In Bildern erzählt

Rezensiert von Katharina Döbler · 06.01.2006
Plakatkünstler Hans Hillmann hat die brutale Story "Fliegenpapier" von Dashiell Hammett in großformatige Bilder umgesetzt. Er hat die Geschichte nicht illustriert im üblichen Sinn, sondern sie eher adaptiert. Seine Bildsprache ist Filmsprache.
Dashiell Hammett ist, zusammen mit Raymond Chandler, der herausragendste Vertreter eines Genres, das mit Krimi nur unzureichend beschrieben ist: Von hoher literarischer Qualität und zutiefst moralisch, ziemlich brutal, jedenfalls für die damalige Zeit und völlig illusionslos boten seine Romane und Stories nicht nur spannende Unterhaltung, sondern eine profunde Kritik an der Gesellschaft in der Zeit der Großen Depression der 1930er Jahre. Hammett war im Laufe seines Lebens als Pinkerton-Detektiv überzeugter Sozialist geworden. Seine Bücher lieferten später Vorlagen für viele große Filme der Schwarzen Serie - darunter "Der Malteser Falke". Auch in dem vorliegenden Buch wurde ein Hammett-Stoff adaptiert: Der Plakatkünstler Hans Hillmann nahm die brutale Story "Fliegenpapier" und setzte sie in großformatige Bilder um.

Hammetts lakonische und böse Geschichte beginnt mit dem sehr typischen und bezeichnenden Satz: "Es ging um eine missratene Tochter." Hillmann zeigt dazu einen Auschnitt aus einem eher großbürgerlichen Zimmer, mit Blick auf die angedeutete Skyline von New York bei Nacht. Man sieht vorn, sehr prominent eine Sofaecke, dann eine zierliche Kommode, einen Sessel, alles unter einem Wust von Gegenständen kaum zu erkennen – und in einer Ecke, sehr klein und erst beim genauen Hinsehen zu erkennen, eine junge Frau mit Hut und Pelzkragen.

Die junge Frau treibt sich mit Gangstern herum, ihr erster Liebhaber wird erschossen, der zweite Liebhaber legt einen Rivalen um, der seinerseits versucht hat, an das Geld ihres Vaters zu kommen. Und alles endet denkbar schlecht.

Hillmann hat die Geschichte nicht illustriert im üblichen Sinn, sondern sie eher adaptiert. Wie im Film sind Teile des Textes vollständig in die Bilder eingeflossen: Beschreibungen von Personen, das Ambiente, vor allem aber die dreckige und stets gewaltträchtige Atmosphäre gibt Hillmann konsequent in Grautönen und ausdrucksstarken Licht- und Schatten-Effekten wieder. Seine Bildsprache ist Filmsprache: Er arbeitet mit unterschiedlichen, oft sehr suggestiven Perspektiven, spielt mit Nahaufnahmen und Totalen, zeigt verwüstete Straßen und verwüstete Gesichter, kaputte Häuser und kaputte Leute als korrespondierende Elemente ein und derselben grauen Welt.. Scharfe Schatten liegen über Gehwegen, Kleiderfalten schillern in überhellem Licht. Hillmanns Buch ist eine eindrucksvolle Mischung: es ist gemalter Film Noir, es ist expressionistischer Comic, es ist Milieustudie - und es ist echte hard-boiled Literatur in Wort und Bild.


Hans Hillmann: Fliegenpapier
Nach Dashiell Hammetts Kriminalgeschichte
dtv, München, 2005
264 Seiten
24,50 Euro