Ilan Mor: Zwei-Staaten-Lösung ist ohne Alternative

Moderation: Birgit Kolkmann · 18.12.2007
Der stellvertretende israelische Botschafter in Deutschland, Ilan Mor, hat die Lage im Gazastreifen und im Westjordanland als unbefriedigend bezeichnet. Israel und die Palästinenser müssten gemeinsam an einer Verbesserung arbeiten, damit beide Völker in Frieden leben könnten, betonte Mor. Er forderte beide Seiten auf, die in der sogenannten Roadmap vereinbarten Verpflichtungen einzuhalten.
Birgit Kolkmann: Die palästinensischen Autonomiegebiete stehen vor dem wirtschaftlichen Kollaps. Allein im Gazastreifen leben drei Viertel der Menschen in Armut. Waren können nicht über die Grenze nach Israel, weil Israel genau das blockiert. Ohne Hilfe von außen geht es nicht, hat auch der gerade wieder in Annapolis angeworfene Friedensprozess sicher keine Chance. Deshalb war gestern die Geberkonferenz in Paris ein ganz wichtiges Signal. Mit sieben Milliarden Dollar soll in den nächsten drei Jahren ein Palästinenserstaat vorbereitet und natürlich Palästinenserpräsident Abbas auch gegenüber der Hamas gestärkt werden.
Einer, der die Nachrichten über die Pariser Konferenz sicher mit größtem Interesse verfolgt hat, ist der stellvertretende Botschafter Israels in Deutschland. Schönen guten Morgen Ilan Mor!

Ilan Mor: Schönen guten Morgen Frau Kolkmann.

Kolkmann: Herr Mor, Frankreichs Präsident Sarkozy sagte gestern, "lasst uns großzügig sein, lasst uns auch mutig sein, davon hängt der Frieden ab". Wie großzügig wird Israel sein?

Mor: Glauben Sie mir, dass wir auch mit dem jetzigen Zustand im Gazastreifen und im Westjordanland unzufrieden sind, und es liegt an uns, in unserem Interesse, diesen Zustand zu verbessern. Wir müssen zusammen mit den Palästinensern einen neuen Zustand, eine neue Realität ins Leben rufen, in dem beide Völker Seite an Seite in Frieden leben können. Aber wir müssen nicht unsere Sicherheitsbedürfnisse vernachlässigen. Deswegen müssen wir eine Balance herstellen: eine Balance zwischen unseren Sicherheitsbedürfnissen und unseren Wünschen, die Situation, die wirtschaftliche Situation zu verbessern.

Kolkmann: Nun hat sich ja gestern auch Israels Premier Olmert geäußert und gesagt, für ihn stehe schon das Sicherheitsinteresse Israels über zum Beispiel dem Abbau von Handelsblockaden zu den besetzten, zu den autonomen Gebieten hin. Ist das ganz schwierig, diese Balance wirklich auszudefinieren, ohne den Menschen weiter zu schaden?

Mor: Ja. Es ist wirklich eine tagtägliche Aktivität, eine tagtägliche Aufgabe der israelischen Streitkräfte, diese Balance zu ziehen. Man muss sich die Frage stellen: Wer hat dazu beigetragen, dass es überhaupt diese 600 Checkpoints im Westjordanland gibt? Sie sind nicht vom Himmel gefallen. Sie sind dort, um die Terroristen daran zu hindern, nach Israel zu kommen. Diese Balance muss sorgfältig gezogen werden und das versuchen wir zu tun, also den Palästinensern zu helfen und mit demselben Atemzug die Sicherheitssituation so beibehalten zu können, dass die Israelis nicht angegriffen werden können.

Kolkmann: Nun fragt sich aber, was der Bau oder der weitere Bau von Siedlungen mit diesen Sicherheitsinteressen zu tun hat. Nun hatte gestern auch der deutsche Außenminister Steinmeier am Rande der Konferenz gesagt, Israel muss dafür sorgen, dass in den palästinensischen Gebieten hergestellte Waren auch das Land verlassen können, und er appellierte an Israel, Verabredungen über einen Stopp von Siedlungen nicht zu brechen. Was sagen Sie dazu?

