Ilija Trojanow: "Doppelte Spur"

Ein Enthüllungsbuch als Roman verpackt

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Cover von Ilja Trojanow "Doppelte Spur" vor einem Aquarellhintergrund
Ein Roman ist "Doppelte Spur" vor allem, um den gesammelten Fakten – und dem Autor selbst – den schützenden Mantel der Fiktion zu geben. © Cover: S. Fischer / Collage: Deutschlandradio
Von Jörg Magenau · 01.08.2020
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Ilija Trojanow erzählt über die weltweite, mafiotische Verflechtung von Politik und Wirtschaft. Im Mittelpunkt stehen der amerikanische und der russische Präsident. Als Roman ist "Doppelte Spur" nicht der Rede wert, als Enthüllungsbuch umso mehr.
Es kommt nicht oft vor, dass man sich beim Lesen um den Autor Sorgen macht. In diesem Fall aber doch. Und offenbar macht sich auch Ilija Trojanow selber Sorgen, lässt er doch seinen Romanhelden, einen Journalisten namens "Ilija Trojanow", am Ende irgendwo im Dschungel untertauchen, weil er um sein Leben fürchten muss. Dieser "Ilija Trojanow" hat ein Buch publiziert, das die weltweite, mafiotische Verflechtung von Politik, Wirtschaft, "Biznis" und Geheimdiensten beschreibt. Im Mittelpunkt stehen der amtierende amerikanische und der russische Präsident, die sich auf Basis krimineller Geschäftemacherei bestens verstehen.
Trump, der im Buch den Decknamen "Schiefer Turm" erhält, ist den Russen in seiner Mischung aus Eitelkeit und Gier ein verlässlicher Partner, so dass die russischen Geldwäscher ihn gar als "unseren Waschsalon in den USA" bezeichnen. Eigentlich reicht es schon aus, die lange Liste der Bewohner des Trump-Towers in New York zur Kenntnis zu nehmen, damit sich sämtliche Nackenhaare aufstellen. Dort versammelten sich seit den 80er-Jahren russische Oligarchen, dubiose Immobilienhaie, FIFA-Funktionäre, der haitianische Diktator "Baby Doc" Duvalier, Casinobetreiber, Auftragskiller, Lobbyisten, Kunsthändler, Diebe und Betrüger, so dass die Frage erlaubt sein muss, ob diese Häufung ein Zufall sein kann.

Vier-Augen-Gespräch zwischen Trump und Putin

"Unbestreitbar wahr" ist alles, was Trojanow in diesem Roman aufdeckt. Seinem Romanhelden Trojanow werden zu diesem Zweck Dokumente des russischen Geheimdienstes und des FBI zugespielt, doch es bleibt im Dunkeln, wer wirklich dahintersteckt. "Der altmodische Doppelagent diente zwei Staaten", weiß dieser fiktionale Autor, "der moderne Doppelagent dient sowohl der Mafia als auch den Geheimdiensten." Tatsächlich beteuert der echte Trojanow, all seine Fakten im Internet recherchiert zu haben. Es handelt sich also weitgehend um öffentlich zugängliches Wissen. Allerdings gibt es Szenen – so wie ein gruselig-subtiles Vier-Augen-Gespräch zwischen Trump und Putin bei ihrer Begegnung 2018 in Stockholm –, die entweder blendend erfunden sind oder auf Abhörprotokollen basieren. Was nicht wahr ist, ist aber zumindest wahrscheinlich.
Ein Roman ist "Doppelte Spur" vor allem, um den gesammelten Fakten – und dem Autor selbst – den schützenden Mantel der Fiktion zu geben. Im Zweifelsfall kann Trojanow sich darauf berufen, doch bloß einen Roman geschrieben zu haben. Dass der sich wie ein Sachbuch liest, auch wenn es eine Rahmenhandlung und sogar eine kleine Liebesgeschichte gibt, ist vernachlässigenswert. Als "Roman" ist "Doppelte Spur" nicht der Rede wert, als Enthüllungsbuch umso mehr.

Die Wahrheit verteidigen

Trojanow gehört zu den wenigen, inzwischen wirklich altmodischen Autoren, die noch an die Wahrheit glauben. Er setzt das bewährte Prinzip Aufklärung gegen die kriminellen Geschäftemacher, die er bezichtigt, eben diesen "letzten noch nicht ausgebeuteten Rohstoff, die Wahrheit", auch noch zu verscherbeln. Das von dieser Mafia etablierte System internationaler Kriminalität bezeichnet er als "Kakistokratie", deren Ziel es ist, "die Gesellschaft zu spalten, Unsicherheit zu verbreiten, bis einzig dem eigenen Propheten vertraut wird. Bis die Menschen apathisch und hysterisch werden."
Doch er weiß selbst, dass es im Grunde egal ist, wer die Welt ausbeutet und untergräbt, "solange wir nicht verhindern können, dass sie untergraben wird." Dennoch gilt es, die Wahrheit zu verteidigen und unermüdlich Fakten zusammenzutragen, um Licht ins Dunkel der Macht zu bringen. "Politik ist für mich strukturelle Gewalt, die es zu entlarven gilt", sagt der Roman-Trojanow und mit ihm der Autor. Seinen Roman hat er "allen ehrlichen Whistleblowern" gewidmet.

Ilija Trojanow: "Doppelte Spur", Roman
S. Fischer, Frankfurt/Main 2020
240 Seiten, 22 Euro

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