Immunitätsaufhebung im türkischen Parlament

"Die HDP hat sich nicht gegen den Terror ausgesprochen"

Anhänger des kurdischen Politikers Selahattin Demirtas in Diyarbakir
Auch der HDP-Politikers Selahattin Demirtas könnte seine Immunität verlieren - hier eine Demonstration seiner Anhänger im vergangenen Jahr. © dpa / picture alliance / Sedat Suna
Colin Dürkop im Gespräch mit Christopher Ricke und Anke Schaefer · 17.05.2016
Die türkische Regierungspartei plant, die Immunität zahlreicher Parlamentsabgeordneter aufheben zu lassen. Ein Großteil davon gehört der kurdennahen HDP an. Colin Dürkop von der Konrad-Adenauer-Stiftung sieht das Vorgehen weniger kritisch.
Die türkische Regierungspartei AKP setzt alles daran, durch eine Verfassungsänderung die Immunität von insgesamt 138 Abgeordneten aufheben zu können - speziell offenbar von Abgeordneten der oppostionellen, kurdennahen Partei HDP. Deren Vorsitzender Selahattin Demirtas hatte den türkischen Präsidenten Erdogan mit kritischen Äußerungen verärgert.
Colin Dürkop, Leiter des Istanbul-Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung, sieht das Vorgehen der türkischen Regierung wenig kritisch:
"Ich denke, dass das harte Vorgehen gegen die HDP vor allem unter dem laufenden Anti-Terror-Kampf zu sehen ist. Denn die HDP gilt ja als sehr PKK-nah, teilweise auch als von der PKK kontrolliert. Und die HDP hat sich auch nicht explizit gegen den Terror ausgesprochen."

Nicht nur die HDP-Abgeordneten sind betroffen

Deshalb beginne heute die erste Beratungsrunde bezüglich der Aufhebung der Immunität. Jedoch seien davon nicht nur HDP-Abgeordnete betroffen, sondern Vertreter aller Parteien, die im Parlament vertreten seien.
Präsident Erdogan nähere sich in großen Schritten seinem Ziel, das bisherige System durch ein Präsidialsystem zu ersetzen. Und dieses System habe aus türkischer Sicht und vor dem Hintergrund der chaotischen Zustände in den 1980er- und 1990er-Jahren durchaus Vorteile. Dürkop:
"Bei einem Präsidialsystem haben Sie dann einen Ansprechpartner, und es wird dann keine Spannungen und keine Reibereien mehr geben zwischen dem Staatspräsidenten und dem Regierugnschef."

Ein Präsidialsystem hätte Vorteile

Zudem hätten die Wahlen im vergangenen Juni gezeigt, dass die Oppositionsparteien, die ja insgesamt 60 Prozent aller Stimmen errungen hätten, nicht in der Lage gewesen seien, sich auf einen gemeinsamen Parlamentspräsidents-Kandidaten zu einigen und konstruktive Politik zu betreiben.
Was das Abkommen zwischen der EU und der Türkei anbelange, sei ungewiss, wie es weitergehen werde. Die Türkei hätte ihren Teil der Vereinbarung - sich um die Flüchtlingströme zu kümmern - eingelöst. Im Bundestag jedoch stehe derzeit wegen der Kritik an der türkischen Anti-Terrorgesetzgebung nicht mehr die Visums-Freiheit für türkische Bürger auf dem Plan, sondern die Völkermord-Resolution zum Genozid an den Armeniern.
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