis "Passio et mors Domini nostri Jesu Christi Secundum Lucam" – die Lukas-Passion, einst ein Kultstück, wurde viel gespielt in Ost und West. In den vergangenen Jahren war sie selten zu hören, vielleicht auch, weil der Klangapparat zu gewaltig ist, das muß ja alles vorbereitet und bezahlt werden.

Große Besetzung

Drei große Chöre, Knabenchor, Solisten, ein üppiges Orchester mit Saxophon, Klavier, Harmonium, Orgel. Am 26. März des Jahres 2011 haben wir die Lukas-Passion im Dresdner Kulturpalast aufgenommen, Krysztof Penderecki dirigierte. Das war noch im alten Kulturpalast, vor dem großen Umbau.

Auftrag aus Münster

Die Uraufführung von Pendereckis Lukas-Passion fand am 30. März 1966 in Münster. Die westfälische Stadt feierte das 700järige Bestehen des Domes, der Westdeutsche Rundfunk hatte den Auftrag erteilt. Im Dom zu Münster saßen höchste kirchliche Würdenträger, Interessenten des neuen Werkes, allgemein eine erwartungsvolle Gemeinde.
Für Penderecki war das ein großer Tag, denn die Lukas-Passion wurde geradezu enthusiastisch aufgenommen – das Publikum zeigte sich erschütternd beeindruckt von diesem avantgardistischen Werke der geistlichen Musik.
Der Komponist zu seinem Werk in O-Tönen:
Eine Passion des 20. Jahrhunderts, aber fest in der Tradition stehend. Der 1. Teil erzählt die Leidensgeschichte von der Ölbergszene bis zur Vorführung vor Pilatus, der zweite dann die den Kreuzweg bis zum Tod – mit Aria, Passacaglia und Choral wird das Geschehen – ganz in der Tradition – reflektiert. Der Evangelist ist bei Penderecki ein Erzähler – der lateinische Text ist den Kapiteln 22 und 23 des Lukasevangeliums aus der Vulgata entnommen, ergänzt wird durch Psalmen der katholischen Karwochen-Liturgie.

Neu und alt in Einem

Das Werk greift Kompositionstraditionen zwischen Bach und der Moderne auf. Manche Chöre sind strikt 12-tönig organisiert. Aber Pendereckis 12-Ton-Anleihen waren Mitte der 60-er faktisch schon Auslaufmodell. Überhaupt hat er damals viel mit Cluster, Geräusch und Schrei experimentiert.
Der Dirigent bei seiner Arbeit.
Krzysztof Penderecki im Jahr 2017, mit wachem bis strengem Blick zu den Musikern.© imago images / CTK Photo / Michal Kamaryt
Die Uraufführung von Pendereckis Lukas-Passion fand 20 Jahre nach dem 2. Weltkrieg statt, ist christliches Bekenntnis in anti-kommunistischer Haltung.
In einem Programm der Uraufführung schrieb Walter Dirks: "Die Erinnerung an Auschwitz bringt den Hörer auf die richtige Spur. Christi Peiniger sind SS-Schergen und Verführer der Massen: die gefolterten Opfer des Terrors und Christus sind identisch - auch in der jammernden Klage, der fast stummen Anklage, in rasendem Schmerz und in Verzweiflung; nur spröde, wenn auch umso glaubwürdiger setzt sich diese Identität auch in der Hoffnung auf das Erbarmen des Vaters und auf den Sieg des Lebens durch!"

Komponistenporträt

Im zweiten Teil - die Passion ist überschaubar kurz - fügen wir noch ein Komponistenporträt Penderecki aus Mainz an - 2016 aufgenommen, er große alte Herr war angereist, um mit dem Staatsorchester und in kleinen Gruppen eigene Werke aufzuführen, in die Interpretationen beratend einzugreifen. Denn das konnte er: im Mittelpunkt stehen.
Der Komponist zu seinem Arbeitsstil:
Er war sich seiner Rolle in der polnischen und der Musikgeschichte sonst vollends bewusst. Irgendwie hatte man bei Penderecki immer das Gefühl, dass er sich vollends bewusst war im Sinne seiner Bedeutung zu komponieren - das kann man vielleicht auch an und bei den O-Tönen aus seinem Munde am heutigen Abend hören.
Aufnahme des Konzertes vom 26. März 2011 im Kulturpalast Dresden
Krzysztof Penderecki
Passio et mors Domini Nostri Jesu Christi Secundum Lucam

Sandra Trattnigg, Sopran
Artur Rucinski, Bariton
Tomasz Konieczny, Bassbariton
Ahmad Mesgarha, Sprecher

MDR Rundfunkchor Leipzig
Philharmonischer Kinderchor Dresden
Dresdner Philharmonie

Leitung: Krzysztof Penderecki

Im Anschluss:
Mainzer Komponistenporträt -2016 – Krzysztof Penderecki
Konzerte am 18. und 19. März im Hohen Dom und im Staatstheater Mainz
Krzysztof Penderecki
Adagio aus der 3. Sinfonie für Streichorchester
Dies Illa für Soli, drei gemischte Chöre und Orchester
Sextett für Klarinette, Horn, Streichtrio und Klavier

Dorin Rahardja, Sopran
Genevieve King, Mezzosopran
Derrick Ballard, Bass
Chöre am Mainzer Dom

Staatsorchester Mainz/ Solisten des Orchesters
Leitung: Krzysztof Penderecki

Mehr zum Thema