Ilija Trojanow: "Macht und Widerstand"

Ungehörte Geschichten aus der Diktatur

Der Schriftsteller Ilija Trojanow vor dem Funkhaus von Deutschlandradio Kultur
Der Schriftsteller Ilija Trojanow © Deutschlandradio / Manfred Hilling
Ilija Trojanow im Gespräch mit Andrea Gerk · 04.09.2015
In seinem Roman "Macht und Widerstand" zeichnet Ilija Trojanow ein Panorama Bulgariens im Sozialismus. Er erhofft sich davon eine Auseinandersetzung mit der kommunistischen Vergangenheit Bulgariens. Denn dort gehe der Kampf um die Erinnerung weiterhin zugunsten der Täter aus.
Im Alter von sechs Jahren kam Ilija Trojanow als Flüchtlingskind nach Deutschland. Er lebte in Afrika und Indien, bereiste die halbe Welt und schrieb darüber. In seinem neuen Buch "Macht und Widerstand" kehrt Trojanow ins Land seiner Kindheit zurück: Aus der Perspektive zweier gegensätzlicher Figuren - einem Stasismann und einem Widerstandskämpfer - entwickelt er ein Panorama Bulgariens im Sozialismus und darüber hinaus.
Bisher fast keine Auseinandersetzung mit der kommunistischen Vergangenheit
In Deutschland steht "Macht und Widerstand" auf der Longlist des diesjährigen Buchpreises - in Bulgarien, so glaubt Trojanow, wird es große Diskussionen auslösen. Denn dort sei wie in anderen ehemaligen Ostblockländern auch die Auseinandersetzung mit der kommunistischen Vergangenheit bisher marginal gewesen. Der Kampf um die Erinnerung gehe weiterhin zugunsten der Täter aus, zumal "die Archive weiterhin teilweise unzugänglich sind und jetzt wieder eine neue Welle der Verherrlichung kommunistischer Herrschaft eintritt", bedauert der Autor.
Die Menschen in Bulgarien trügen im wahrsten Sinne unglaubliche Geschichten mit sich herum, sagt Trojanow. "Man kann sich gar nicht vorstellen, dass so etwas passiert ist. Und man sieht, dass diese Stimmen nicht gehört werden, marginalisiert sind. Und ich glaube, das ist dann ein Instinkt eines Schriftstellers, nachzufragen, zu sammeln, zu horchen." Die Begegnungen hätten dazu geführt, dass er vieles in Frage gestellt habe. Zum Beispiel dadurch, dass viele dieser Menschen ihm gesagt hätten, am freiesten hätten sie sich im Gefängnis gefühlt. "Wenn man nichts mehr zu verlieren hat, kann man sich alles erlauben. Dann ist man wahrscheinlich der einzige freie Mensch in einer Diktatur."
Kritik an der aktuellen Flüchtlingsdebatte
Deutliche Kritik übt Trojanow an der gegenwärtigen Debatte über Flüchtlinge. Er könne das plötzliche Erstaunen und die plötzliche ritualisierte Betroffenheit nicht verstehen. "Seitens der Bürokratie und der Behörden hätte man schon längst für solche Fälle planen müssen. Die Tatsache, dass es keine geordnete Politik gibt, ist ein völlig unverzeihliches Versagen. Und das kann man nicht mit Betroffenheitsbekundungen in irgendeiner Weise wettmachen."
Ilija Trojanow: Macht und Widerstand
Verlag S.Fischer, Frankfurt/Main 2015
408 Seiten, 24,99 Euro
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