Immun gegen Corona

Es kommt nicht nur auf die Antikörper an

07:09 Minuten
Eine Frau sitzt in Edmonton, Alberta, Kanada, während der Covid-19-Pandemie auf einem Armsessel mit Taschentüchern in der Hand und Medizin auf dem Beistelltisch.
Je häufiger wir mit dem Coronavirus oder mit einem Impfstoff in Kontakt kommen, desto robuster wird unsere Immunantwort, zeigen Studien. © imago images/NurPhoto / Artur Widak
Von Christine Westerhaus · 20.01.2022
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Seit der Omikronwelle geistert vor allem ein Begriff durch die Medien: „Antikörper“. Wir brauchen mehr und andere davon, um diese Coronavirus-Variante unschädlich zu machen, heißt es. Stimmt. Aber sie sind sie nicht die einzige Waffe der Immunabwehr.
Antikörper sind kleine Eiweiße, die genau auf bestimmte Oberflächenstrukturen eines Erregers passen und ihn außer Gefecht setzen, wenn sie dort andocken. Sie sind effektiv, aber das Immunsystem hat verschiedene Arten, mit Erregern umzugehen, sagt Immunologe Leif Erik Sander von der Berliner Charité.

„Das ist auch gut so, weil auch Infektionserreger ganz unterschiedlich sind. Und eine sehr flexible Form auf Infektionserreger einzugehen sind eben Antikörper. Die binden dann an Strukturen auf den Mikroorganismen und bei Viren ist es häufig so, dass sie daran binden und diese neutralisieren können.“

Antikörper fangen eingedrungene Viren ab, bevor sie unsere Zellen befallen und sich darin vermehren können. Sie werden von einer Gruppe sogenannter B-Zellen gebildet, wenn diese mit einem Krankheitserreger in Kontakt gekommen sind und spezifische Strukturen dieses Erregers als fremd erkannt haben.

T-Zellen: "der zweite Arm der Immunabwehr" 

„Es kann aber sein, dass diese Abwehrlinie löchrig ist und Viren dennoch in die Zellen eindringen", so Sander. "Aber dann kommen weitere Wege hinzu, die infizierte Zellen abtöten können und da gehören zum Beispiel bestimmte T-Zellen dazu. Aber es gibt noch andere Zellen des angeborenen Immunsystems, die virusinfizierte Zellen abtöten können.“

T-Zellen sind quasi der zweite Arm der „erlernten Immunabwehr“. Sie erkennen menschliche Zellen, in die Krankheitserreger bereits eingedrungen sind. Dank dieser T-Zellen kann das Immunsystem diese Zellen abräumen, bevor sich das Virus darin vermehren kann.
Und schließlich bildet das Immunsystem auch sogenannte Gedächtniszellen. Das sind Immunzellen, die sich an spezielle Strukturen des Erregers oder infizierter Zellen erinnern können. Dringt ein Virus oder Bakterium erneut in den Körper ein, kann das Immunsystem dann schneller reagieren. Im besten Fall tötet es alle Erreger ab, bevor sie sich vermehren und den Organismus krankmachen können.

Antikörper-Menge ist leichter zu messen

„Prinzipiell ist es aber so", sagt Leif Erik Sander, "dass man schon die unterschiedlichen Aspekte des Immunsystems braucht. Nur die T-Zellen, die lassen sich sehr viel schwieriger messen, das ist kompliziert, denn die kann man nicht so direkt messen, wie man die Antikörper messen kann.“

Deshalb bestimmen ÄrztInnen meist nur die Menge der Antikörper um herauszufinden, wie gut jemand nach einer Infektion oder Impfung geschützt ist. 

