Imageschäden bei Wikipedia

Von Michael Meyer · 30.11.2006
Innerhalb weniger Jahre hat sich Wikipedia zu einem der wichtigsten Online-Nachschlagewerke entwickelt. Zusammengetragen wurde das geballte Wissen von über 1,5 Millionen Nutzern - jeder und jede kann an der Enzyklopädie mitwirken. Doch genau dieses Prinzip gerät immer stärker in die Kritik.
"Stell Dir eine Welt vor, in der jeder Mensch auf dem Planeten freien Zugang zur Summe des menschlichen Wissens hat." Unter diesem Motto gründete der Amerikaner Jimmy Wales 2001 Wikipedia. Die Wortschöpfung setzt sich zusammen aus "Wiki", was im Hawaiianischen "schnell" bedeutet und "Encyclopedia".

Seit fünf Jahren ist das Projekt der ersten so genannten "Freien Enzyklopädie" eine wahre Erfolgsstory. Über anderthalb Millionen Nutzer komplettieren fortlaufend das digitale Lexikon in derzeit 28 Sprachen.

Im letzten Jahr entbrannte erstmalig eine Debatte um den Wahrheitsgehalt und Nutzwert von Wikipedia. Der amerikanische Journalist John Seigenthaler schrieb in einem Kommentar für die Zeitung "USA Today", in Wikipedia sei über ihn zu lesen gewesen, er habe im Verdacht gestanden, in die Ermordung der Kennedy-Brüder verwickelt zu sein. Ganze vier Monate lang konnte man den entsprechenden Artikel abrufen.

Der völlig unschuldige Seigenthaler sprach damit auf etwas an, was bis dahin als die Stärke von Wikipedia galt: Jeder kann neue Einträge verfassen, Artikel verändern, korrigieren und verbessern. Aber auch gezielt falsche Informationen lassen sich über Wikipedia verbreiten. Gerade die PR-Industrie macht sich zuweilen Wikipedia zunutze und stellt Texte ein, die ein geschöntes Bild vom jeweiligen Produkt oder Thema liefern.

Ein weiterer Fauxpas war: Ein deutscher Autor hatte zwei Jahre lang in größerem Umfang anonym Artikel aus DDR-Lexika eingestellt. Zum einen waren die Texte urheberrechtlich geschützt, zum anderen waren sie aber auch inhaltlich umstritten.

Immerhin: Wikipedia hat aus all dem gelernt. Der Wahrheitsgehalt der Artikel soll durch die Registrierung der Nutzer und so genannte "Beobachtungs-" und "Änderungslisten" überprüft werden – auf diese Art und Weise sollen zumindest die gröbsten Schnitzer außen vor bleiben. Zwingend vorgeschrieben ist die Registrierung der Autoren aber nicht.

Wikipedia ist ohnehin kein im engeren Sinn wissenschaftliches Lexikon, auch wenn viele Wissenschaftler an den Texten mitarbeiten. Immer wieder tauchen krude Behauptungen oder völlig unsinnige Artikel bei Wikipedia auf. Gründer Jimmy Wales sagte selbst vor einem Jahr, dass manche Texte "unleserlicher Mist" seien. Allerdings: Durch den wachsenden Erfolg des Projekts und einer akribischen Überwachung durch die Nutzer stehen solche Texte meist nicht lange auf den Seiten von Wikipedia.
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