Aus den Feuilletons

Freibadphilosophische Betrachtungen

Ein Junge sitzt am 14.08.2015 im Schwanseebad in Weimar (Thüringen) auf einem Sprungbrett. Foto: Sebastian Kahnert
Auf dem Sprungbrett lässt es sich gut nachdenken über Gott und die Welt. © picture alliance / ZB / Sebastian Kahnert
Von Arno Orzessek  · 19.07.2018
Ein Lob auf das Freibad als "demokratischstes aller Bauwerke" lesen wir in der "Welt". Außerdem Thema in den Feuilletons: Besserer Sex für eine bessere Welt und warum es sich auch mal lohnen kann, 150 Jahre zu warten.
Der sommerlichste Artikel erscheint unter dem Titel "Freibad, Gleichheit, Brüderlichkeit" in der Tageszeitung DIE WELT. "Das Ziel der Geschichte ist die hüllenlose Gesellschaft", behauptet Richard Kämmerlings in seinem "Versuch über das demokratischste aller Bauwerke". Kaum weniger Worte als dem Lob des Freibads widmet Kämmerlings indessen der Kritik an den real existierenden Zuständen am Beckenrand:
"Das Egalitäre des Freibads wird zum Problem, wenn die gleichmachende Nacktheit und der jedem zugemessene Handtuchplatz wieder überformt werden durch neue sicht- oder hörbare Unterschiede. Mit der Fitness- und Muskelkultur ebenso wie mit der im Tattoo allgegenwärtigen Bodyart ist heute eine neue Form optischer Belästigung entstanden, die noch schlimmer ist als vom Beckenrand springende Kinder oder technoid wummernde Soundsysteme auf der Liegewiese." So der WELT-Autor Kämmerlings, der sich offenbar zu einiger Kennerschaft hochgebadet hat.

Besserer Sex für eine bessere Welt

Nach dem Ablegen von Kleidung kann man natürlich auch andere Dinge tun, als in chlorige Schwimmbecken springen - zum Beispiel die Welt verbessern. Dieser Überzeugung ist zumindest Rosa Schilling, die in der TAGESZEITUNG verlautbart: "Ich glaube, dass mit besserem Sex die Welt viel besser wäre." Und damit sich die Dinge wirklich zum Besseren wenden, hat Schilling mit zwei Freunden in Hamburg den feministischen Sex-Shop "Fuck Yeah" eröffnet. In der TAZ erklärt Schilling, man bekenne sich im "Fuck Yeah" zum "sexpositiven Feminismus".
Alice Schwarzer am 18.01.2017 in der Redaktion der Zeitschrift «Emma» in Köln.
Die Feministin Alice Schwarzer machte die aus den USA stammende 'PorNo'-Bewegung in Deutschland bekannt.© picture alliance / Henning Kaiser/dpa

Bekenntnis zu sexpositivem Feminismus statt "PorNo"

"Wir sehen Sex nicht als etwas grundsätzlich Problematisches, sondern als etwas Schönes und Tolles. Der Begriff sexpositiver Feminismus hat sich in Abgrenzung zu der 'PorNo'-Bewegung entwickelt. Diese pornokritische und feministische Bewegung entstand in den USA und wurde in den 80er-Jahren in Deutschland vor allem durch Alice Schwarzer bekannt. Diese Bewegung hat den Porno als eine tragende Säule des Patriarchats verstanden. Sexpositive Feministinnen sehen auch, wie schlecht viele Pornos sind. Aber wir wollen Pornos, Sex und Sexyness nicht abschaffen. Die amerikanische Autorin und Porno-Darstellerin Annie Sprinkler hat mal gesagt, dass die Antwort auf schlechte Pornos nicht keine, sondern bessere seien. Das finden wir auch." Betont die Feministin Rosa Schilling in der TAZ.

Hommage an Norah Jones

Bleiben wir beim Schönen und Tollen. Hingerissen zeigt sich Wolfgang Sander in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG von einem Auftritt der New Yorker Sängerin Norah Jones in Mainz:
"Norah Jones, so kindlich frisch wirkend wie ein Kandidat bei 'Jugend jazzt', aber so cool, als wäre sie im berühmten Jazz Club 'Village Vanguard' zur Welt gekommen, ist auf eine bemerkenswerte Weise unverkrampft, natürlich, instinktsicher, nicht am Show-Off interessiert, ein phantastisches Original. Ihre lakonischen Klavierphrasen sind gespickt mit Blue notes und schönen kleinen Licks, die direkt von Ramsey Lewis stammen könnten, dem Zwei-Finger-Pianisten mit dem unwiderstehlichen Funk-Groove. Aber alles hängt von ihrer Stimme ab und von diesen Texten, die von Herz und Schmerz und Liebe und Trieben schwadronieren, wie Popsongs eh und je. Aber auf das Was kommt es halt nicht an. Es ist das Wie, mit dem sie ihr 'Sunrise' intoniert, das Ewigkeitsformat besitzt." Der FAZ-Autor Wolfgang Sander – kniend vor Norah Jones.
Die US-amerikanische Sängerin Norah Jones
Die US-amerikanische Sängerin Norah Jones© picture alliance / Jaroslav Ozana/CTK/dpa

Bäume pflanzen und 150 Jahre warten

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG beschließt unterdessen ihre Serie "Das Anthropozän". Unter der Überschrift "Viel Holz" berichtet Alex Rühle über seinen Besuch im Nationalpark Berchtesgaden. Wo er die Forstwissenschaftler Roland Baier und Hans Neubauer getroffen hat, die den Park leiten und heute Bäume pflanzen, die erst in 150 Jahren in voller Pracht stehen werden. Beide sind Fans von Borkenkäfern und fürchterlichen Orkanen, weil nämlich Käfer und Orkane Platz im monotonen Fichtengedränge schaffen. Platz für richtigen Wald, so mit Birken, Buchen und Bergahorn, wie sie ihn mögen.
Nun denn. Wir verabschieden uns mit einer Prophezeiung des Baumfreunds Neubauer, von der man sich wünscht, sie würde über den Nationalpark hinaus für das ganze Anthropozän zutreffen: "Das wird alles phantastisch."
Mehr zum Thema