„Antikörper lassen sich sehr leicht messen, das sind ganz einfache Testsysteme. Und sie sind auch ein guter Hinweis darauf, wie gut die Immunantwort angesprochen hat. Deswegen misst man auch Antikörper um zu sagen: Besteht da ein guter Schutz oder nicht.“

Schutz vor Erkrankung auch ohne Antikörper

Im Fall der SarsCov2-Variante Omikron hat sich gezeigt: Wir brauchen mehr Antikörper im Blut, um die Viren unschädlich zu machen. Doch selbst, wenn jemand gar keine Antikörper gegen SarsCov2 im Blut hat, kann er vor einer Erkrankung geschützt sein.
Das zeigt unter anderem eine Studie, die Forschende am Karolinska Institut in Stockholm während der ersten Infektionswelle mit dem damals vorherrschenden Virus-Typ durchgeführt haben. Sie hatten damals Menschen mit einem schweren Covid-Verlauf mit Patienten verglichen, die nur schwache Symptome hatten. Zusätzlich untersuchten die Forschenden Familienmitglieder aus demselben Haushalt.
Marcus Buggert, Gruppenleiter am Zentrum für Infektionsmedizin am Karolinska Institut ist einer der AutorInnen der Studie.

„Wir haben gesehen, dass einige Individuen, bei denen wir keine Antikörper messen konnten, trotzdem eine T-Zell-Immunität entwickelt hatten“, sagt er.
„Die interessanteste Gruppe waren Familienmitglieder, die mit Covid-Kranken zusammengelebt hatten, selbst aber gesund blieben. Sehr viele von ihnen hatten eine T-Zell-Antwort und manche auch Antikörper gegen das Coronavirus entwickelt, obwohl sie gar nicht krank waren. Und das zeigt, dass es bei diesem Virus auch eine Art Teilimmunität gibt, die uns zumindest ein bisschen schützt. Zum Beispiel vor einem schweren Covid-Verlauf.“

T-Zell-Immunität kann auch vor Omikron schützen

Diese T-Zell-Immunität scheint auch vor der Omikron-Variante einen robusteren Schutz zu bieten als Antikörper. Darauf deuten die Ergebnisse einer weiteren Studie hin, die Marcus Buggert und sein Team soeben im Fachmagazin "Nature" veröffentlicht haben.

Die Forschenden hatten geimpfte Menschen mit Ungeimpften und Genesenen verglichen, die eine Sars-CoV-2 Infektion mit anderen Virusvarianten durchgemacht hatten. Dabei zeigte sich:

„Bei den meisten Individuen scheint es so zu sein, dass die nach einer Infektion oder Impfung gebildeten T-Zellen auch die Omikron-Variante erkennen können. Im Gegensatz zu den gebildeten Antikörpern. Die wirkten bei den untersuchten Personen um das 30 bis 40-fache schlechter gegen die Omikron Variante.“

Das könnte erklären, warum sich momentan viele Geimpfte oder Genesene zwar mit der Omikron-Variante anstecken, aber nicht schwer erkranken. Ohne wirksame Antikörper kann das Virus zwar weiterhin die oberen Luftwege befallen. Doch die erworbene T-Zellimmunität und andere Immunkomponenten verhindern offenbar, dass sich das Virus unkontrolliert vermehrt, dann in die tieferen Luftwege gelangt und zu schwerer Atemnot führt.

"Immunität ist nicht schwarz oder weiß"

„Ich finde, dass unsere Studie ziemlich gut zeigt: Eine Immunität gegen ein Virus ist nicht schwarz oder weiß. Es geht nicht nur um die Antikörper, sondern es gibt viele Komponenten des Immunsystems, die uns gegen ein Virus wie Sars-CoV-2 schützen können.“

Je häufiger wir mit dem Coronavirus selbst oder mit einem Impfstoff dagegen in Kontakt kommen, desto robuster wird unsere Immunantwort. Deshalb gilt weiterhin: Je mehr Menschen gegen Sars-CoV-2 geimpft sind, desto besser.

„Bisher bestätigt sich das zumindest soweit, dass die Personen, die geimpft sind, ein deutlich reduziertes Risiko haben, die Geboosterten ein noch mal weiter reduziertes Risiko haben“, sagt Leif Erik Sander.
„Das kann sich trotzdem wie eine ordentliche Grippe anfühlen – aber das wäre die Hoffnung: Dass uns Omikron jetzt in einen Zustand überführt, dass jetzt so eine Sars-CoV-2-Infektion nichts übermäßig Gefährliches mehr ist. Dass es etwas ist wird, das zwar immer mal wieder vorkommen kann, dass wir aber nicht ständig mit Überlastung im Gesundheitssystem zu tun haben und nicht so viele schwer kranke Menschen bekommen aufgrund dieser Infektion.“ 

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