"Ich sehe den Mann deiner Träume"

Gesehen von Hans-Ulrich Pönack · 01.12.2010
Der Maestro bleibt sich treu: Wieder einmal lässt Woody Allen seine Protagonisten auf die Suche nach Sinn und Lebensglück gehen. Eine burleske Spott- und Charme-Show mit viel persönlichem Wiedererkennungspotenzial.
Der Originaltitel des 41. Regie-Films des New Yorker Stadtneurotikers Woody Allen, der heute, am 1. Dezember 2010, seinen 75. Geburtstag hat, lautet spitz "You Will Meet a Tall Dark Stranger" - Du wirst einen großen dunklen Fremden treffen - und entstand erneut im England-Europa. Wo der passionierte Pessimist und dreifache "Oscar"-Preisträger inzwischen ebenso gerne "preiswert" dreht wie zuvor in Spanien ("Vicky Cristina Barcelona"/2008) und zuletzt in Frankreich ("Midnight in Paris", der 2011er-Film).

Mit deutscher Beteiligung, denn das New Yorker Genie hat auch das Drehbuch zu diesem Film auf einer uralten deutschen Schreibmaschine geschrieben, einer 'Olympia', die er mit 16 Jahren gekauft habe, wie Allen kürzlich in der Filmsendung "Gottschalk" verriet: "Alles, was ich jemals geschrieben habe, jeden Film, jedes Theaterstück, jede Geschichte, habe ich mit dieser Schreibmaschine geschrieben. …. Sie sieht immer noch aus wie neu und funktioniert perfekt."

Wir befinden uns also wieder im bekannten, altmodischen Universum des Maestros. Wo die erwachsenen Protagonisten sich immer noch auf der Lebenssuche nach Glück, Sinn oder etwas Ähnlichem befinden. Motto: Man hält dieses Leben nur aus, wenn man sich etwas vormacht, so Allen im Frühjahr in Cannes, wo der Film auf dem Festival erstmals lief: "Ohne Illusionen wird es unerträglich".

In solch einem "witzigen" bergmanschen Stimmungstiefumfeld in Farbe lässt Woody Allen seine prominenten Team-Player wie Antony Hopkins, Josh Brolin, Naomi Watts und Antonio Banderas auftreten. Ein in die Jahre gekommener reicher Geschäftsmann akzeptiert auf einmal sein fortgeschrittenes Alter nicht mehr, verlässt seine entsetzte Ehefrau (hinreißend sperrig-spröde-dusslig) Gemma Jones, um mit einer jungen Call-Mieze "teuer" anzubandeln.

Seine attraktive Tochter dagegen kommt in ihrer "Verfalls-Ehe" mit einem Versuchs-Dichter nicht mehr klar, himmelt ihren Chef an, der aber schon anderweitig emotional tätig ist. Währenddessen aktiviert jener Mittelmaß-Poet seine Anstrengungen bei der schönen indischen Nachbarin von gegenüber, die zufällig gerade zu heiraten beabsichtigt.

Die verlassene Mutti dagegen ergeht sich in Allenschen "Auflösungserscheinungen", sprich Depressionen und zieht eine "tüchtige" Wahrsagerin zu Rate. Die wird für sie zur neuen esoterischen Lebens-Muse. Dann taucht noch ein älterer Buchhändler auf, der nur "spirituelle Literatur" verkauft und gerne mit seiner verstorbenen Ehefrau "kommuniziert". Und an der verlassenen Lady Interesse zeigt - wenn es denn seine tote Frau "zulässt". Doch nun möchte plötzlich ihr Ex wieder zurück ins Heim; hat kostspielig und kräfteraubend eingesehen, dass sein versuchtes Bad im Jungbrunnen ein Fehler war.

Typisch und doch wieder wunderbar ansprechend - dieser bekannte listige, komische, tragische, bissige Woody Allen-Kosmos. Man liebt sich "falsch", man liebt sich vielleicht, entwickelt Ideen, Hoffnungen, Glauben, jetzt endlich in den "richtigen Lebenslauf" zu geraten. Pustekuchen. Oder auch nicht.
Das wird fein-locker, keck-doppelbödig, fein nuanciert und pointiert erzählt - mit sehr viel Wort-Performance. Und stimmiger, stimmungsvoller Verbal-Atmosphäre. Der neue Allen ist eine burleske Spott- und Charme-Show. Mit viel persönlichem Widererkennungspotenzial. Und schmeckt wie ein alter feuriger Wein, der gut über bzw. in die Jahre gekommen ist.

Es menschelt reichlich seelen-tiefsinnig-pur bei, mit und in dieser köstlichen neuen Woody-Allen-Spaß-Farce à la : "Neulich sagte jemand zu mir, dass ich in den Herzen meiner Landsleute weiterleben werde. Ich will aber in meinem Appartement weiterleben!"

USA/Großbritannien 2009 - Regie: Woody Allen - Hauptdarsteller: Naomi Watts, Josh Brolin, Antonio Banderas - Länge: 98 Minuten

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