Mor: Wir sind dazu verpflichtet. Wenn man die sogenannte Roadmap, den Fahrplan sieht, dann ist die erste Stufe so, dass sowohl die Israelis wie auch die Palästinenser ihre Aufgabe in die Praxis umsetzen müssen, nämlich Israel hat sich dazu verpflichtet, den Siedlungsaufbau zu stoppen. Das werden wir tun. Die Palästinenser müssen parallel dazu auf der anderen Seite die Terroristen bekämpfen. Das muss parallel gemacht werden und wir sind dazu verpflichtet.

Kolkmann: Unterdessen dreht sich ja die Spirale der Gewalt doch immer weiter. Je mehr Armut und Druck vor allen Dingen auch in der Bevölkerung da sind, desto mehr Radikalisierung. Wäre wirklich am meisten zu erreichen über eine größere Zufriedenheit der Palästinenser im alltäglichen Leben und sind da die Ergebnisse von Paris jetzt ganz besonders wichtig?

Mor: Ja, auf jeden Fall. Ich sehe, wir sehen die Pariser Konferenz von gestern als direkte Fortsetzung der Annapolis-Konferenz von vor zwei Wochen. Das ist der zweite Schritt, ein sehr positiver Schritt. Man muss weiter gehen. Israel hat sich bereit erklärt, alles daran zu setzen, mit den Palästinensern, mit Abu Masen und Salem Fayad weiter zusammenzuarbeiten. Die beiden sind unsere Partner. Die Palästinenser sind unsere Nachbarn, und ich bin der Meinung, wir sind der Meinung, dass es sowohl für die Israelis als auch für die Palästinenser keine andere Alternative gibt, sondern miteinander in Frieden leben zu wollen. Israel bleibt dort, die Palästinenser bleiben dort. Die Alternative ist schlimmer. Die Alternative ist der Hamas-Terrorismus, Hisbollah-Terrorismus und zunächst einmal auch die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen im Nahen Osten durch den Iran und so weiter. Wir müssen zusammenarbeiten und Israel hat sich bereit erklärt, so etwas zu tun, und so werden wir es auch tun.

Kolkmann: Sie sprechen von einer friedlichen Nachbarschaft, von einer Nachbarschaft zweier Staaten?

Mor: In der Tat! Das ist die einzige Lösung. Diese Lösung liegt auf der Hand. Die Zwei-Staaten-Lösung, Israel und Palästina, ist die Zukunft, die Seite an Seite in Frieden leben müssen. Die Alternative ist, wie ich gesagt habe, schlimmer, ist durch Terror und Blutvergießen gekennzeichnet. Es gibt keine andere Alternative und beide Seiten, mindestens Salem Fayad und Abu Masen, Ehud Olmert und die israelische Bevölkerung, haben sich dazu verpflichtet. Die israelische Bevölkerung ist heute mehr als je zuvor zu der Einsicht gekommen, dass nur eine Zwei-Staaten-Lösung die Lösung ist. Sonst gibt es nichts!

Kolkmann: An einer friedlichen Nachbarschaft, an einer Friedenslösung arbeitet ja nun gemeinsam mit Ihnen die internationale Gemeinschaft unter Hochdruck, in der Hoffnung, dass Ende des kommenden Jahres dann auch ein Friedensvertrag auf dem Tisch liegen wird. Ist es aber mit einer freundschaftlichen Nachbarschaft noch ganz, ganz lange hin, bis das verwirklicht werden kann?

Mor: Sehen Sie, man muss im Nahen Osten realistisch bleiben: mit einer gewissen Hoffnung, aber realistisch. Der Frieden steht nicht um die Ecke, aber man muss daran arbeiten. Man muss darin sehr viel investieren, sowohl die Israelis als auch die Palästinenser. Es ist immer wieder – und ich muss mich leider wiederholen – eine Frage der Alternative und leider Gottes ist die Alternative schlimmer. Deswegen müssen wir zusammen trotz aller Schwierigkeiten den Weg zu der Zwei-Staaten-Lösung finden, der jedoch mit vielen Stolpersteinen gepflastert ist. Man muss diese Stolpersteine überwinden. Dazu sind wir verpflichtet.