Imagekontrolle

Wie Musiker ihren eigenen Tod inszenieren

"Blackstar" - das letzte Album von David Bowie, zu sehen ist die CD und ein Foto von dem Künstler mit Sonnenbrille und Zigarette
"Blackstar" - das letzte Album von David Bowie © picture alliance / dpa / Veronika Simkova
Von Martin Risel · 15.01.2016
Die Andeutungen des Todes im letzten "Blackstar"-Video von David Bowie erkennen wir erst jetzt - auch hier war uns der Künstler mal wieder einen Schritt voraus. Er ist nicht der einzige, der sein Sterben in seinem Werk zum Thema machte.
Als der Titeltrack des neuen Bowie-Albums samt Video vor zwei Monaten veröffentlicht wurde, fragten sich viele noch verwundert: In welchen Fantasy- und Tempel-Welten bewegt sich der Mann denn nun? Oder ist das mal wieder eine neue "Space Oddity"? Jetzt ist klar: David Bowie war uns mal wieder einen Schritt voraus und hat uns zu seinem – zur Entstehung noch imaginären, jetzt realen – neuen Aufenthaltsort mitgenommen. Im Himmel muss man nicht unbedingt auf weißen Puffwölkchen schweben, die kleinen Andeutungen im Video mit seinem Kopf in Großaufnahme vor strahlend blauem Himmel sind deutlich genug. Und die spacigen Sounds klingen auch nicht wie von dieser Welt …
War sein Tod eine letzte große Inszenierung? Erst der monatelange Trubel noch vor dem Erscheinen seines neuen Albums, der Popwelt dann geschenkt an seinem eigenen Geburtstag. Drei Tage später tritt er ab. Dahingerafft durch eine miese mörderische Krankheit, Krebs, deren Bekanntgabe – oder genauer: Verheimlichung – er genau der gleichen totalen Kontrolle unterzog wie jeden Ton, jedes Bild, einfach alles, was man von ihm seit Jahren erfahren konnte.
Den letzten großen Respekt nötigt man David Bowie dafür ab. Was nicht immer der Fall war, wenn Pop-Häuptlinge in die ewigen Jagdgründe übergingen.
Zum Beispiel Bowies ehemaliger Gesangspartner Freddie Mercury. Wenn der da im kurz vor seinem Tod veröffentlichten Song "These are the days of our lives" zum Schluss noch einmal " I still love you" mit schwacher Stimme ins Mikrofon wispert, wenn man ihn dazu im letzten gemeinsamen Video mit den Queen-Kollegen seine typischen Gesten gequält mit schwindenden Kräften ausführen sieht – dann ist das noch einmal ganz großes Drama ohne jegliche Schamgrenzen.
Die kannten Queen ja eh nicht – und schon gar nicht beim Tod ihres Sängers. Davor nicht und danach erst recht nicht.
Letzte verzweifelte Schaffensperiode
"The show must go on” hieß Gitarrist Brian Mays Song über die letzte verzweifelte Schaffensperiode von Freddie Mercury im Angesicht von Tod und fortschreitenden Krankheits-Symptomen – zu finden als Abschlusstitel des Abschluss-Albums mit ihm. Posthum gab es dann ja noch eines, das Queen tatsächlich "Made in Heaven" tauften. Darauf diese wirklich allerletzten Gesangsaufnahmen von Freddie.
Auch dieser gesampelte Schnell-Durchlauf durch alle Queen-Songs – wie ein letzter Lebens-Flash – war auf "Mother Love" zu hören.
Nicht ganz frei von Pathos ging auch eine andere Pop-Größe von dannen. Wobei man nicht so ganz genau weiß, ob sich Johnny Cash nur nicht mehr gegen die eigene Todesinszenierung zu wehren vermochte, sie stillschweigend duldete oder mit letzten Kräften vorantrieb. Jedenfalls hatte Produzent Rick Rubin dem offensichtlich auf den Tod zusteuernden Country-Crooner mit seinen "American Recordings" ganz bewusst ein Vermächtnis zu Lebzeiten geschaffen.
Noch ein Abschlusstitel eines Abschluss-Albums: Nicht nur, dass Johnny Cash da selbst schon auf dem letzten Loch pfeift. Der sonst eher als Familiengrummel bekannte Pensionär versammelt hier für den Abschluss-Chor noch einmal große Teile seines Cash-Carter-Clans, um sich im gemeinsamen Gesang zu versichern: "We Will Meet Again" – wir sehen uns wieder.
Nicht ganz frei von nahezu himmlischen Chören inszeniert nun auch David Bowie seinen eigenen Tod. Er bleibt dabei seinem gigantischen Werk treu und tut es auf höchst kunstvolle Art – akustisch und visuell: Der aktuelle Song "Lazarus" bezieht sich auf Lazarus von Bethanien, der gemäß dem Johannesevangelium durch Jesus von den Toten auferweckt wird. Im aufwändig gestalteten Videoclip dazu sieht man Bowie auf dem Sterbebett. Er singt von Narben, die niemand sehen könne. Er windet sich, zittert – und verschwindet am Ende in einem Schrank. Keine Auferweckung. Kein Happy End. Kein Kitsch. Sondern große Kunst.
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