"Immer das schwarze Schaf"

Von Lutz Rathenow · 12.05.2009
Mit dem Schreiben begann er 1966, doch erst nach dem Ende der DDR konnten seine Gedichte und Prosastücke als Buch erscheinen. Jetzt ist der Dichter Günter Ullmann im Alter von 62 Jahren gestorben. Der aus Thüringen stammende Autor war auch als Maler und Musiker tätig.
Wir reden von Günter Ullmann aus dem Thüringer Ort Greiz, 1946 geboren und, wie erst jetzt bekannt wurde, am Samstag im Krankenhaus verstorben. 1984 führte er sich mit acht Gedichten furios in die Literatur ein. Gedruckt in der nur im Westberliner Oberbaum-Verlag erschienenen Anthologie "einst war ich fänger im Schnee" hebt ein Gedicht an:"Kein Gott spricht mehr / aus unserem himmel /die engel / sind aus eisen / und blech / und fallen ab /vögel / lassen federn / an unseren traurigen / optimistischen reden".

Dafür gab es dann viel Ärger, Verhöre, Druck und niemand wird mehr endgültig sagen können, ob Günter Ullmann auch ohne diese DDR-Schikanen jemals in der Psychiatrie gelandet wäre, die fortan zu einem ständigen gelegentlichen Lebensbegleiter wurde. Aus Greiz war zuvor schon Reiner Kunze weggetrieben worden – Ullmann hatte seinen Freundeskreis Greizer Autoren und Musiker der Jazz-Gruppe Media Nox. Mit der er auch immer wieder auftrat. Und nicht nur Kunze und Jürgen Fuchs waren von vielen dieser frühen Ullmann-Texte begeistert. Unser zitiertes Gedicht geht weiter: Die volkseigenen blätter / der staatlichen bäume / verschweigen das blut / unterm vergoldeten / trauerrand Die sonne geht weg / weit weg / dahin / wo die schornsteine / noch nicht regieren Seine expressionistisch- surreal eingefärbten lyrischen Gebilde stehen durchaus für sich.

Hinreißend auch viele seiner Kindergedichte, die es in große repräsentative Anthologien schafften. In den letzten Jahren mühte er sich mit unterschiedlichem Erfolg um eine autobiografische Prosa. Er wurde immer lieber porträtiert als das man einfach Texte von ihm wollte. Er lieferte die Beispiele für den von der DDR politisch kaputtgespielten Schriftsteller schlechthin. Das ist nicht falsch. Und doch ungerecht, denn er hat etwas geleistet, was man nachlesen kann. Auch in einem zum Glück in der Büchergilde Gutenberg im letzten Jahr erschienenen Sammelband. Darüber freute er sich sehr. Er schaute in fast jeden Gedichtband, er war süchtig nach Zigaretten und guter Lyrik. Jetzt, wo er nicht mehr ist, wird manches anspruchsvolle Poesiewerk in Thüringen wohl keinen Käufer mehr finden. Nachdenken über Günter Ullmann. Der Benennung des DDR-Unrechts im kulturellen Bereich haftet oft die Nebenwirkung an, dass die diskriminierende Absicht von damals erst als Echo in der Gegenwart ihre subtile Wirkung entfaltet. So wurde Günter Ullmann als politisches Opfer respektiert und deshalb als Autor oft ignoriert. Nun starb er noch am zehnten Todestag seines Freundes und Schriftstellerkollegen Jürgen Fuchs.

An einem anderen 9. Mai vor zwei Jahren wurde in Berlin der Dichter Kollege Wolfgang Hilbig beerdigt. Lassen wir nicht dem Ende das letzte Wort. Denn eigentlich ist Günter Ullmann ein Dichter der Anfänge, Aufbrüche. Wie beginnt der Autor Udo Scheer eine biografische Skizze: 1946 wird Günter Ullmann in das Greiz der Nachkriegszeit hineingeboren. Mit sensibler Intensität erfährt das Kind den Reichtum, den Freundschaft und Güte ausmachen. Trotz eigener Armut stecken ihm die Nachbarn immer mal etwas zu. Alle Wohnungstüren in dem großen Haus stehen ihm offen. Dann folgt das hinreißende Gedicht "Kindheit": die brotsuppe auf dem tisch die kirschen hinterm zaun die welt ein fisch das herz ein clown.