"Ich wollte immer die Menschen verteidigen"

Von Wolfgang Martin Hamdorf · 16.02.2011
Vor zwei Jahren spielte die peruanische Schauspielerin Magaly Solier Romero die Hauptrolle in dem Film "La Teta Asustada", der den Goldenen Bären der Berlinale gewann. Eine internationale Karriere begann. In diesem Jahr ist sie in "Amador" zu sehen.
Mit dem melancholischen Lied von der Meerjungfrau und ihrem Pakt mit den Musikanten wurde Magaly Solier Romero vor zwei Jahren weltweit bekannt. Denn sie singt es in der Hauptrolle in dem spanisch-peruanischen Film "La Teta Asustada". Er gewann den Goldenen Bären und kam unter dem Titel "Eine Perle Ewigkeit" auch in die deutschen Kinos. Magaly Solier Romero:

"Ich liebe Berlin. Ich liebe den Schnee. Ich habe sehr schöne Erinnerungen an meinen ersten Aufenthalt hier, alle waren sehr nett. Und als wir den goldenen Bären bekamen habe ich gesungen. Ich weiß nicht, ob sie die Worte verstanden haben, aber die Gefühle in ihnen bestimmt."

Sie wurde am 11. Juni 1986 in einem kleinen Dorf im peruanischen Hochland geboren. Es war eine finstere Zeit für Peru, besonders in den ländlichen Gebieten: Der Terrorismus des "Sendero Luminoso" auf der einen Seite und die brutale Gegenreaktion der Streitkräfte forderten zahllose Tote, ganze Dörfer wurde vernichtet, Folter und Vergewaltigungen waren an der Tagesordnung. Diese Traumata einer ganzen Region vermittelt sie Jahre später in ihrer Rolle der schweigsamen Fausta, die ihre tiefen Ängste nur über den Gesang verarbeiten kann. Aber zunächst wollte Magaly Polizistin werden, aus Wut über die Ungerechtigkeiten dieser Welt. Magaly Solier Romero:

"Ich wollte immer die Menschen verteidigen, die sich nicht verteidigen konnten. Wenn ich die Gelegenheit habe jemanden zu verteidigen, dann mache ich es."

Magaly hat lange schwarze Haare und einen dunklen Teint. Sie strahlt etwas Geheimnisvolles aus, hat weiche, manchmal melancholische Züge. Ihr Gesicht kann ungebrochene Lebensfreude zeigen, wenn sie von ganzem Herzen lacht, kann aber auch abweisend und undurchdringlich werden.

Ihr Weg zum Film begann dann mit einem fast märchenhaften Zufall: Als sie 2004 auf dem Marktplatz ihrer Heimatstadt Essen verkaufte, um Geld für eine Klassenfahrt zum Machu Picchu zusammen zu bekommen, wurde sie von peruanische Regisseurin Claudia Llosa angesprochen. Die bereitete gerade ihren Debütfilm "Madeinusa" vor und suchte eine Laiendarstellerin für die Hauptrolle.

Mit Schauspiel und Film hatte Magaly keine Erfahrung, gesungen hatte sie aber schon. "Madeinusa" wurde ein großer Erfolg, "La Teta Asustada" machte sie weltweit bekannt, für "Altiplano" ging sie nach Belgien und im vergangenen Jahr drehte sie in Spanien. Sie spielte die Hauptrolle in "Amador", dem Film des spanischen Regisseurs Fernando Leon de Aranoa: Marcela, eine junge peruanische Immigrantin, die einen alten Spanier pflegt und dann seinen Tod verheimlicht um ihre Arbeit nicht zu verlieren. Magaly Solier Romero:

"Ich werde immer solche Rollen spielen wie die Fausta, Madenusa oder meine Figur in 'Amador'. Es geht dabei immer um sehr, sehr sensible Themen, von denen wenig gesprochen wird und die sich nicht gut verkaufen lassen. Davon will ich reden, ehrlich reden. Die Immigration ist ein sehr ernstes Thema, in 'La Teta Asustada' geht es um die Verarbeitung schrecklicher Erinnerungen zwischen Traum und Wirklichkeit, in 'Altiplano' geht es um die Umweltverschmutzung und in 'Madeinusa' geht es um Inzest und den Wunsch, das Dorf in dem sie so viel Schreckliches erlebt hat, zu verlassen."

Aber das sei nicht autobiografisch. Für sie sei ihr Heimatdorf ihr eigentliches Zuhause, erzählt Magaly Solier mit leuchtenden Augen: Magaly Solier Romero:

"Der Ort, an dem meine Mutter mich geboren hat. Da ist mein Haus und meine Heimat. Da werde ich immer wieder hin zurückkehren. Ein Immigrant will doch immer an den Ort zurück, an dem er geboren wurde."

In ihren Filmen hat Magaly den Unterdrückten, den Immigranten indigener Herkunft, ein Gesicht gegeben und eine Stimme. Denn bekannt wurde sie auch als Sängerin. Eine CD hat sie schon veröffentlicht, die zweite ist fast fertig. Sie singt auf Spanisch und auf Quetchua, in der uralten Inka-Sprache, der Sprache ihrer Heimat und ihrer Familie. Magaly Solier Romero:

" Am Anfang habe ich immer gesagt: Eigentlich mag ich die Musik viel lieber. Aber eigentlich stimmte das nicht, denn mir ist klar geworden, dass beides für mich extrem wichtig ist. Wenn ich eine Zeitlang als Schauspielerin gearbeitet habe, vermisse ich die Musik und umgekehrt ist es ebenso. Aber jetzt habe ich mir etwas ganz Neues in den Kopf gesetzt. Ich will Theater spielen lernen. Man muss sich immer weiterentwickeln."

Durch den Film und die Musik ist Magaly Solier viel in der Welt herum gekommen, nach Lima, Madrid, Brüssel und Berlin. Ihre Wurzeln hat sie dabei aber nie verloren. Magaly Solier Romero:

"Meine Mutter sagt immer: Wie kannst du nur so weit weg sein und kein Heimweh haben. Denn immer wenn ich nach Hause komme, muss ich erst einmal weinen. Da bin ich sehr sensibel und sentimental. Meine Eltern vermissen mich aber sie machen sich keine Sorgen. Denn sie wissen ja, dass ich auch außerhalb von Peru immer gut umsorgt werde. Auch bei den Dreharbeiten, denn schließlich will ja niemand, dass die Hauptdarstellerin verschwindet."

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